Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Regelaltersrente - Knappschaftsruhegeldbezieher - Bestandsrentner - Rentenhöhe - verspätete Antragstellung - Hinweispflicht - Verletzung - Rentenversicherungsträger - geeigneter Fall - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kann wegen der seit dem 1.1.1992 bestehenden Rechtslage für den Bezieher einer vorzeitigen Altersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente zu einer Rentenerhöhung führen, so ist dieser nach § 115 Abs 6 SGB 6 auf diese Möglichkeit hinzuweisen (teilweise Aufgabe von BSG vom 9.12.1997 - 8 RKn 1/97 = BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2).

2. Zur Frage der Antragsabhängigkeit des Beginns der Regelaltersrente.

 

Normenkette

RKG § 48 Abs. 2; RVO § 1248; AVG § 25; SGB VI § 33 Abs. 2 Nr. 4, §§ 35, 88 Abs. 1, § 89 Abs. 1, § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 115 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.04.2001; Aktenzeichen L 2 KN 47/98)

SG Gelsenkirchen (Urteil vom 18.02.1998; Aktenzeichen S 18 KN 32/97)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2001 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18. Februar 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Entscheidungssatz wie folgt gefasst wird:

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1996 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 6. September 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1997 werden geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Bescheid vom 13. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1995 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ab 1. März 1992 Regelaltersrente – an Stelle der bisher gezahlten Altersrente – zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger die Regelaltersrente (RAR) bereits ab März 1992 oder erst ab September 1994 zusteht.

Der am 10. Februar 1927 geborene Kläger hatte ab März 1987 vorgezogenes Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Arbeitslosigkeit bezogen (Bescheide der Beklagten vom 7. Januar und 3. November 1987), das zum 1. Januar 1992 umgewertet und in der Folge jeweils angepasst wurde. Auf seinen Antrag vom 15. September 1994 bewilligte die Beklagte die RAR ab Beginn des Antragsmonats; hierbei ergab sich gegenüber der bisherigen Rente ein um monatlich 199,75 DM höherer Zahlbetrag. Die Zahlung bereits ab dem Folgemonat nach Vollendung des 65. Lebensjahres, dh ab 1. März 1992, lehnte sie jedoch unter Hinweis auf die verspätete Rentenantragstellung ab (Bescheid vom 13. Oktober 1994; Widerspruchsbescheid vom 21. März 1995).

Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte zur Rentenzahlung ab 1. März 1992 (S 18 Kn 50/95, Urteil vom 30. August 1995). Das anschließende Berufungsverfahren (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ – L 18 Kn 71/95 –) endete durch Vergleich (19. März 1996), in dem sich die Beklagte zu einer Überprüfung der angefochtenen Bescheide verpflichtete. Die Überprüfung führte zu einer erneuten Ablehnung eines früheren Zahlbeginns (Bescheid vom 20. Mai 1996; Teilabhilfebescheid vom 6. September 1996; Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 1997).

