Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.10.1989)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 1989 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf die Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Die Klägerin war mit Unterbrechungen von 1942 bis 1975 versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 10. Dezember 1975 war sie arbeitsunfähig bzw arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 3. August 1977. Arbeitslosenhilfe (Alhi) beantragte sie nicht. Einen im Juli 1979 gestellten Antrag auf Gewährung der Rente wegen EU oder Berufsunfähigkeit (BU) lehnte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA) mit Bescheid vom 6. September 1979 ab. Der Widerspruch und das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) blieben erfolglos. Einen erneuten Rentenantrag vom Juni 1986 lehnte die Beklagte ab. Die Beklagte ging davon aus, daß die Klägerin seit Juni 1986 erwerbsunfähig sei. Die Klägerin habe aber in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU, vom 1. Juni 1981 bis zum 31. Mai 1986 keine Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet. Die Voraussetzungen der §§ 1247 Abs 2a, 1246 Abs 2a der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nicht erfüllt. Im Juni 1987 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen EU und legte eine Bescheinigung des Arbeitsamtes B., Dienststelle K. …, vom 13. April 1987 vor, wonach sie seit 4. August 1977 bis 31. März 1987 arbeitslos gemeldet gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Diese Bescheinigung beruht laut einem Schreiben des Arbeitsamtes B. im wesentlichen auf Angaben der Klägerin, die beim Arbeitsamt erstmals seit Oktober 1977 am 30. März 1987 wieder vorgesprochen und angegeben habe, sie sei auch nach Beendigung des Bezugs von Alg zum 3. August 1977 weiterhin fortlaufend arbeitslos gewesen. Karteiunterlagen lägen keine mehr vor.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 7. September 1987 ab. Der Bescheid vom 10. März 1987 sei rechtmäßig. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 1988 zurück.

Im Klageverfahren hat das Arbeitsamt B. dem SG mit Schreiben vom 19. Oktober 1988 die Beratungskarte der Klägerin über Beratungen am 3. und 30. April 1987 übersandt und mitgeteilt, daß auch die zuständige Hauptvermittlerin E. P. über keine weiteren Unterlagen verfüge. Die Bescheinigung vom 13. April 1987 über Zeiten der Arbeitslosigkeit der Klägerin sei unter Beachtung der vorliegenden innerdienstlichen Weisungen ausgestellt worden. Mit weiterem Schreiben vom 21. Februar 1989 teilte das Arbeitsamt B. mit, die Beratungsunterlagen würden 15 Monate nach Abschluß der Beratung vernichtet.

Das SG hat mit Urteil vom 10. April 1989 die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung der EU-Rente ab 1. Juli 1986 verurteilt. Es ist davon ausgegangen, daß der Bescheid vom 10. März 1987 rechtswidrig und deshalb gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren -(SGB X) zurückzunehmen sei. Die Klägerin erfülle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO. Die Klägerin sei arbeitslos und auch beim Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet gewesen. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitsamtes B. vom 13. April 1987. Ihre Meldung als Arbeitsuchende sei nicht automatisch erloschen. Die Vorschrift des § 15 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), wonach das Vermittlungsgesuch alle 3 Monate zu erneuern sei, gelte erst ab 1. Januar 1988. Der Umstand, daß die Bescheinigung des Arbeitsamtes vom 13. April 1987 auf den Angaben der Klägerin beruhe, beweise nicht, daß sie falsch sei.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, es stehe nicht fest, daß die Klägerin arbeitslos gewesen sei. Dies beweise auch die Bescheinigung des Arbeitsamtes nicht.

Im übrigen ergebe sich auch aus anderen Unterlagen, daß die Klägerin von 1977 bis 1987 nicht arbeitslos gewesen sei. Die Beklagte hat hierbei auf Angaben in einem ärztlichen Gutachten vom 6. August 1979 und einen Entlassungsbericht über eine Rehabilitationsmaßnahme (Reha) aus dem Jahre 1978 Bezug genommen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Es hat festgestellt, daß die Klägerin zwar seit Juni 1986 erwerbsunfähig sei und auch die Wartezeit gemäß § 1247 Abs 1 iVm Abs 3 RVO erfüllt sei, da die Klägerin eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt habe. Die Klägerin sei aber nicht zuletzt vor Eintritt der EU versicherungspflichtig beschäftigt bzw tätig gewesen. Der Nachweis, daß die Klägerin in der Zeit von August 1977 bis Juni 1986 arbeitslos gemeldet gewesen sei, sei nicht erbracht. Das LSG hat die Bescheinigung des Arbeitsamtes vom 13. April 1987 nicht als Beweis für die Meldung angesehen. Gegen die Richtigkeit der eigenen Angaben der Klägerin, sie habe sich alle drei bis vier Wochen beim Arbeitsamt telefonisch gemeldet, bestünden erhebliche Bedenken.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin rügt eine Verletzung der §§ 1246 Abs 2a iVm 1247 Abs 2a RVO, §§ 132 und 15 Abs 2 AFG. Sie rügt weiter eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes -GG- iVm § 62 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und sinngemäß auch die Verletzung des § 103 SGG.

