Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung

 

Orientierungssatz

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels richtet sich grundsätzlich nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern nach denen, die bei Einlegung des Rechtsmittels vorlagen (BSG vom 19.1.1978 - 4 RJ 127/76 = SozR 1500 § 146 Nr 6).

2. Den Prüfinstanzen wird durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten kein bestimmtes statistisches Verfahren (zB das herkömmliche Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen oder die Gauß'sche Normalverteilung) als das allein rechtlich zulässige Verfahren vorgeschrieben (BSG vom 22.5.1984 - 6 RKa 21/82 = SozR 2200 § 368n Nr 31 und vom 2.6.1987 - 6 RKa 23/86 = SozR 2200 § 368n Nr 48).

 

Normenkette

RVO § 368n Abs 5 Fassung: 1982-12-20; SGB 5 § 106 Abs 2 Fassung: 1988-12-20; SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 15.11.1989; Aktenzeichen II KABf 12/86)

 

Gründe

Zu Unrecht rügt der Kläger eine unrichtige Besetzung der Richterbank des Landessozialgerichts (LSG). Die vom Kläger genannten ehrenamtlichen Richter waren wegen der Eigenschaft als Prüfarzt der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) nicht kraft Gesetzes von der Mitwirkung ausgeschlossen. Der Kläger behauptet nicht, daß sie iS des § 17 Abs 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bedienstete einer KÄV seien. Ob die Ausschlußgründe des § 16 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) auch im gerichtlichen Verfahren gelten, kann dahingestellt bleiben. Die Voraussetzungen des § 16 SGB X sind hier jedenfalls nicht gegeben. Insbesondere waren die ehrenamtlichen Richter nicht nach § 16 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB X ausgeschlossen; der Ausschluß wegen sonstiger Tätigkeit nach dieser Vorschrift gilt nur, wenn die Person in der Angelegenheit tätig geworden ist, die Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war. Einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil iS des § 16 Abs 1 Satz 2 SGB X können sie durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung nicht erlangen. Unter Tätigkeit in diesem Sinn ist jedenfalls nicht die Prüfarzttätigkeit in anderen Verfahren zu verstehen. Der Kläger bringt vor, er habe sie zu Recht abgelehnt. Insoweit hat er aber keinen Verfahrensmangel des LSG bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), denn aus der Beschwerdebegründung geht nicht hervor, ob und wie das LSG über das Ablehnungsgesuch entschieden hat. Der Beschluß wäre nicht anfechtbar; auf Fehler des Beschlusses könnte die Revision nicht gestützt werden (BVerwG Buchholz 310 § 54 VwGO Nr 32).

Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts (SG) Hamburg betreffend die Quartale IV/84 und I/85 sind entgegen der Meinung des Klägers nicht zulässig gewesen. Die Zulässigkeit ergibt sich nicht daraus, daß diese Berufungen später vom LSG verbunden worden sind. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes und der herrschenden Meinung im Schrifttum wiederholt ausgesprochen hat, richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels grundsätzlich nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern nach denen, die bei Einlegung des Rechtsmittels vorlagen (BSG SozR 1500 § 146 Nr 6 mwN). Die Entscheidung des Senats vom 24. Januar 1974 - 6 RKa 2/73 - (SozR 1500 § 144 Nr 1) betrifft den hier nicht vorliegenden Fall, in dem bereits das SG die Klagenverbindung beschlossen hatte.

In seinen weiteren Ausführungen zu den Verfahrensmängelrügen hat sich der Kläger nur mit materiell-rechtlichen Auffassungen des LSG auseinandergesetzt. Er hat nicht zu erkennen gegeben, gegen welche verfahrensrechtlichen Vorschriften das LSG verstoßen haben soll. Mit dem Vorbringen, das LSG habe keine Praxisbesonderheiten geprüft, hat der Kläger keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Wenn er meint, das LSG habe seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen, so führt diese Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der Rechtsfrage, ob die Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung ein zulässiges statistisches Mittel darstellt bzw ob diese Methode der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit dem Gesetz vereinbar ist, hat der Kläger nicht dargelegt. Das BSG hat den Prüfinstanzen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten kein bestimmtes statistisches Verfahren (zB das herkömmliche Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen oder die Gauß'sche Normalverteilung) als das allein rechtlich zulässige Verfahren vorgeschrieben (BSG SozR 2200 § 368n Nrn 31 und 48). Beachtliche Einwände gegen diese Rechtsprechung hat der Kläger nicht vorgebracht. Insbesondere ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, daß Prof. G.   die Unzulässigkeit der Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung vertreten hätte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG (analog) gestützt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665143

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