Auf die erneute Klage hat das SG die Beklagte verurteilt, den Ausgangsbescheid vom 13. Oktober 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1995 zurückzunehmen und dem Kläger – unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide – “das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.03.92 unter Anrechnung des auf Grund des Bescheides vom 07.01.87 gezahlten Altersruhegeldes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren” (Urteil vom 18. Februar 1998). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. April 2001). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Beklagten beruhe auf § 99 Abs 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), wonach es für den Beginn der RAR auf die Antragstellung ankomme. Eine Neufeststellung der Rente nach den Berechnungsvorschriften des SGB VI mit einer neuen Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte nach der Rechtslage, die zur Zeit der Rentenantragstellung vorgelegen hatte, sei – im Anschluss an die in den Urteilen des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 1997 niedergelegte Rechtsauffassung (8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2) – erst nach dem Antrag des Klägers auf die RAR zulässig. Der Kläger könne auch nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als habe er den Rentenantrag früher gestellt. Für die Beklagte habe sich nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein konkreter Anlass zu einer diesbezüglichen Beratung ergeben; bei Umwertung und Anpassung der Rente habe nur eine EDV-gestützte Abarbeitung massenhafter Rentenfälle stattgefunden. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI bestehe ebenfalls nicht. Denn der Fall des Klägers sei unter Beachtung der in der Rechtsprechung des BSG hierzu entwickelten Kriterien kein “geeigneter Fall” iS dieser Vorschrift für einen Hinweis gewesen. Nach diesen Kriterien komme es darauf an, dass der Kläger einer abgrenzbaren Versichertengruppe angehöre, die in der Regel, dh in der überwiegenden Zahl der Fälle, durch den Antrag auf die RAR höhere Leistungen erwarten könne. Von der maßgeblichen Personengruppe der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Arbeitslosigkeit, die nach dem 1. Januar 1992 das 65. Lebensjahr vollendet haben, hätten jedoch – nach Geburtsjahrgang und differenzierend danach, ob Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor dem 55. Lebensjahr bestanden habe oder nicht – lediglich ein Anteil zwischen 9,76 % und 36,70 % mit einer höheren RAR rechnen können. Nicht gefolgt werde der Ansicht des 4. Senats des BSG (Urteile vom 2. August 2000 – B 4 RA 54/99 R – SozR 3-2600 § 99 Nr 5 und B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1), wonach es nur einen einheitlichen Versicherungsfall des Alters gebe und die RAR unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung ab Beginn des Folgemonats nach Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlen sei. Denn diese Rechtsansicht trage der gesetzgeberischen Zielsetzung des SGB VI nicht hinreichend Rechnung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 99, 100, 300 SGB VI. Er stützt sich vorrangig auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteile vom 2. August 2000 – B 4 RA 54/99 R – SozR 3-2600 § 99 Nr 5 und B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1 und Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen), wonach von einem einheitlichen Versicherungsfall des Alters auszugehen sei und der Anspruch auf die RAR bei einem Versicherten mit erfüllter Wartezeit im Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres kraft Gesetzes entstehe – unabhängig von einem (neuerlichen) Rentenantrag. Auf das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und auf die Frage der Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI komme es daher letztlich nicht mehr an. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI neu zu überdenken, denn die danach geforderte Fallgruppenbildung sei in der Praxis kaum durchführbar und stoße deshalb auf Kritik. Es müsse ausreichen, wenn überhaupt eine Gruppe von Berechtigten ermittelt werden könne, die durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene SGB VI, speziell – wie hier beim Kläger – durch die Anwendung des § 70 Abs 3 SGB VI (Neubewertung der Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung), im Falle eines Antrags auf die RAR höhere Leistungen erwarten könnte; auf den prozentualen Anteil der letztlich Begünstigten könne es aus Gründen der Gleichbehandlung nicht ankommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 18. Februar 1998 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und schließt sich insbesondere den Argumenten des LSG an, wonach der Rechtsansicht des 4. Senats des BSG zum einheitlichen Versicherungsfall des Alters nicht gefolgt werden könne. Der Klageanspruch lasse sich auch nicht auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI stützen. Denn es habe sich hier nach den von der Rechtsprechung des BSG, insbesondere des erkennenden Senats, entwickelten Kriterien für die “Geeignetheit” einer Fallgruppe weder im Hinblick auf die Art noch auf die Zahl der Rentenerhöhungen um eine nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit gehandelt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht die erstinstanzliche Entscheidung geändert. Das Urteil des SG ist – unter Neufassung des Urteilsausspruchs – wiederherzustellen. Dem Kläger steht die RAR bereits ab 1. März 1992 zu.

  • Grundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilrücknahme des Rentenbewilligungsbescheides vom 13. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1995 ist § 44 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und insoweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen (auf die der Begünstigte nach der neuen Leistungsbewilligung Anspruch hat) nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (vgl § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X). Ein solcher Fall liegt hier vor.