Sie macht insoweit geltend, daß die Vernehmung des Zeugen G. … H. erforderlich gewesen wäre. Soweit das LSG die Angaben der Klägerin als zweckgerichtet angesehen habe, habe es gleichzeitig den Ehemann und den Zeugen H. als unglaubwürdig dargestellt. Dies habe es nicht ohne Vernehmung der Zeugen tun dürfen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland- Pfalz vom 30. Oktober 1989 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10. April 1989 zurückzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 1989 zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung begründet. Die von dem LSG festgestellten Tatsachen reichen zu einer abschließenden Entscheidung über den Anspruch auf Rente wegen EU nicht aus.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist die Klägerin seit Juni 1986 erwerbsunfähig. Sie hat auch die Wartezeit von 60 Monaten Versicherungszeit (§ 1247 Abs 3 Buchst a RVO) zurückgelegt.

Die vom LSG getroffene Feststellung, daß die Klägerin vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausgeübt hat, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden. Nach § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO ist vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung belegt sind (Satz 1). Bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate werden ua Ausfallzeiten nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 4 RVO nicht mitgezählt (Satz 2 Nr 2 – Aufschubzeiten –). Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin zuletzt 1975 versicherungspflichtig beschäftigt. Für die Zeit danach sind die Voraussetzungen des § 1259 Abs 1 Nr 1 bzw 3 RVO bis Juli 1977 erfüllt, denn die Klägerin war bis August 1977 arbeitsunfähig krank bzw arbeitslos und bezog Alg. Die folgende Zeit von August 1977 bis Mai 1986 kann nach den Feststellungen des LSG Aufschubzeit nur sein, wenn sie eine Ausfallzeit iS von § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO gewesen ist, dh die Klägerin weiterhin arbeitslos und bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet war und – da sie keine Leistungen iS der Nr 3 Buchst a bis d bezogen hat – eine dieser Leistungen wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen eines Einkommens oder wegen der Berücksichtigung von Vermögen nicht gewährt worden ist.

Das LSG ist dabei zu Recht davon ausgegangen, daß auch für die Zeit nach Einstellung des Alg der Tatbestand des § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO nur erfüllt ist, wenn nicht nur weiterhin Arbeitslosigkeit bestanden hat, sondern auch eine Meldung beim Arbeitsamt als arbeitsuchend vorlag. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies bereits entschieden und gefordert, daß der Versicherte sich auch nach Leistungseinstellung durch das Arbeitsamt weiterhin regelmäßig bei einem Arbeitsamt melden muß, wenn das Tatbestandsmerkmal der Meldung bei einem Arbeitsamt erfüllt sein soll (BSGE 32, 279 = SozR Nr 35 zu § 1259 RVO). Es hat in dieser Entscheidung lediglich offengelassen, wie häufig eine solche Meldung nach Einstellung der Leistung noch erfolgen muß und jedenfalls eine Meldung im Abstand von etwa drei bis vier Wochen für ausreichend erachtet. Die Rechtsprechung hatte eine Entsprechung in den von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Richtlinien für die Arbeitsvermittlung (Beilage zu Heft 10/1962 der Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -ANBA-). In Nr 36 dieser Richtlinien ist für die Bestandsprüfung der Vermittlungskartei festgehalten, daß mit Arbeitsuchenden, die nicht Leistungsempfänger sind, in etwa monatlichem Abstand eine Frist zu vereinbaren ist, zu der sie persönlich, fernmündlich oder schriftlich erklären müssen, daß sie ihr Arbeitsgesuch aufrechterhalten.

