Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 05.12.1991; Aktenzeichen L 10 An 56/91)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Beginn eines Altersruhegeldes (ARG).

Die im August 1925 in Litauen geborene, seit 1959 in Israel lebende Klägerin, eine israelische Staatsbürgerin, war dort zwischen April 1961 und Ende 1987 für insgesamt 286 Monate versicherungspflichtig beschäftigt. Am 30. Dezember 1986 beantragte sie durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Gewährung eines ARG nach § 25 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Mit Ablauf des 31. Dezember 1987 gab sie ihre Beschäftigung in Israel auf. Im Dezember 1988 reichte sie bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung (vom 3. November 1988) ein. Im Dezember 1989 zahlte sie freiwillige (Nachentrichtungs-)Beiträge für den Zeitraum von Januar 1956 bis Juni 1980 bei der BfA ein. Diese gewährte ihr mit dem streitigen Bescheid vom 26. Juni 1990, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1990, (vorgezogenes) ARG ab 1. Januar 1989.

Diesem Rentenverfahren war ein Verwaltungsverfahren über die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art 12 der Durchführungsvereinbarung (DV) zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) iVm Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vorausgegangen, das sich wie folgt entwickelt hatte:

Im Juni 1983 beantragte die Klägerin durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen und die Anerkennung von Ausfallzeiten. In dem Antrag führte die Klägerin aus, sie gebe eine Bereiterklärung für die Nachentrichtung ab; eine Konkretisierung sei erst möglich, wenn der Umfang der Ausbildungszeiten feststehe; hilfsweise sollten sämtliche belegungsfähigen Zeiträume mit Mindestbeiträgen belegt werden. Daraufhin übersandte die Beklagte der Klägerin im Februar 1984 einen Antragsvordruck; zugleich setzte sie eine Frist von sechs Monaten zur Rücksendung des ausgefüllten Vordrucks sowie zum Nachweis der israelischen Staatsangehörigkeit; ferner wies sie darauf hin, daß der Antrag bei Nichteinhaltung der Frist abgelehnt werde; er könne nicht wiederholt werden. Die Klägerin sandte den nicht vollständig ausgefüllten Vordruck im Januar 1985 zurück und legte keine Bescheinigung über die israelische Staatsangehörigkeit vor. Daraufhin lehnte die Beklagte den Nachentrichtungsantrag ab (Bescheid vom 12. September 1985). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie nicht begründete. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 22. Oktober 1987 (BSGE 62, 214 = SozR 1300 § 21 Nr 3) in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden hatte, daß die Beklagte nicht ermächtigt sei, für den Nachweis der Zugangsvoraussetzungen iS von Art 12 DV/DISVA eine Ausschlußfrist zu setzen, forderte die Beklagte die Klägerin im November 1988 erneut auf, die geltend gemachten Ausfallzeiten und die israelische Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Bei Vorlage der Staatsangehörigkeitsbescheinigung im Dezember 1988 verzichtete die Klägerin auf die Anrechnung von Ausfallzeiten. Mit Bescheid vom 14. Dezember 1988 hob die BfA den Bescheid vom 12. September 1985 auf und stellte die Berechtigung der Klägerin zu Nachentrichtung freiwilliger Beiträge fest. Nachdem die Klägerin aufgrund einer Konkretisierungsaufforderung vom Januar 1989 ihr Nachentrichtungsbegehren im Mai 1989 präzisiert hatte, ließ die BfA die Nachentrichtung im beantragten Umfang zu (Bescheid vom 20. Juni 1989).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat der auf einen Rentenbeginn schon ab 1. Januar 1988 gerichteten Klage unter Zulassung der Berufung stattgegeben (Urteil vom 19. Juli 1991). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Dezember 1991). Das Berufungsgericht ist folgender Auffassung: Gemäß § 67 Abs 1 AVG beginne die Rente mit Ablauf des Monats Dezember 1989, in dem durch Entrichtung (= Zahlung) der Beiträge erstmals die Voraussetzungen der Wartezeit iS von § 25 Abs 7 Satz 2 (= Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten) erfüllt worden sei. Die Klägerin könne nicht so gestellt werden, als hätte sie die Beiträge zu einem früheren Zeitpunkt entrichtet. Sogar dann, wenn man mit der BfA schon den Nachentrichtungsantrag als ausreichende „Bereiterklärung” iS von oder entsprechend § 142 Abs 1 Nr 2 AVG ansehe, fehle es an der erforderlichen ununterbrochenen Mitwirkung der Klägerin. Die von ihr behauptete, angeblich 1984 oder 1985 im Blick auf das og Verfahren vor dem BSG getroffene Ruhensvereinbarung mit der Beklagten sei nicht feststellbar. Es habe der Klägerin oblegen, die auch nach ihrer Rechtsauffassung notwendigen Unterlagen alsbald vorzulegen. Die Beklagte habe die Klägerin nicht davon abgehalten und sei nach dem og Urteil des BSG auch nicht verpflichtet gewesen, sie erneut aufzufordern, die erforderlichen Unterlagen beizubringen. Auch habe sich die BfA nicht treuwidrig verhalten.

Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 142 Abs 1 Nr 2 AVG, 2 Abs 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I), 20 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) sowie des Art 12 DV/DISVA iVm Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG. Sie habe zwar das Verwaltungsverfahren nicht ununterbrochen betrieben, weil sie nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist die Antragsvordrucke und die Staatsangehörigkeitsbescheinigung überreicht habe. Ab dem Erlaß des „Ausschlußbescheides” (vom 12. September 1985) sei es aber allein die Beklagte gewesen, die sie treuwidrig von einer früheren Nachentrichtung abgehalten habe. Sie habe durch die Einlegung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 12. September 1985 ihre unterbrochene Mitwirkung wieder aufgenommen. Eine weitere Mitwirkungspflicht habe für sie danach aufgrund der Ruhensvereinbarung nicht mehr bestanden; denn die Beklagte habe jede Bearbeitung der Nachentrichtungsverfahren nach den abgelehnten Anträgen eingestellt. Es sei allein das Risiko der Beklagten gewesen, entgegen ihrer Pflicht zur Amtsermittlung und Verfahrensförderung den völligen Stillstand in der Bearbeitung eintreten zu lassen mit der Aussicht, den Rechtsstreit verlieren zu können und dann Rentennachzahlungen leisten zu müssen. Ihr hätte es oblegen, den ablehnenden Bescheid aufzuheben bzw darauf hinzuweisen, daß ein Recht zur Nachentrichtung erst dann wieder bestehen könne, wenn die Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorliege, wie dies verspätet im November 1988 geschehen sei. Danach habe sie, die Klägerin, das Verfahren zügig betrieben. Wegen des weiteren Vorbringens der Revision wird auf den Schriftsatz vom 30. April 1992 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 5. Dezember 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 19. Juli 1991 zurückzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. ARG steht ihr für Zeiten vor dem 1. Januar 1989 nicht zu.

Gemäß § 67 Abs 1 Satz 2 AVG, der in seiner mit dem 1. Januar 1992 außer Kraft getretenen Fassung (Art 83 Nr 1 des Rentenreformgesetzes 1992 – RRG 1992) nach § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch anzuwenden ist, wird ARG iS von § 25 Abs 3 AVG vom Ablauf des Monats an gewährt, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch vom Beginn des Antragsmonats an, wenn der Antrag später als drei Monate nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellt wird. § 67 Abs 1 Satz 2 AVG wird durch Bestimmungen des deutsch-israelischen Abkommensrechts nicht verdrängt (BSGE 63, 195, 198 ff = SozR 200 § 1290 Nr 22; Urteile des Senats vom 1. September 1988 – 4/11a RA 32/87 und 4/11a RA 46/87).

Nach § 25 Abs 3 AVG erhält auf Antrag auch die Versicherte ARG, die das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit nach Abs 7 Satz 2 aaO (= Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten) erfüllt und in den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn sie keine die sog Hinzuverdienstgrenzen iS von Abs 4 aaO überschreitende Erwerbstätigkeit (vor Vollendung des 65. Lebensjahres) ausübt.

Diese Vorschrift greift gemäß Art 3 Abs 1 Buchst a DISVA zugunsten der Klägerin ein, weil sie israelische Staatsangehörige (vgl Art 1 Nr 2 DISVA) ist und sich im Gebiet (vgl Art 1 Nr 1 DISVA) Israels gewöhnlich aufhält. Die Voraussetzungen von § 25 Abs 3 AVG hat sie jedoch frühestens im Dezember 1989 erfüllt: Zwar hat sie bereits im August 1985 das 60. Lebensjahr vollendet und mit Ablauf des Jahres 1987, also erst ein Jahr nach Rentenantragstellung, ihre Beschäftigung in Israel aufgegeben. Jedoch hat sie den Eintritt der weiteren Voraussetzungen von Abs 3 aaO nicht vor der Entrichtung der freiwilligen Beiträge im Dezember 1989 bewirkt: Bis zu diesem Zeitpunkt war sie weder in der deutschen Rentenversicherung „versichert” noch hatte sie die Wartezeit, nämlich eine Versicherungszeit von 180 Monaten noch die weitere Voraussetzung erfüllt, in den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt zu haben:

Da Art 3 Abs 1 DISVA lediglich ua die Staatsbürger Israels bei Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften den deutschen Staatsangehörigen, nicht aber schlechthin israelische Pflichtbeitragszeiten deutschen Versicherungszeiten gleichstellt, konnte die Klägerin die Versicherteneigenschaft nach deutschem Recht nur durch Entrichtung von Beiträgen (oder – was hier nicht in Betracht kommt – durch Kindererziehungszeiten) erwerben, wobei „Entrichtung” die tatsächliche Zahlung von Geldbeträgen bedeutet (BSGE 10, 139, 146; BSG SozR 2200 § 1290 Nr 13; BSGE 63, 195, 200 = SozR 2200 § 1290 Nr 22; og Urteile des Senats vom 1. September 1988). Auch die Wartezeit ist erst durch die (Nach-)Entrichtung von Beiträgen im Dezember 1989 erfüllt worden. Solange nämlich keine deutschen Versicherungszeiten (vgl Art 1 Nr 10 DISVA) vorhanden waren, kam Art 20 Abs 1 DISVA nicht zur Anwendung, nach dem für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den von einem Vertragsstaat anzuwendenden Rechtsvorschriften auch die Versicherungszeiten berücksichtigt werden, die nach den Vorschriften des anderen Vertragsstaates anrechnungsfähig sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen; dies gilt nämlich nur dann, wenn nach den Rechtsvorschriften „beider” Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden sind. Keiner Darlegung bedarf, daß die Klägerin, die niemals in Deutschland beschäftigt oder tätig war, die weitere Voraussetzung (überwiegende Ausübung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in den letzten 20 Jahren) allein aufgrund der in Israel zurückgelegten Beschäftigungszeiten und damit allenfalls gemäß Art 20 Abs 1 DISVA frühestens beim Erwerb einer nach deutschem Recht anrechnungsfähigen Versicherungszeit im Dezember 1989 erfüllt haben könnte. Demnach liegt auf der Hand, daß es für den Anspruch und dessen Beginn entscheidend darauf ankam, daß die Klägerin in Israel wohnende israelische Staatsbürgerin war und möglichst zeitnah vor dem gewünschten Beginn des Frauen-ARG (nach Vollendung des 60. Lebensjahres und Aufgabe einer iS von § 25 Abs 4 AVG rentenschädlichen Beschäftigung) eine nach deutschem Recht anrechnungsfähige Versicherungszeit (von im Blick auf Art 20 Abs 2 DISVA wenigstens zwölf Monaten) erwarb. Die Klägerin hat jedoch diese Voraussetzung tatsächlich erst durch die Beitragszahlung im Dezember 1989 herbeigeführt. Die von der Beklagten im Februar 1984 angeforderte israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung hat sie nur ein Jahr früher, im Dezember 1988, eingereicht.

ARG ab Januar 1988 müßte die Beklagte daher nur gewähren, wenn eine der Ausnahmen vorläge, in denen eine „Rückwirkung” der Beitragsleistung rechtlich vorgesehen ist. Das ist jedoch nicht der Fall:

Gemäß § 142 Abs 1 Nr 2 AVG steht der Entrichtung ua freiwilliger Beiträge iS von § 140 AVG ua die „Bereiterklärung” des Versicherten zur Nachentrichtung gegenüber einer zuständigen Stelle gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese – in direkter Anwendung – Beitragsnachentrichtungen aufgrund von Übergangsrecht (hier: Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG) nicht erfassende Bestimmung gesetzes- oder rechtsanalog oder aus Billigkeitsgründen überhaupt angewendet werden kann (offengelassen ua in: BSGE 56, 28, 31 = SozR 2200 § 1290 Nr 18; BSGE 63, 195, 202 ff = SozR 2200 § 1290 Nr 22). Denn es fehlt bereits für die Zeit vor Januar 1988 an einer hinreichend konkretisierten „Bereiterklärung”.