    • Mit den angefochtenen Bescheiden vom 20. Mai 1996 und vom 6. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1997 hat die Beklagte in Ausführung des vor dem LSG abgeschlossenen Vergleichs vom 19. März 1996 über den Überprüfungsantrag des Klägers entschieden. Maßstab dafür, inwieweit ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass (Bekanntgabe) des Verwaltungsakts. Danach stand dem Kläger bereits ab dem Folgemonat der Vollendung des 65. Lebensjahres, dh ab 1. März 1992, und nicht erst ab 1. September 1994 die RAR zu.
    • Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl § 50 Abs 1 Nr 1 SGB VI) erfüllt haben, also beim Kläger am 10. Februar 1992. Hinsichtlich des Beginns von Renten bestimmt § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI, dass eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI). Letzteres war beim Kläger der Fall, da sein Antrag vom 15. September 1994 datiert. Gleichwohl schließt dies seinen Anspruch auf Zahlung der RAR für die Zeit ab dem Folgemonat der Vollendung des 65. Lebensjahres, dh ab 1. März 1992, nicht aus. Denn in Fällen der vorliegenden Art, dh des Wechsels vom bisher bezogenen Knappschaftsruhegeld (nach § 48 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz ≪RKG≫) bzw der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (vgl § 33 Abs 2 Nr 4, § 38 SGB VI iVm § 300 Abs 4 Satz 2 SGB VI) zur RAR wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift des § 99 Abs 1 SGB VI anwendbar oder nicht anwendbar ist (zu Letzterem im Folgenden unter 2.). Auch bei Anwendbarkeit der Vorschrift ist der Versicherte – wie im Folgenden unter 3. dargestellt wird – auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als hätte er den Rentenantrag bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres gestellt. Beide Lösungsansätze führen hier zu demselben Ergebnis. Der erkennende Senat sieht deshalb keinen Anlass zu einer Anfrage nach § 41 Abs 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim 4. Senat des BSG.
  • Nach dem Lösungsweg des 4. Senats des BSG in seinen Entscheidungen vom 2. August 2000 (B 4 RA 54/99 R – SozR 3-2600 § 99 Nr 5 und B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1) und vom 9. April 2002 (B 4 RA 58/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen) ist § 99 Abs 1 SGB VI bei den Umwandlungsfällen nicht anwendbar.

