Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 02.11.1995; Aktenzeichen L 2 Ar 115/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 2. November 1995 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Revision betrifft die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. April bis 24. Juni 1993 und die Rückforderung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen.

Der 1954 geborene Kläger bezog ab 1. Februar 1993 Alg mit einer Anspruchsdauer von 312 Wochentagen in Höhe von 250,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 12. Februar 1993). Seit dem 1. September 1993 ist er wieder beschäftigt.

Bei einer Außendienstprüfung am 22. Februar 1994 stellte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) fest, daß der Kläger vom 29. bis 31. März 1993 als Malerhelfer für 3 Tage und insgesamt 24 Arbeitsstunden beschäftigt war. Diese Beschäftigung hatte er der BA nicht angezeigt.

Nach Anhörung des Klägers hob die BA die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 29. März bis 24. Juni 1993 auf und forderte überzahltes Alg in Höhe von 3.169,20 DM zurück: Der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen in diesem Zeitraum nicht erfüllt, weil er vom 29. bis 31. März 1993 nicht arbeitslos gewesen und sich in der Folgezeit erst am 25. Juni 1993 erneut arbeitslos gemeldet habe (Bescheid vom 22. August 1994). Seinen Einwand, er sei nur kurzzeitig beschäftigt gewesen, ließ die BA nicht gelten (Widerspruchsbescheid vom 11. November 1994).

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage für die Zeit vom 1. April bis 24. Juni 1993 stattgegeben. Für diesen Zeitraum erfülle der Kläger sämtliche Anspruchsvoraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei nach einer Zwischenbeschäftigung eine erneute Arbeitslosmeldung und ein erneuter Leistungsantrag nicht erforderlich (Urteil vom 2. August 1995). Die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei mehr als kurzzeitig beschäftigt gewesen. Er habe an 3 Tagen 24 Stunden gearbeitet. Nichts spreche dafür, daß es sich bei dieser „Vollzeittätigkeit” um eine gelegentliche Abweichung gehandelt habe. Diese für ihn nachteilige Veränderung in den Verhältnissen habe er der BA zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Für die Zeit ab 1. April 1993 seien die Voraussetzungen für die Aufhebung aber nicht gegeben. Der Leistungsanspruch könne nach einer Zwischenbeschäftigung nicht von einer erneuten Arbeitslosmeldung abhängig sein. Da Anträge auf Alg nicht rückwirkend gestellt werden könnten, werde der Leistungsverlust andernfalls um so größer, je später die BA den Bewilligungsbescheid aufhebe. Auch solche Fälle seien durch den Umstand geprägt, daß der Leistungsempfänger im Vertrauen auf den Bestand der Bewilligung von einer erneuten Arbeitslosmeldung absehe. Die Grundsätze, die die Arbeitslosmeldung als materielle Anspruchsvoraussetzung begründeten, könnten nur bei erstmaliger Bewilligung und bei Wiederbewilligungen nach Aufhebung bzw Rücknahme der Bewilligung oder wenigstens der Abmeldung aus der Arbeitslosigkeit bedeutsam sein. Im übrigen komme der Arbeitslosmeldung nur Bedeutung für die Arbeitsvermittlung zu. Der Kläger habe aber ab 1. April 1993 der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Die Aufhebung einer Bewilligung von Alg wegen einer Beschäftigung sei deshalb nicht auf Zeiträume erneuter Arbeitslosigkeit zu erstrecken. Die Gegenansicht könne nicht erklären, weshalb es sich rechtlich nicht auswirken solle, daß die BA bei ihrer Behandlung des Leistungsfalles ununterbrochen von der vom Leistungsempfänger erklärten Tatsache seiner Arbeitslosigkeit ausgehe, diese Tatsache auch wieder vorliege und alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben seien. Sie führe durch eine spätere rückwirkende Aufhebung zu übermäßig belastenden Rückforderungsbeträgen. Die im Termin von der BA geschilderte Verwaltungspraxis, nur bis zu drei Monaten Alg zurückzufordern, sei nicht überzeugend, weil für diese Praxis Anhaltspunkte im geltenden Recht nicht ersichtlich seien. Sie beruhe auf einer rechtlich nicht begründbaren Billigkeitsentscheidung. Bedenklich sei auch, daß die Beklagte zwischenzeitliche Vorsprachen von Leistungsempfängern als konkludente Arbeitslosmeldungen behandle, ohne auf den tatsächlichen Erklärungsinhalt abzustellen. Auch das an sich berechtigte Vorgehen gegen den Mißbrauch sozialer Leistungen könne die Praxis der BA nicht rechtfertigen. Die Verletzung von Anzeigepflichten könne als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 5.000,– DM geahndet werden. Im übrigen seien die Folgen einer Sperrzeit bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu bedenken. Danach könne offenbleiben, ob „für die Zeit nach Beendigung der Zwischenbeschäftigung” grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung der §§ 100 und 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X). Sie bezieht sich auf zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BSG und führt aus, die persönliche Arbeitslosmeldung entfalte nur für den jeweils eingetretenen Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit Wirksamkeit. Diese werde durch eine Zwischenbeschäftigung verbraucht, so daß danach eine neue Arbeitslosmeldung erforderlich werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 2. November 1995 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 2. August 1995 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Ansicht der Vorinstanzen für zutreffend und meint, die Rechtsprechung des BSG führe zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots. Die probeweise Arbeitsaufnahme sei durch das Ergebnis einer ärztlichen Eignungs-untersuchung bedingt gewesen. Diese sei wegen mangelnder Höhentauglichkeit negativ ausgefallen. Die Nichtanzeige der kurzen Arbeitsaufnahme, die die Arbeitslosigkeit nicht beendet habe, sei nicht grob fahrlässig gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der BA ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt §§ 100, 105 AFG. Für eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.

1. Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 1. April 1993 und die darauf beruhende Rückforderung von Alg hält rechtlicher Überprüfung nicht Stand. Auf einer Rechtsverletzung beruht das angefochtene Urteil, weil das LSG nach der Arbeitsaufnahme des Klägers auch für den erneuten Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit die vor der Arbeitsaufnahme liegende Arbeitslosmeldung als fortwirkend behandelt hat.

2. Nach § 152 Abs 3 AFG iVm § 48 Abs 1 Sätze 1 und 2 Nr 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an ua aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Die Bewilligung von Alg ab 1. Februar 1993 mit Bescheid vom 12. Februar 1993 enthält einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Bis zu einer abweichenden Verwaltungsentscheidung ist der Bewilligungsbescheid Grundlage für das wöchentlich wiederkehrend gewährte (§ 114 AFG) und in Zahlungszeiträumen von zwei Wochen zu zahlende Alg (§ 122 AFG iVm § 4 Zahlungszeiträume-Anordnung vom 15. Dezember 1978 ≪ANBA 1979 S 409≫; vgl BSGE 47, 241, 246 = SozR § 134 Nr 11; 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31; Urteil des Senats vom 14. Dezember 1975 – 11 RAr 75/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X ist eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung erhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich mithin nach dem für die Leistung von Alg maßgebenden materiellen Recht.

2.1 Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Ausdrückliche Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen sind dem Urteil des LSG für den hier zu beurteilenden Zeitraum vom 1. April bis 24. Juni 1993 insofern zu entnehmen, als der Kläger arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Da er durch Bescheid vom 12. Februar 1993 Alg für 312 Tage bewilligt erhalten hatte, ist auch davon auszugehen, daß er die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

2.2 Durchgreifenden Bedenken unterliegt das Urteil des LSG jedoch, weil es die materielle Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosmeldung” aufgrund der zur Bewilligung der Leistung führenden Arbeitslosmeldung auch für die Zeit ab 1. April 1993 als ausreichend angesehen hat, obwohl der Kläger vom 29. bis 31. März 1993 nicht arbeitslos war. Dem Urteil des LSG ist zu entnehmen, daß die Beschäftigung des Klägers auf eine „Vollzeittätigkeit” gerichtet und damit mehr als kurzzeitig iS des § 102 Abs 1 AFG war. Das LSG sieht die Arbeitslosmeldung im wesentlichen als Grundlage für die Vermittlungsbemühungen der BA an, die durch die – dem Arbeitsamt nicht bekannte Zwischenbeschäftigung – nicht beeinträchtigt sei. Diese Ansicht wird der Funktion der nach § 105 Satz 1 AFG geforderten persönlichen Arbeitslosmeldung des Arbeitslosen beim zuständigen Arbeitsamt nicht gerecht. Das hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) und vom 21. März 1996 – 11 RAr 93/95 – näher ausgeführt:

Die Arbeitslosmeldung ist nicht auf die Vermittlungstätigkeit der BA allein bezogen, sondern dient auch der Anzeige des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos Arbeitslosigkeit. Da die BA bei der Feststellung des Versicherungsfalls weitgehend auf Angaben des Versicherten angewiesen ist, vermittelt gerade die persönliche Meldung nicht nur Informationen über die Verwendbarkeit des Arbeitslosen sowie seine objektive und subjektive Verfügbarkeit. Sie soll auch tunlichst wahrheitsgemäße Angaben zum Eintritt des Versicherungsfalls herbeiführen. Die Arbeitslosmeldung ist gerade als konstitutive Voraussetzung des Leistungsanspruchs Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit (BSGE 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr 2; LSG Baden-Württemberg Breithaupt 1995, 884, 887; Gagel/Steinmeyer, AFG, § 105 RdNr 2 – Stand: August 1992 –; Niesel/Brand, AFG, 1995, § 105 RdNr 2; für das frühere Recht: Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 172 RdNr 2 mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung). Hat aber die Arbeitslosmeldung Bezug zum Eintritt des Versicherungsfalls und nicht nur zur Verfügbarkeit des Arbeitlosen und zur Vermittlungstätigkeit der BA, so ist die Arbeitslosmeldung nach §§ 100 Abs 1, 105 Satz 1 AFG – möglicherweise abweichend von einer Arbeitslosmeldung nach § 132 AFG (dazu: Draeger/Buchwitz/Schönefelder aaO) – auf den jeweils eingetretenen Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit zu beziehen und ihre Wirkung auf die Dauer der gemeldeten Arbeitslosigkeit zu beschränken. Aus diesem Grunde wird auch eine nicht der Wahrheit entsprechende Arbeitslosmeldung als unwirksam angesehen (Draeger/

Buchwitz/Schönefelder aaO). Als Erklärung über die Tatsache des Eintritts der Arbeitslosigkeit bedarf es deshalb zur Begrenzung ihrer Wirksamkeit nicht der „Gegenerklärung (negativen Arbeitslosmeldung)”. Mag der Arbeitslosmeldung zur Klarstellung der subjektiven Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) auch eine Willenskomponente eigen sein, so handelt es sich gleichwohl nicht um eine Willenserklärung (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr 1). Ist aber die Wirksamkeit der Arbeitslosmeldung auf den jeweils angezeigten Eintritt der Arbeitslosigkeit beschränkt, so bedarf es für den erneuten Bezug von Alg nach einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung erneuter Arbeitslosmeldung, um die materielle Anspruchsvoraussetzung „arbeitslos gemeldet” nach § 100 Abs 1 AFG zu begründen (ebenso: BSGE 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr 3; LSG Baden-Württemberg Breithaupt 1995, 884, 887). Dieser Rechtsansicht hat sich der ebenfalls für die Arbeitslosenversicherung zuständige 7. Senat des BSG in mehreren Urteilen vom 23. Juli 1996 – 7 RAr 92/95, 104/95, 112/95 und 14/96 – angeschlossen.

Eine Arbeitsaufnahme verbraucht auch den Leistungsantrag, wie das BSG bereits entschieden hat (BSGE 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr 3). Aus dem Urteil des BSG vom 17. März 1981 – 7 RAr 20/80 – läßt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Soweit dort ausgeführt ist, ein erneuter Antrag sei erst erforderlich, nachdem ein früherer Antrag abgelehnt oder eine Bewilligung aufgehoben worden sei, schließt dies die gleiche Folge für den Fall einer Arbeitsaufnahme nicht aus. Diesen Sachverhalt hatte das BSG aaO nicht zu behandeln, weil dort lediglich die Verfügbarkeit eines Arbeitslosen durch Auslandsaufenthalt vorübergehend entfallen war, sich der Versicherungsfall selbst aber nicht erledigt hatte. Inwieweit in einer Arbeitslosmeldung trotz der unterschiedlichen Funktionen von Arbeitslosmeldung und Leistungsantrag zugleich ein Antrag auf Bewilligung von Alg gesehen werden kann, ist weitgehend eine Frage tatsächlicher Würdigung (dazu: BSGE 49, 114, 116 = SozR 4100 § 100 Nr 5; BSGE 60, 43, 47 = SozR 4100 § 105 Nr 2).