Der 12. Senat des BSG (Urteil vom 6. Mai 1992 – 12 RK 28/91, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat bereits erklärt, daß die für eine Bereiterklärung hinreichende Konkretisierung des Nachentrichtungsantrags (nach zu belegenden Monaten und der Höhe der Beiträge) nicht vorliegt, wenn zwar dem Wortlaut nach eine Bereiterklärung abgegeben, eine Konkretisierung aber ausdrücklich erst dann als möglich bezeichnet wird, wenn der Umfang der Ausbildungszeiten feststehe; werde außerdem hilfsweise erklärt, daß sämtliche belegungsfähigen Zeiträume mit Mindestbeiträgen belegt werden sollten, ergebe sich nichts anderes, weil die Bedingung für das Wirksamwerden dieser „Hilfskonkretisierung”, daß nämlich der Umfang der Ausbildungszeiten feststeht und dann eine mögliche anderweitige Konkretisierung nicht vorgenommen wird, noch nicht eingetreten sei. Dem schließt sich der Senat an, weil bis zur Ausübung des Konkretisierungsvorbehalts noch offen ist, in welchem Umfang von dem Nachentrichtungsrecht Gebrauch gemacht werden und ob die „Hilfskonkretisierung” überhaupt zum Tragen kommen soll. So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat erst im Dezember 1988 auf Anerkennung von Ausfallzeiten verzichtet und die vorbehaltene anderweitige Konkretisierung erst im Mai 1989 vorgenommen.

Soweit der 12. Senat (Urteil vom 25. August 1982 – 12 RK 49/80) erwogen hat, unter bestimmten Voraussetzungen schon vor der Konkretisierung eine Bereiterklärung anzunehmen, kann offenbleiben, ob dem jedenfalls im Blick auf das Rentenverfahren und den Rentenbeginn zu folgen wäre. Denn mit dem 12. Senat (bekräftigt im Urteil vom 6. Mai 1992 – 12 RK 28/91, zur Veröffentlichung vorgesehen) ist dafür wenigstens zu verlangen, daß der Antragsteller von Anfang an sorgfältig und fristgerecht in dem Umfang an der Fortführung des Nachentrichtungsverfahrens mitgewirkt hat, wie ihn der Versicherungsträger in angemessener Weise dazu aufgefordert hat. Die rechtskundig vertretene Klägerin hat aber entgegen der ihr schon im Februar 1984 von der Beklagten unter Setzung einer – insoweit zulässigen (§§ 9, 26 SGB X) – angemessenen Verfahrensfrist von sechs Monaten erteilte Aufforderung unbeachtet gelassen, ua die israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorzulegen; keiner Darlegung bedarf insoweit, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bekannt war und wegen des ausdrücklichen Hinweises der Beklagten auch bekannt sein mußte, daß eine der Klägerin günstige Sachentscheidung über den Nachentrichtungsantrag (wie auch über den späteren Rentenantrag) frühestens hätte ergehen dürfen, wenn sie diese Bescheinigung vorlegte. Daß die hierüber hinausgehende Verwaltungsübung der Beklagten, Beitragsnachentrichtungen als zu dem Zeitpunkt erfolgt zu behandeln, in dem der Nachentrichtungsantrag gestellt worden ist, falls eine ununterbrochene Mitwirkung im Nachentrichtungsverfahren erfolgt ist, dem Gesetz nicht entspricht und keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen vermag, hat das BSG in ständiger Rechtsprechung (zuletzt SozR 2200 § 1290 Nr 21 mwN) betont. Deswegen bedarf keiner Darlegung, daß, wie die Klägerin zT selbst einräumt, keine „ununterbrochene” Mitwirkung am Verwaltungsverfahren, die nicht in der Einlegung eines – nicht einmal begründeten – Rechtsbehelfs (Widerspruchs) bestehen kann, vorliegt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin führt auch § 142 Abs 2 AVG nicht zu einer „Rückwirkung” der im Dezember 1989 gezahlten Beiträge. Nach dieser Vorschrift werden die Nachentrichtungsfristen des § 140 AVG um die Zeiten einer schwebenden Beitragsstreitigkeit oder eines schwebenden Rentenverfahrens verlängert. Es kann offenbleiben, ob (wogegen erhebliche Bedenken bestehen) diese Vorschrift überhaupt auf Beitragsnachentrichtungen gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG – entsprechend – anzuwenden ist. Die Rechtsfolge der Norm verlängert nämlich nur die Frist, in der Beiträge wirksam entrichtet werden können, bestimmt jedoch nichts über eine Rückwirkung im Blick auf den Rentenbeginn. Schon deswegen ist nicht näher darauf einzugehen, daß eine Verlängerung von Nachentrichtungsfristen nicht in Betracht kommt, wenn – wie hier bis Juni 1989 – keine Einzahlungsfrist gilt.