    • Der 4. Senat führt aus, das SGB VI kenne keine “verschiedenen Arten” von Renten wegen Alters, sondern nur “ein” (Stamm-)Recht auf Altersrente. Das Gesetz begründe zwar wie schon die Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mit verschiedenen Anspruchsschwellen in § 33 Abs 2 SGB VI unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen des Rechts auf Rente wegen Alters; versichertes Risiko sei jedoch einheitlich die Einschränkung der gesundheitlichen Fähigkeit zum Erwerb. Die Anspruchsschwelle der Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit im Versicherungsfall des Alters sei nach altem wie nach neuem Recht “kraft Gesetzes” jedenfalls mit Vollendung des 65. Lebensjahres überschritten (gesetzlicher Regelfall). In den darüber hinaus in § 33 Abs 2 Nr 2 bis 6 SGB VI genannten Fällen werde den Versicherten das Gestaltungsrecht eingeräumt, selbst zu entscheiden, in welchem Alter ihnen eine weitere Erwerbstätigkeit unzumutbar geworden, damit die Anspruchsschwelle überschritten und deshalb der Versicherungsfall des Alters eingetreten sei. Versicherungsgegenstand, Sicherungsziel und Zweck der Versicherungsleistung sei bei allen in § 33 Abs 2 SGB VI genannten Renten wegen Alters gleich. Demzufolge könne der Einwand des verspäteten Antrags aus § 99 Abs 1 SGB VI dem Versicherten bei Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr entgegengehalten werden, wenn er zuvor bereits eine Altersvollrente bezogen habe. Beim Wechsel von einer vorgezogenen Altersvollrente zur RAR handele es sich vielmehr um eine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen über die Bewilligung von Rente wegen Alters, derzufolge der bisherige Bescheid über die Bewilligung von (vorgezogener) Altersrente rückwirkend nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ab dem Zeitpunkt des Eintritts des Neubewertungsfalles iS von § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI zu ändern sei, dh ab dem Beginn des auf die Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Kalendermonats. Wie der 4. Senat speziell in der Entscheidung vom 9. April 2002 (B 4 RA 58/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen) weiter dargelegt hat, komme der Regelung des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI aus seiner Sicht für das Verständnis des Systems von mehreren Rechtsgrundlagen für das “eine” (Stamm-)Recht zentrale Bedeutung zu. Denn diese Vorschrift, wonach dann, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht, nur “die höchste Rente” geleistet wird, stelle zunächst klar, dass aus eigener Versicherung stets nur eine Rente beansprucht werden könne und andererseits der Rentenversicherungsträger “die höchste Rente” leisten müsse, also zuvor vergleichen müsse, welcher Geldwert höher sei. Die allgemeine Regelung für materiell-rechtliche Rentenerhöhungen in § 100 Abs 1 SGB VI, die zu demselben Ergebnis führen würde, werde kraft Spezialität des § 89 Abs 1 SGB VI insoweit verdrängt (so ausdrücklich Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R, Urteilsumdruck S 10 – zur Veröffentlichung vorgesehen – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die frühere Entscheidung vom 2. August 2000 – B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1 S 13, in der auf die Regelung des § 100 Abs 1 SGB VI abgestellt worden war).
    • Folgt man im vorliegenden Fall der Auffassung des 4. Senats, ist der Klageanspruch begründet. Der Anspruch auf RAR wäre mit Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 1992 von Gesetzes wegen entstanden und zu dem bisher festgestellten Anspruch auf Knappschaftsruhegeld bzw Altersrente wegen Arbeitslosigkeit hinzugetreten, unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung. Der Antrag der Klägers hätte nur verfahrensrechtliche Bedeutung. In einem zweiten Schritt müsste dann der Träger eine Vergleichsberechnung durchführen. Ergibt diese, dass der Zahlungsanspruch auf Grund der RAR höher ist als der nach der bisher gezahlten Rente, tritt jener entsprechend der “Höchstwertgarantie” des § 89 Abs 1 SGB VI an dessen Stelle und die frühere Rentenbewilligung für die Bezugszeit ab 1. März 1992 ist rückwirkend nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X (hier: iVm § 44 Abs 1 SGB X) insoweit aufzuheben (vgl BSG Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R, Urteilsumdruck S 10 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
  • Nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2 und Urteile vom 13. Mai 1998 – B 8 KN 15/97 R – AmtlMitt LVA Rheinprovinz 1998, 430 und B 8 KN 16/97 R – nicht veröffentlicht) handelt es sich bei den in § 33 Abs 2 SGB VI aufgeführten Renten wegen Alters um eigenständige Renten, für deren Beginn jeweils § 99 Abs 1 SGB VI maßgebend und demzufolge wegen der verspäteten Antragstellung ein (primärer) Anspruch des Klägers auf Leistung der höheren RAR ab 1. März 1992 noch nicht gegeben ist. Gleichwohl ist auch ausgehend von dieser Auffassung der Klageanspruch begründet. Denn die Beklagte hat ihre aus § 115 Abs 6 SGB VI folgende Hinweispflicht verletzt und demgemäß den Kläger auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den – erforderlichen – Antrag rechtzeitig gestellt.

    • Nach § 115 Abs 1 SGB VI sollen die Rentenversicherungsträger die Berechtigten in “geeigneten Fällen” darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen (Satz 1). Die Rentenversicherungsträger können in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2). Die Verletzung der sich aus § 115 Abs 6 SGB VI ergebenden Pflicht ist nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich geeignet, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, wobei unschädlich ist, ob gemeinsame Richtlinien (wie inzwischen erlassen: DAngVers 1998, 449) bestanden oder nicht (so die übereinstimmende Rechtsprechung der Arbeiterrentenversicherungssenate des BSG und des erkennenden Senats ≪vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 1. September 1999 – B 13 RJ 73/98 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 5 mwN≫; ausdrücklich offen gelassen in den Entscheidungen des 4. Senats vom 2. August 2000 – B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1 und vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R, Urteilsumdruck S 24 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