Diese genannte Entscheidung des BSG ist allerdings noch ergangen für die Zeit einer Arbeitslosigkeit unter Geltung der Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (idF der Bekanntmachung vom 3. April 1957 – BGBl I S 323, 706). An dieser Rechtsprechung ist auch festzuhalten, soweit es um die Anerkennung einer Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit seit Inkrafttreten des AFG am 1. Juli 1969 geht. Mit dem AFG sind keine Änderungen eingetreten, soweit es die Meldung von Nichtleistungsbeziehern beim Arbeitsamt als arbeitsuchend betrifft, denn weder enthielt das AVAVG noch enthält das AFG besondere Vorschriften über eine Meldepflicht von Nichtleistungsbeziehern. Nach § 179 AVAVG bestand eine Meldepflicht des Alg-Beziehers. Einer besonderen Aufforderung durch das Arbeitsamt zur Meldung bedurfte es nicht. Diese Meldepflicht entfiel zunächst mit Inkrafttreten des AFG, denn nach § 132 AFG bestand generell eine Meldepflicht zunächst nur auf Aufforderung durch das Arbeitsamt. Auch diese Meldepflicht bezog und bezieht sich aber nur auf die Empfänger von Leistungen nach dem AFG. Das besondere Tatbestandsmerkmal der Meldung bei einem Arbeitsamt als arbeitsuchend in § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO kann seit Geltung des AFG, konnte aber auch schon während der Geltung des AVAVG danach praktisch bedeutsam nur bei Nichtleistungsbeziehern werden. Leistungsbezieher mußten sich nach § 179 AVAVG ohnehin als arbeitsuchend melden, dh diejenigen, die Alg bezogen, waren während des Bezuges immer gemeldet. Wenn sie nicht mehr gemeldet waren, so entfiel auch der Leistungsanspruch, und zwar aus anderen als in den in § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO letzter Halbsatz genannten Gründen. Seit Inkrafttreten des AFG besteht mit dem Wegfall der allgemeinen Meldepflicht, soweit es um die Frage geht, ob eine Ausfallzeit iS von § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO vorliegt, für die Zeit des Bezuges von Alg keine besondere fortlaufende Meldepflicht, da Alg nur bezogen werden kann, wenn der Versicherte arbeitslos ist (§ 100 Abs 1 AFG) und für die Dauer des Bezugs von Leistungen das Arbeitsamt diese Voraussetzung zu überprüfen hat. Eine Meldung über den jeweils nach § 132 AFG geforderten Umfang hinaus ist nicht notwendig. Für die Zeit nach Einstellung des Alg setzt aber § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO, gerade weil sich durch die Vorschriften des AFG nichts geändert hat, weiterhin wie schon während der Geltung des AVAVG eine besondere Meldung beim Arbeitsamt als arbeitsuchend voraus. Diese Meldung mußte auch und muß aufrechterhalten, dh regelmäßig wiederholt werden. Dies gilt auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1988. Zwar ist seit 1. Januar 1988 in § 15 Abs 2 AFG (idF durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes vom 14. Dezember 1987 – BGBl I S 2602) ausdrücklich geregelt, daß das Vermittlungsgesuch eines Arbeitsuchenden, der weder Alg noch Alhi bezieht, drei Monate bearbeitet wird und der Arbeitsuchende dieses Vermittlungsgesuch erneuern kann. Damit ist aber für die Zeit vorher nicht etwa anzunehmen, daß der Alg-Bezieher nach Einstellung des Alg wegen Erschöpfung des Anspruchs weiterhin ohne weiteres als arbeitslos und arbeitsuchend gemeldet zu gelten hatte und die Meldung zeitlich unbegrenzt als aufrechterhalten galt. In § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO war mit der Meldung schon immer ein eigenes Tätigwerden des Arbeitslosen gefordert, das über die Meldepflichten nach dem AVAVG bzw AFG hinausging. Die Regelung in § 15 Abs 2 AFG hat Bedeutung, soweit die Frage erheblich ist, wie häufig die Meldung des Nichtleistungsbeziehers bei dem Arbeitsamt erfolgen muß. Wenn der Versicherte bei dem Arbeitsamt als arbeitsuchend geführt wird und sein Vermittlungsgesuch durch die notwendige Meldung aufrechterhält, so ist dies in aller Regel ausreichend, damit auch das Tatbestandsmerkmal der Meldung iS von § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO erfüllt ist. Ob deshalb schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1988 die im Abstand von drei Monaten wiederholte Meldung notwendig und ausreichend war, kann im vorliegenden Fall aber offenbleiben.