Der vorliegende Rechtsstreit entspricht keiner der Fallgruppen, in denen das BSG (zuletzt BSGE 63, 195, 201 f mwN; og Urteile des Senats vom 1. September 1988) die Möglichkeit einer „Rückwirkung” der Beitragszahlung aus besonderen, eine Ausnahme rechtfertigenden Umständen erwogen hat. Voraussetzung hierfür ist, daß den Versicherten kein oder kein erhebliches Verschulden an der späten Entrichtung trifft oder daß der Versicherungsträger das Nachentrichtungsrecht zu Unrecht bestritten und den Versicherten so von einer früheren Einzahlung abgehalten hat. Beides liegt nicht vor:

Die Beklagte hat die Klägerin im Rentenverfahren nicht daran gehindert, mit dem Rentenantrag und bis Dezember 1987 eine israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorzulegen; dasselbe gilt für die Befugnis der Klägerin, unter Vorlage der Staatsangehörigkeitsbescheinigung jedenfalls Nachentrichtungsbeiträge im Mindestumfang (vgl die „Hilfskonkretisierung” vom Juni 1983) zu zahlen. Schließlich hätte sie bis zum Inkrafttreten des Änderungsabkommens zum DISVA (vom 7. Januar 1986 – BGBl II Nr 28 vom 3. September 1986 S 863; Zustimmungsgesetz hierzu BGBl aaO S 862) am 1. Januar 1987 (Bekanntmachung vom 1. Dezember 1986 – BGBl II Nr 38 S 1099) die Voraussetzungen von § 25 Abs 3 AVG und damit den gewünschten früheren Rentenbeginn sogar ohne Nachentrichtung durch freiwillige Beitragszahlungen (im Umfang von wenigstens zwölf Monaten) herbeiführen können (Art 3 Abs 1 DISVA; ab Januar 1987 durch Nr 2 Buchst c des Schlußprotokolls ≪SP≫ zum DISVA eingeengt; dazu Denkschrift der Bundesregierung zum Änderungsabkommen, BT-Drucks 10/5526 vom 21. Mai 1986, zu Art 4 des Änderungsabkommens).

In jedem Fall war – wie der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ua aufgrund des Hinweises der Beklagten vom Februar 1984 gegenwärtig haben mußte – die Vorlage einer israelischen Staatsangehörigkeitsbescheinigung für einen der Klägerin günstigen Ausgang des Rentenverfahrens unumgänglich. Ebenso durfte die Beklagte das behauptete Nachentrichtungsrecht frühestens anerkennen, wenn die israelische Staatsangehörigkeit der Klägerin feststand. Es war allein Obliegenheit der Klägerin, die Staatsangehörigkeitsbescheinigung alsbald einzureichen (§§ 60 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Regelung 2, 65 Abs 1 SGB I, § 21 Abs 2 Satz 1 SGB X). Diese allein in ihrem Interesse liegende Mitwirkungshandlung war ihr möglich und zumutbar, wie sich auch daraus ergibt, daß sie – nach ihrem Vortrag: „unaufgefordert” – die Bescheinigung im Dezember 1988 eingereicht hat.

Da die BfA die Klägerin im Rentenverfahren nicht gehindert hat, die Voraussetzungen für einen Rentenbeginn schon am 1. Januar 1987 zu schaffen, kann dahingestellt bleiben, ob das Verhalten der Beklagten im Nachentrichtungsverfahren überhaupt im Rechtssinne ursächlich für die Beitragszahlung erst im Dezember 1989 geworden sein kann.

Vor diesem Hintergrund ist weder den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen der Klägerin etwas dafür zu entnehmen, sie könne aufgrund von unverschuldeten, ihrer Beeinflussung entzogenen Umstände verhindert gewesen sein, die Voraussetzungen für den begehrten Rentenbeginn zum 1. Januar 1988 rechtzeitig zu schaffen. Deswegen ist dem LSG darin beizupflichten, daß – ungeachtet des sonstigen Verhaltens der Beteiligten im Nachentrichtungsverfahren – es weder zum Ausgleich eines durch die Beklagte verursachten sozialversicherungsrechtlichen Nachteils noch aus Treu und Glauben noch aus Billigkeit geboten ist, die im Dezember 1989 erfolgte Beitragszahlung rechtlich so zu behandeln, als wäre sie bereits im Dezember 1987 vorgenommen worden.

Nach alledem war die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173802

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