      Wie die Rechtsprechung bereits wiederholt herausgearbeitet hat, besteht der Sinn und Zweck des zeitgleich mit § 99 SGB VI eingeführten § 115 Abs 6 SGB VI darin, Versicherte in bestimmten Fällen vor den Nachteilen des Antragsverfahrens zu bewahren, zumindest dann, wenn sie im Hinblick auf die komplizierte gesetzliche Regelung schwierig vorauszusehen sind (vgl BSG Urteile vom 22. Oktober 1996 – 13 RJ 23/95 – BSGE 79, 168 = SozR 3-2600 § 115 Nr 1; ebenso vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2, vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 18/98 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 3 und vom 22. Oktober 1998 – B 5 RJ 62/97 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 4). Wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt, ging der Gesetzgeber von typischen Sachverhalten aus, in denen es nahe liegt, dass Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen wollen, “zB Regelaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres, Hinterbliebenenrenten bei Tod des Versicherten” (vgl Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/5530, S 46 zu § 116 Abs 6 des SGB VI-Entwurfs = § 115 Abs 6 SGB VI).

      Hiervon ausgehend richtet sich nach der genannten Rechtsprechung die Geeignetheit einer Fallgruppe im Wesentlichen nach folgenden Merkmalen: Für den Versicherungsträger muss ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sein, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt, die von solchen Personen im Regelfall in Anspruch genommen wird, und dass die Berechtigten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen (vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 1. September 1999 – B 13 RJ 73/98 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 5 mwN). An diesen Kriterien ist festzuhalten. Ein “geeigneter Fall” kann danach – wie der erkennende Senat bereits entschieden hat – ua der Wechsel vom bisher bezogenen Knappschaftsruhegeld zur RAR nach dem SGB VI sein.

      Gemessen an den dargestellten Kriterien handelt es sich auch bei dem Fall des Klägers um einen typischen Sachverhalt, bei dem es bis zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen der RAR (Vollendung des 65. Lebensjahres und Erfüllung der Wartezeit) keiner einzelfallbezogenen Sachbearbeitung bedurfte. Der Rentenversicherungsträger konnte aus den Daten, die über den Versicherten gespeichert waren (Geburtsdatum, Versicherungsverlauf, Knappschaftsruhegeld-Bescheid bzw Umwertungsbescheid), ohne weiteres erkennen, dass die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale für die RAR erfüllt waren und diese mittels EDV abrufen.

    • Um zu verhindern, dass die Beklagte sämtliche Versicherten, die die Voraussetzungen für eine RAR erfüllen, auf die Möglichkeit der Antragstellung hinweisen und damit ggf ein Verwaltungsverfahren um seiner selbst initiieren muss, hatte der erkennende Senat zusätzlich das Kriterium der abgrenzbaren Versichertengruppe entwickelt, bei der der Wechsel “in der Regel, dh in der überwiegenden Zahl der Fälle”, zu einer Leistungserhöhung führt (so Urteil vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2 sowie Urteile vom 13. Mai 1998 – B 8 KN 15/97 R – AmtlMitt LVA Rheinprovinz 1998, 430 und B 8 KN 16/97 R – nicht veröffentlicht). Diese Forderung gibt der Senat hiermit jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, dh beim Wechsel von einem bereits vor dem 1. Januar 1992 bezogenen Knappschaftsruhegeld zur RAR nach SGB VI, auf. Für diese Fallgruppe genügt es, dass für die Beklagte erkennbar war, dass Bestandsrentner auf Grund der seit dem Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 bestehenden Rechtslage in den Genuss einer höheren RAR kommen konnten und sie davon ausgehen musste, dass die Berechtigten den Rentenantrag aus Unkenntnis nicht stellen.

      Wie die Beklagte in ihren Schriftsätzen und Berechnungen im Einzelnen dargelegt hat, brachte das SGB VI in seiner ursprünglichen, ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung eine Reihe von Gesetzesänderungen mit sich, die bei einer nicht unerheblichen Zahl von Bestandsrentnern zu einer höheren RAR führten. Die Neuregelungen des SGB VI wirkten sich jedoch in vielfältiger Weise – zum Teil in Abhängigkeit vom Zugangsjahr – gegenüber dem früheren Recht, unter dem der Anspruch des Versicherten auf vorgezogenes Knappschaftsruhegeld entstanden war, teils günstiger, teils ungünstiger aus. Im vorliegenden und auch in weiteren beim Senat anhängigen Verfahren hat sich gezeigt, dass dies die Bildung abgrenzbarer Gruppen mit einer regelmäßig höheren RAR beträchtlich erschwert. Der Senat modifiziert deshalb in diesem Punkt seine bisherige Rechtsprechung – die im Übrigen wesentlich darauf zurückzuführen ist, dass ihm weder die Tatsache eines im August 1996 von der Beklagten veranlassten Suchlaufs bezüglich aller in Betracht kommenden Fälle noch die Ergebnisse der durchgeführten Probeberechnungen seinerzeit bekannt waren.