2.3 Eine abweichende Beurteilung der Rechtslage ist auch nicht wegen der Gefahr einer verzögerlichen Reaktion der BA auf die Kenntnis von einer Arbeitsaufnahme des Leistungsbeziehers geboten. Die nach §§ 15 Abs 3, 132 Abs 1 Satz 3 AFG geforderte Meldung des Arbeitslosen in Abständen, die drei Monate nicht überschreiten sollen, kann diese Gefahr von Nachteilen für den Arbeitslosen weitgehend mildern. Nach der Praxis der BA sollen solche Meldungen die Wirkungen einer Meldung nach § 105 AFG auslösen (Erlaß des Präsidenten der BA vom 13. Februar 1995 – IIIa4 – 7105A/7945/7948/9040/5014.4). Das ist nicht zu beanstanden, soweit es sich um eine persönliche Meldung handelt und diese wahrheitsgemäße Angaben zur Arbeitslosigkeit umfaßt. Unabhängig davon, welchem Zweck eine solche Mitteilung dient, wird sie idR darauf gerichtet sein, den Leistungsanspruch in gesetzlicher Höhe zu gewährleisten. Auch wenn eine ausdrückliche Erklärung über das Bestehen von Arbeitslosigkeit nicht abgegeben wird, liegt es nahe, die Rechtsgedanken der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch zu berücksichtigen und in der Vorsprache beim Arbeitsamt auch eine schlüssige Behauptung über das Bestehen von Arbeitslosigkeit zu sehen. Die Verwaltungspraxis der BA beruht insofern auf Rechts-, nicht nur Billigkeitserwägungen, die die Folgen nicht angezeigter Arbeitsaufnahme begrenzen. Ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei kurzen Zwischenbeschäftigungen eine einschränkende Anwendung des § 152 Abs 3 AFG in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung gebieten kann, ist erst nach Klärung sämtlicher Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X zu entscheiden. Über die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn der Drei-Monats-Rhythmus aus vom Arbeitslosen nicht zu vertretenden Gründen nicht eingehalten wird, ist hier nicht zu befinden. In anderem Zusammenhang hat das BSG allerdings aus dem Sozialrechtsverhältnis die Pflicht der Beteiligten hergeleitet, „sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren” (BSGE 34, 124, 127 = SozR Nr 25 zu § 29 RVO; vgl auch: Krause, Das Sozialrechtsverhältnis, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes Bd XVIII ≪1980≫, 12, 25). Die Schadensminderungspflicht der BA entfällt nicht dadurch, daß die schadensgeneigte Lage durch eigenes Fehlverhalten des Klägers entstanden ist.

3. Für eine abschließende Entscheidung des BSG reichen die tatsächlichen Feststellungen nicht aus. Das die Entziehung des Alg nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X auslösende Fehlverhalten des Klägers besteht in einem Verstoß gegen seine gesetzliche Mitteilungspflicht nach § 60 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I). Danach haben Bezieher von Sozialleistungen, zu denen auch das Alg gehört, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Diese Pflicht hat der Kläger verletzt, indem er seine Arbeitsaufnahme im März 1993 der BA nicht mitgeteilt hat. Die Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Kläger seiner Beschäftigung” für den Status der Arbeitslosigkeit Bedeutung beimaß. Für die Leistung erheblich war sie schon deshalb, weil während einer Arbeitslosigkeit erzieltes Arbeitsentgelt sich auf den Leistungsanspruch auswirken kann (§ 115 AFG). Die weitere Frage, ob der Kläger seine Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, ist vom BSG mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden. Das LSG hat die Frage eines Verschuldens des Klägers – nach der Rechtsansicht des LSG folgerichtig – ausdrücklich offengelassen. Bei grobem Verschulden des Klägers ist die BA nach § 152 Abs 3 AFG iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X verpflichtet, die Bewilligung von Alg vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Die Ermächtigung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X rechtfertigt damit die Aufhebung der Alg-Bewilligung nicht nur für die Dauer einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung, sondern auch für den nachfolgenden, hier allein streitigen Zeitraum ab 1. April 1993. Die Arbeitsaufnahme hat eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen auch für diesen Zeitraum bewirkt, weil sie der zur Bewilligung des Alg führenden Arbeitslosmeldung die Grundlage entzogen hat. Jene Arbeitslosmeldung war – wie ausgeführt – mit dem durch Arbeitsaufnahme beendeten Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit verbraucht. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, daß sich das Verschulden bei dem Tatbestand des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X auf die Verletzung der Mitteilungspflicht sowie das die Mitteilungspflicht auslösende Ereignis (hier: die Arbeitsaufnahme) bezieht (BSG Urteil vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95 –; Steinwedel, Kasseler Komm § 48 RdNr 43 – Stand: März 1995). Zutreffend hat das LSG erwähnt, daß die Schuldfrage „einzelfallbezogen” zu beantworten ist. Dazu sind die das Verhalten des Klägers bestimmenden Umstände aufzuklären.

Das Urteil des LSG ist danach mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172804

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