Der Arbeitgeber ist im Rahmen des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO i. d. R. berechtigt, den Abbau von Mehrarbeitsstunden und Überstunden anzuordnen. Im Bereich des TVöD-Verwaltung sowie im Tarifbereich der Länder besteht eine ausdrückliche Tarifregelung, der zufolge Überstunden grundsätzlich durch entsprechende Freizeit auszugleichen sind (§ 8 Abs. 1.1 TVöD-Verwaltung bzw. § 8 Abs. 2 TV-Länder). Auch in den anderen Dienstleistungsbereichen des TVöD kann der Arbeitgeber Freizeitausgleich für Überstunden anordnen. In anderen Branchen bestehen ebenfalls häufig tarifvertragliche Regelungen zum Abbau von Mehrarbeitsstunden. Ausdrückliche Erwähnung soll an dieser Stelle beispielhaft der Manteltarifvertrag für die bei der Deutschen Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiter finden. Nach § 14 Abs. 5 MTV kann der jeweilige Vorgesetzte von Mitarbeitern mit einem Mehrarbeitsstundenkonto von mehr als 30 Stunden einen Stundenabbau verlangen, wenn betriebliche Gründe vorliegen (z. B. Überbesetzung eines Arbeitsbereichs). Auch zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie kann der Abbau von Überstunden nach einer solchen Vorschrift angeordnet werden.

Bezüglich des Abbaus von Überstunden ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer ggf. Freizeit zu einem anderen Zeitpunkt wünscht.

Die Ausführungen gelten – vorbehaltlich abweichender Regelungen in Betriebs-/Dienstvereinbarungen – entsprechend für den Freizeitausgleich für auf einem Arbeitszeitkonto angesammelte Plusstunden. Der sich aus einem Arbeitszeitkonto ergebende Freizeitausgleichsanspruch wird erfüllt durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht.[1] Die Freistellung zum Abbau von Plusstunden kann auch widerruflich erfolgen.[2] Die Arbeitnehmer können sich nicht darauf berufen, die Freizeit sei wertlos, wenn sie jederzeit damit rechnen müssen, zur Arbeitsleistung herangezogen zu werden. Bei Ausübung des Widerrufs muss der Arbeitgeber allerdings die Grenzen billigen Ermessens nach § 315 Abs. 3 BGB einhalten, damit auch auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an der Planbarkeit seiner Freizeit Rücksicht nehmen. Angesichts der ohnehin massiv eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten dürften vorliegend die betrieblichen Interessen an einem ggf. kurzfristigen Widerruf des Freizeitausgleichs zur Bewältigung dringender betrieblicher Tätigkeiten überwiegen.

Bei der Anordnung von Freizeitausgleich muss der Arbeitgeber eine angemessene Ankündigungsfrist wahren. Die Freistellung muss dem Arbeitnehmer so rechtzeitig mitgeteilt werden, dass es sich noch ausreichend auf die zusätzliche Freizeit einstellen kann. Nach dem Urteil des BAG vom 17.1.1995[3] ist dieses Erfordernis nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer erst zwischen 15 Uhr und 17 Uhr davon in Kenntnis gesetzt wird, ob er am folgenden Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet ist oder Freizeitausgleich erhält. Das BAG hat in der Entscheidung jedoch auch klargestellt, dass die Ankündigungsfrist von mindestens 4 Tagen, die für die Arbeitsverpflichtung bei Arbeit-auf-Abruf-Vereinbarungen greift (§ 12 TzBfG), für die Anordnung von Freizeitausgleich für Mehrarbeitsstunden nicht zwingend einzuhalten ist. Im Rahmen billigen Ermessens ist eine kürzere Ankündigungsfrist, allerdings kein völliger oder nahezu völliger Wegfall einer Ankündigungsfrist gerechtfertigt. Der Freizeitausgleich muss – im Gegensatz zur Urlaubsgewährung – nicht ohne weiteres für volle Tage gewährt werden. Etwas anderes gilt, wenn tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen Freizeitausgleich nur für ganze Tage vorsehen.

Bei Beschäftigten, deren Arbeitszeit sich nach einem Dienstplan richtet, ist der Abbau von Überstunden im Dienstplan entsprechend vorzusehen, was ggf. eine Änderung bereits bestehender Dienstpläne unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats/Personalrats bedingt.

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