    • Für den Senat ist nunmehr entscheidend, dass bereits mit Inkrafttreten des SGB VI für die Beklagte Folgendes erkennbar war: Im Gegensatz zum früheren Recht erhielt die (abgrenzbare) Gruppe der Bestandsrentner, dh hier der Bezieher von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld (nach § 48 Abs 2 RKG), durch die neue Rechtslage ab 1. Januar 1992 das Recht, bei Vollendung des 65. Lebensjahres die RAR zu beantragen. Ihre Rente war dann neu zu berechnen. Durch die vielfältigen Neuregelungen gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht hatte diese Gruppe damit die Chance, eine höhere Rente zu erhalten; die Gründe für die Rentenerhöhung und die Zahl der Betroffenen im Einzelnen können dahinstehen (vgl hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 1997 – 8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2).

      Nach dem früheren Recht (RVO, AVG, RKG) galt das so genannte Versicherungsfallprinzip, wonach es bei dem einmal eingetretenen (einen) Versicherungsfall des Alters blieb und eine Neufeststellung der Altersrente nur in Ausnahmefällen möglich war (vgl BSG Urteile vom 2. August 2000 – B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr 1, S 10 sowie BSG Urteil vom 28. September 1967 – 12 RJ 42/66 – BSGE 27, 167 = SozR Nr 46 zu § 1248 RVO und vom 28. April 1965 – 5 RKn 114/62 – SozR Nr 2 zu § 48 RKG). Im Hinblick auf diese Rechtslage hatten die Versicherten keinen Anlass, einen Antrag auf RAR zu stellen. Wird entsprechend der Auffassung der Beklagten von dem Antragserfordernis auch bei einem Wechsel von einer vorgezogenen Altersrente zur RAR ausgegangen, hat mit dem SGB VI der Antrag auf RAR für die Bestandsrentner eine neue und zentrale Bedeutung gewonnen. Denn nur auf diese Weise kann im Einzelfall die erforderliche Klärung herbeigeführt werden, ob höhere Rentenleistungen zustehen; der mit der fehlenden Antragstellung verbundene Nachteil besteht gerade darin, dass diese Prüfung unterbleibt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich die Bestandsrentner, dh die Bezieher einer vorgezogenen Altersrente nach RVO-(RKG-)Recht, bei Vollendung des 65. Lebensjahres unter der Geltung des SGB VI mit einem Antrag auf RAR nicht der Gefahr einer Verschlechterung ihrer Rechtsposition aussetzen; ihre “bisherige Rente”, dh hier das Knappschaftsruhegeld bzw die an dessen Stelle getretene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (vgl § 300 Abs 4 Satz 2 SGB VI), ist nach § 88 Abs 1 Satz 1 SGB VI besitzgeschützt und die Regelung in § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI garantiert außerdem, dass die “höchste Rente” geleistet wird (vgl BSG Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R, Urteilsumdruck S 10 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

      Der typische – ohne Einzelfallprüfung – durch den Versicherungsträger erkennbare Sachverhalt iS eines “geeigneten Falls”, auf den sich das Informationsbedürfnis des Berechtigten bezieht, ist daher in Fällen der vorliegenden Art nicht so sehr dadurch gekennzeichnet, dass der Berechtigte unter den Beziehern von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld einer abgrenzbaren Gruppe angehört, bei der die RAR auf Grund bestimmter neuer Regelungen des SGB VI höher ausfällt als das bisherige Knappschaftsruhegeld bzw die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Vielmehr ist für die Versichertengruppe typisch, dass ihnen (erstmals) mit Inkrafttreten des SGB VI ab 1. Januar 1992 die Möglichkeit eröffnet wurde, zu einer höheren Rentenleistung zu kommen, wobei diese Möglichkeit – unter Zugrundelegung der Auffassung, dass das Antragserfordernis nach § 99 Abs 1 SGB VI auch beim Wechsel zur RAR Anwendung findet – antragsabhängig ist.

