BAG, Urteil vom 27.4.2022, 4 AZR 463/21

Leitsatz (amtlich)

Die Darlegungs- und Beweislast für eine höhere Eingruppierung obliegt in einem Prozess grundsätzlich der Beschäftigten. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, d. h. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Vergütungsgruppe, kann sich die Beschäftigte jedoch auf die ihr zuvor als maßgebend mitgeteilte Vergütungsgruppe berufen. Dann hat die Arbeitgeberin die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darzulegen und zu beweisen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn durch die Änderung der Bewertung der Tätigkeit durch die Arbeitgeberin einem (ggf. erst später möglichen) Höhergruppierungsantrag nach § 29b TVÜ-VKA die Grundlage entzogen wird.

Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahr 2013 beschäftigt. Sie war zunächst im gemeindlichen Vollzugsdienst tätig und bewarb sich im Juli 2015 erfolgreich auf eine interne Stellenausschreibung der Beklagten für die Tätigkeit einer "Sachbearbeiter/-in Bürgerbüro", die "nach TVöD, Entgeltgruppe E 08 entspr. BAT-O/BMT-G-O Vc/1b bewertet" sein sollte. Die Parteien schlossen daraufhin im September 2015 einen Änderungsvertrag, nach dem sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD-V sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen und dem TVÜ-VKA richten sollte. Als Entgeltgruppe wurde die EG 8 angegeben.

In der Zeit vom 1.11.2015 bis zum 28.2.2019 war die Klägerin als "Sachbearbeiterin Zentrales Bürgerbüro" beschäftigt. In der von der Beklagten für diese Tätigkeit erstellte Stellenbeschreibung war unter "Bewertung" zunächst "VG Vc/1b" und unter "Wertigkeit" "≙ EG 8" angegeben. Nachdem im August 2016 die Beklagte die Eingruppierung überprüfte, kam sie zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit nicht die VG Vc Fallgruppe 1b, sondern die VG Vc Fallgruppe 1a des BAT-O zutreffend sei (Fallgruppe 1b: Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert; Fallgruppe 1a: Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbstständige Leistungen erfordert). Deshalb wurde die auf der Stellenbeschreibung vermerkte Bewertung in "VG Vc/1a" handschriftlich geändert.

Ende März 2017 übersandte die Beklagte der Klägerin, die bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis vom Inhalt der Stellenbeschreibung hatte, ein entsprechendes Exemplar, allerdings ohne den handschriftlichen Zusatz. Mit Schreiben vom 22.5.2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Höhergruppierung nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA rückwirkend ab dem 1.1.2017 in die EG 9a.

Im Juli 2017 wurde ihr dann mitgeteilt, dass aufgrund der Neubewertung der Stelle im Jahr 2016 festgestellt worden sei, dass die Eingruppierung nach VG Vc Fallgruppe 1a BAT-O zutreffend sei, so dass es bei der EG 8 verbleibe. Im August 2017 übersandte die Beklagte der Klägerin die Stellenbeschreibung mit der geänderten Bewertung und lehnte schließlich mit Schreiben vom 9.4.2018 den Antrag auf Höhergruppierung ab.

Sie erhob nun Klage mit welcher sie festgestellt haben möchte, dass ihr für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 28.2.2019 eine Vergütung nach EG 9a TVöD/VKA zugestanden habe.

Sie begründete dies damit, dass es sich bei der Korrektur der Beklagten um eine korrigierende Rückgruppierung handele. Hierfür habe die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Zuordnung darzulegen und zu beweisen. Deren Vortrag sei aber nicht hinreichend substantiiert.

Dagegen brachte die Beklagte vor, dass es sich bei der Korrektur der Fallgruppe nicht um eine korrigierende Rückgruppierung handele; denn eine solche müsse sich unmittelbar auf die Vergütung auswirken. Zum Zeitpunkt der Änderung habe der Klägerin aber sowohl nach der ursprünglichen als auch nach der jetzigen Bewertung eine Vergütung nach der EG 8. Zudem habe sie nicht auf die Angabe der Vergütungsgruppe in der Stellenausschreibung vertrauen dürfen. Jedenfalls sei der Anspruch der Klägerin nach § 37 TVöD/VKA verfallen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg.

Das BAG führte zunächst aus, dass sich die Eingruppierung der Klägerin, da sie einen Antrag auf Höhergruppierung im Zuge der Überleitung in die neue Entgeltordnung TVöD-VKA zum 1.1.2017 nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gestellt hatte, nach §§ 12, 13 TVöD/VKA i. V. m. der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) richte. Somit könne sie, wenn ihre Tätigkeit die Anforderungen der VG Vc Fallgruppe 1b BAT-O erfülle, auf Grundlage der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA auch eine höhere Vergütung als diejenige verlangen, die sich infolge der Überleitung nach § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA ergab.

Im vorliegenden Fall konnte gem. § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA eine Überleitung aus VG Vc Fallgruppe 1b BAT-O nur in EG 8 TVöD/VKA erfolgen, während bei Erfüllung der tariflichen Anforderu...

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