Die Klägerin hat eine regelmäßige telefonische Meldung etwa alle drei bis vier Wochen beim Arbeitsamt als arbeitsuchend tatsächlich behauptet. Die behauptete nur telefonische Meldung würde dabei ausreichen. Die vom LSG getroffene Feststellung, diese Meldungen seien nicht nachgewiesen, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das LSG für seine Überzeugungsbildung die Aussage des Ehemannes der Klägerin vor dem SG berücksichtigt hat, und die sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Angaben der Klägerin, soweit diese im Rahmen von Gutachten oder aber bei Antragstellung wiedergegeben sind. Dadurch ist der Klägerin das rechtliche Gehör nicht verwehrt worden. Sie hatte Gelegenheit zu ihren Äußerungen, soweit sie in Gutachten wiedergegeben worden waren und in den Anträgen gemacht worden waren, Stellung zu nehmen. Ihr war bekannt, daß die Akten beigezogen waren. Sie mußte auch damit rechnen, daß diese Äußerungen verwertet werden, zumal, da die Beklagte mit der Berufungsbegründung auf die ihrer Ansicht nach gegen eine Arbeitslosigkeit bzw Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt sprechenden Äußerungen der Klägerin hingewiesen hatte, soweit sie in bestimmten Gutachten wiedergegeben worden waren. Zu Unrecht ist allerdings das LSG davon ausgegangen, es brauche den als Zeugen benannten G. … H. nicht zu vernehmen. Die Klägerin hatte vor dem SG eine Erklärung dieses Zeugen vorgelegt, worin dieser angibt, er wisse, daß die Klägerin sich regelmäßig beim Arbeitsamt telefonisch gemeldet habe. Das LSG ist davon ausgegangen, diesen Zeugen brauche es nicht zu vernehmen, da aufgrund der übrigen Umstände feststehe, daß die Klägerin sich nicht regelmäßig beim Arbeitsamt gemeldet habe. Damit hat das LSG die Beweiswürdigung dieser Aussage vorweggenommen. Dies ist nur dann zulässig, wenn der Zeuge mit Sicherheit absolut nutzlos ist, dh wenn nach Lage der Sache ausgeschlossen ist, daß die Beweisaufnahme sachdienlich sein kann (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG § 128 Anm 15). Derartige Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Das LSG wird bei seiner neuen Entscheidung auch zu berücksichtigen haben, daß die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des Arbeitsamtes über die Zeit ihrer Meldung beim Arbeitsamt eine öffentliche Urkunde (§ 418 der Zivilprozeßordnung -ZPO-) ist und deshalb einen besonderen Beweiswert hat, der allerdings auch widerlegt werden kann (§ 418 Abs 2 ZPO). Das LSG wird weiter zu prüfen haben, ob die Klägerin in der Zeit zwischen August 1977 und Mai 1986 auch arbeitslos war. Dazu hat es von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen getroffen.

Falls es die regelmäßige Meldung bei dem Arbeitsamt als nachgewiesen ansieht, wird es dabei auch davon ausgehen dürfen, daß Arbeitslosigkeit vorgelegen hat. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 26. Juli 1976 (5 RKn 34/76, SozR 2600 § 57 Nr 1) an den Nachweis der subjektiven und objektiven Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit besondere Anforderungen gestellt hat, betraf dies einen Fall, in welchem die Meldung bei dem Arbeitsamt gerade nicht erfolgt war. Es wäre aber widersprüchlich, wenn einerseits die regelmäßige Meldung als arbeitsuchend bei dem Arbeitsamt zwingend gefordert wird und andererseits darüber hinaus noch der Nachweis zusätzlicher eigener Bemühungen um eine Arbeitsaufnahme, um die Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. Dies muß jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in denen über den Leistungsbezug von Alg hinaus eine ununterbrochene Meldung bei dem Arbeitsamt und damit eine ununterbrochene Arbeitslosigkeit behauptet wird. Die Zweifel, die an der Arbeitsbereitschaft deshalb entstehen könnten, weil die Klägerin während dieser Zeit Rentenanträge gestellt hat, können nicht zu ihrem Nachteil gereichen. Solange über diese Anträge nicht positiv entschieden war, hätte die Klägerin selbst für einen möglichen Leistungsbezug als der Vermittlung zur Verfügung stehend gegolten (vgl § 103 Abs 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung bzw nunmehr § 105a AFG).

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 163

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