      Für die Beklagte war die neu eingeführte Möglichkeit der Bezieher vorzeitiger Altersrenten zur Stellung eines Antrags auf RAR und der Effekt einer nicht nur theoretischen, sondern tatsächlichen Rentenerhöhung auch ohne weiteres erkennbar. Denn bereits aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/4124 S 243 – III Nr 2 “Die finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen des Gesetzentwurfs auf die Rentenversicherung”) ergab sich, dass speziell für die knappschaftliche Rentenversicherung die Neubewertung der beitragslosen und beitragsgeminderten Zeiten zu Mehrausgaben führen würde. Diese Mehrausgaben sind sogar (vgl Tabelle 3a der Anlage zu BT-Drucks 11/4124) für die Jahre ab 1992 bis zum Jahr 2002 jeweils beziffert worden (von minus 5 Mio DM bis minus 20 Mio DM). Wie sich aus dem Rentenbescheid vom 13. Oktober 1994 entnehmen lässt und die Beklagte in ihren Ausführungen bestätigt hat, beruht auch bei dem Kläger die höhere RAR maßgeblich auf der Neubewertung der Pflichtbeitragszeiten am Beginn des Versicherungslebens (§ 70 Abs 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden, durch Art 1 Nr 3 Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz ≪WFG≫ vom 25. September 1996, BGBl I 1461, aufgehobenen Fassung) sowie der Neubewertung der beitragsfreien und der beitragsgeminderten Zeiten. Selbst wenn sich nach den Einlassungen der Beklagten auch bei Anwendbarkeit der Regelung des § 70 Abs 3 SGB VI wegen gegenläufiger, sich negativ auswirkender anderer Regelungen des SGB VI keineswegs stets eine Leistungserhöhung ergab, musste sie bereits bei der Verabschiedung des Rentenreformgesetzes mit Gesetz vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261 erkennen, dass sich für eine nicht unerhebliche Zahl von Versicherten bei Stellung des nunmehr möglichen Antrags auf RAR Rentenerhöhungen in einer relevanten Größenordnung ergeben, was im Übrigen die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Berechnungen bestätigen.

      Jedenfalls für die Gruppe der so genannten Bestandsrentner durfte die Beklagte auch nicht davon ausgehen, dass die Versicherten über die Möglichkeit und die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme von RAR bei Vollendung des 65. Lebensjahres hinreichend informiert waren. Die Art und Weise, wie die Beklagte ihrer Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI nachkommt, liegt grundsätzlich in ihrem Entscheidungsbereich. Indem die Beklagte im August 1996 alle in Betracht kommenden Bezieher von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld ermittelt und im Einzelnen Probeberechnungen durchgeführt hat, um diejenigen Versicherten aufzufordern, einen Antrag auf RAR zu stellen, bei denen sich durch die Probeberechnung ein höherer Rentenzahlbetrag ergeben hatte, hat sie jedenfalls einen größeren Verwaltungsaufwand in Kauf genommen, als wenn sie zunächst zeitgerecht mit Inkrafttreten des SGB VI alle Bezieher von vorgezogenem Knappschaftsruhegeld zunächst auf die Möglichkeit hingewiesen hätte, RAR zu beantragen. Sofern ihr wegen des erhöhten Verwaltungsaufwands im Zuge der Wiedervereinigung eine sofortige Bearbeitung der Anträge nicht möglich war, hätte sie diese Anträge nach und nach abarbeiten können, ohne dass für die Versicherten Ansprüche verloren gegangen wären. Dagegen führte die Vorgehensweise der Beklagten zu einer für die Versicherten (weiteren) Verzögerung der Antragstellung, verbunden mit der Gefahr der Verschlechterung ihrer Rechtsposition, weil gemessen an der Rechtslage bei Inkrafttreten des SGB VI zwischenzeitlich eine Reihe weiterer Gesetzesänderungen mit Sparmaßnahmen in Kraft traten (zB durch das WFG).

      Aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG ist schließlich auch zu entnehmen, dass die Verletzung der Hinweispflicht durch die Beklagte ursächlich dafür war, dass der Kläger nicht bei Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 1992 oder jedenfalls innerhalb des Dreimonats-Zeitraums nach § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI, also bis Ende Mai 1992, seinen Rentenantrag gestellt hat (vgl BSG Urteil vom 1. September 1999 – B 13 RJ 13/98 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 5). Andererseits war für die Beklagte spätestens zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass dies aus Unwissenheit um das mit dem Antrag verbundene Recht auf Neufeststellung der Rente nicht geschehen war.

  • Abschließend wird darauf hingewiesen, dass der Senat sich an der dargestellten Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung, speziell an der Aufgabe des so genannten Mehrheitserfordernisses, nicht durch die Rechtsprechung des 5. Senats des BSG (Urteile vom 22. Oktober 1998 – B 5 RJ 62/97 R – SozR 3-2600 § 115 Nr 4 und B 5 RJ 56/97 R – nicht veröffentlicht) gehindert bzw zu einer Anfrage nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG veranlasst sieht. Denn die genannten Entscheidungen des 5. Senats des BSG, in denen er sich der bisherigen Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 9. Dezember 1997 (8 RKn 1/97 – BSGE 81, 251 = SozR 3-2600 § 115 Nr 2) ausdrücklich angeschlossen hat, betrafen andere Ausgangslagen. Bei der erst genannten Entscheidung ging es um einen Wechsel vom Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für weibliche Versicherte (§ 1248 Abs 3 RVO) zur Altersrente für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) und im anderen Fall um ein Erstfeststellungsverfahren betreffend die Altersrente für langjährig Versicherte. Beide Entscheidungen hatten also nicht den Wechsel zur RAR zum Gegenstand. Bei der RAR ist, anders als bei den vorgezogenen Altersrenten, die Rechtsgrundlage für einen Anspruch hierauf immer erfüllt, sobald der Altersrentner 65 Jahre alt wird, während dies bei den anderen Rechtsgrundlagen für Altersrenten stets auch die Ausübung eines Gestaltungsrechts und dessen Geltendmachung gegenüber dem Versicherungsträger voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 58/01 R, Urteilsumdruck S 10 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Insofern stellt sich hier die Frage eines Antragserfordernisses nach § 99 SGB VI und die ggf bestehende Notwendigkeit eines Hinweises nach § 115 Abs 6 SGB VI nicht notwendig in gleicher Weise (dies ausdrücklich offen lassend auch BSG Urteil vom 9. April 2002 – aaO).
  • Nach alledem hat der Kläger sowohl nach der Rechtsprechung des 4. Senats als auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einen Anspruch auf RAR ab dem Folgemonat nach Vollendung des 65. Lebensjahres, dh ab 1. März 1992. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieses Ergebnis noch auf andere rechtliche Überlegungen gestützt werden könnte, nämlich auf die Überlegung, ob die Beklagte wegen des in Ausführung des Vergleichs vom 19. März 1996 ergangenen Teilabhilfebescheids vom 6. September 1996 (wonach bei dem Kläger bestimmte Zeiten der Arbeitslosigkeit zusätzlich berücksichtigt worden sind) ohnehin nach § 300 Abs 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung zu einer Neufeststellung der Rente – grundsätzlich in den Grenzen des § 44 Abs 4 SGB X – gehalten war. Jedenfalls ist die Beklagte verpflichtet, ihren Rentenbescheid vom 13. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1995 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ab 1. März 1992 RAR – an Stelle der bisher gezahlten Altersrente – zu gewähren. Dies wird sich auch auf die Höhe der RAR auswirken, denn sie muss nunmehr schon ab diesem Zeitpunkt den richtigen belegungsfähigen Gesamtzeitraum bis Ende Februar 1992, nicht, wie geschehen, bis August 1994, beachten und danach den Rentenwert bereits ab 1. März 1992 feststellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 884659

BSGE 2003, 118

SGb 2003, 97

SozR 3-2600 § 115, Nr. 8

SozVers 2003, 115

AuS 2002, 63

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