Leitsatz (amtlich)

Zum statistischen Kostenvergleich bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Zahnarztes (Bestätigung der von der Rechtsprechung für den kassenärztlichen Bereich entwickelten Grundsätze und entsprechende Anwendung im kassenzahnärztlichen Bereich).

 

Orientierungssatz

1. Es ist nicht zu beanstanden, a) der Wirtschaftlichkeitsprüfung im zahnärztlichen Bereich einen Vergleich der Gesamtfallkosten zugrunde zu legen, b) als Vergleichsgruppe alle Zahnärzte des Bezirks heranzuziehen und c) von der Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung bzw von der Feststellung der Standardabweichung und des Variabilitäts-Koeffizienten abzusehen.

2. Der statistische Kostenvergleich, der sowieso nur die konservierenden, chirurgischen und Röntgen-Leistungen umfaßt, ist nicht noch dadurch weiter zu beschränken, daß die Füllungen und Extraktionen unberücksichtigt bleiben.

3. Den Prüfungsgremien bleibt beim Vergleich der Gesamtfallkosten für die Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis kein großer Spielraum; denn eine Fachgruppe, bei der wegen unterschiedlicher Behandlungsausrichtungen ein größerer Toleranzbereich zugestanden werden müßte, dürfte kaum als gemeinsame Vergleichsgruppe geeignet sein. Dagegen liegt es nahe, bei einem Vergleich von Leistungssparten und Leistungsarten auch höhere Grenzwerte in Betracht zu ziehen; denn werden innerhalb einer Fachgruppe, die für die Behandlung gleicher Krankheiten zuständig ist, in den einzelnen Praxen verschiedene Methoden angewandt, so sollte dadurch zwar nicht der Gesamtfallwert wesentlich beeinflußt werden, gegen eine unterschiedliche Inanspruchnahme von Leistungssparten und Leistungsarten bestünden jedoch keine Bedenken.

4. Mit der Anrufung des Beschwerdeausschusses (§ 368n Abs 5 S 5 RVO) wird dieser für die umstrittene Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich zuständig. Er behält diese Zuständigkeit bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß ist nicht (nur) ein Vorverfahren iS des SGG, es ist vielmehr ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz. Die das Prüfungsverfahren abschließende Entscheidung wird vom Beschwerdeausschuß getroffen und von diesem allein im gerichtlichen Verfahren vertreten. Nur in bezug auf die Klagevoraussetzung des § 78 SGG gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß als Vorverfahren.

 

Normenkette

RVO §§ 368e, 368n Abs 5 S 5

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 25.09.1985; Aktenzeichen L 1 Ka 1110/85)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 13.02.1985; Aktenzeichen S 14 Ka 416/84)

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Bescheid des Beklagten, durch den die Honoraranforderungen des Klägers für seine kassenzahnärztliche Tätigkeit in den Quartalen III/80 bis III/81 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise gekürzt wurde.

Der aus Rumänien stammende Kläger ist nach Übersiedlung in die Bundesrepublik seit dem Quartal III/80 als Kassenzahnarzt zugelassen. Seine die gesetzlichen Krankenkassen (RVO-Kassen) betreffenden Abrechnungen gaben aufgrund auffallender Abweichungen "gegenüber dem Leistungswert der übrigen abrechnenden Zahnärzte" zur Wirtschaftlichkeitsprüfung Anlaß. Der zuständige Prüfungsausschuß kürzte nach Prüfung von Einzelfällen die Abrechnungen für die oa Quartale um insgesamt DM 210.408,44. Dagegen legte sowohl der Kläger als auch der Beigeladene zu 2), der Landesverband der Ortskrankenkassen Württemberg-Baden, Widerspruch ein. Der Beklagte beschloß daraufhin eine Kürzung auf den Leistungswert der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) mit einem Abschlag von 20 %. Das ergab einen Kürzungsbetrag von DM 285.153,93. Dabei ging der Beklagte von folgenden durchschnittlichen Fallkosten des Klägers bzw aller Zahnärzte im KZÄV- Bezirk aus: DM 314,21 bzw DM 73,73 in III/80, DM 239,98 bzw DM 72,03 in IV/80, DM 257,50 bzw DM 86,16 in I/81, DM 252,77 bzw DM 84,08 in II/81 und DM 221,48 bzw DM 82,83 in III/81 (Bescheid vom 28. Januar 1983). Auf die Klage des Zahnarztes hob das Sozialgericht (SG) den Bescheid des Prüfungsausschusses und den Bescheid des Beklagten auf und verpflichtete den Beklagten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. In der Urteilsbegründung stellte es fest: Aufgrund der zweifelsfrei vorliegenden Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers seien die Prüfungsgremien berechtigt gewesen, den Umfang des unwirtschaftlichen Behandlungsaufwands durch Schätzung zu ermitteln. Die Schätzung dürfe jedoch die Zone der normalen Streuung (etwa bis zu 20 % der Überschreitung der durchschnittlichen Fallkosten der Arztgruppe) nicht erfassen. In keinem Fall könne bei einer pauschalen Kürzung des Gesamthonorars die Schätzung einen Bereich erfassen, der unter dem Durchschnitt aller Zahnärzte der KZÄV liege (Urteil vom 24. August 1983 - S 14 Ka 410/83 -).

Der Beklagte kürzte nun das abgerechnete Honorar des Klägers auf den Leistungswert der KZÄV mit einer Toleranz von 20 %. Es ergab sich ein Kürzungsbetrag von DM 237.174,01. Zur Begründung beschränkte sich der Beklagte im wesentlichen darauf, allgemein festzustellen, daß die erneute Prüfung alle im Bescheid vom 28. Januar 1983 gemachten Aussagen bestätigt habe. Die kassenzahnärztliche Tätigkeit des Klägers entspreche nicht den Grundsätzen über eine wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Seitens des Klägers seien keine neuen entlastenden Gesichtspunkte vorgetragen worden. Praxisbesonderheiten, die ein Abweichen von der im Urteil des SG genannten Toleranz rechtfertigen könnten, seien bereits im Sozialgerichtsverfahren als nicht gegeben festgestellt worden (Bescheid vom 24. Januar 1984/Beschluß vom 18. Januar 1984).

Auf die Klage des Zahnarztes hat das SG auch diese Entscheidung aufgehoben und nun neben dem Beklagten auch den Prüfungsausschuß verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Dem angefochtenen Bescheid liege als Prüfungsmethode der statistische Vergleich zugrunde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde bei einem Fallkostenvergleich mit dem Fachgruppendurchschnitt der Anschein der Unwirtschaftlichkeit erst bei Überschreitungen von etwa 40 bis 50 % erweckt. Ein Mehraufwand könne aber durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt sein. Der Beklagte habe es versäumt, nachvollziehbar darzulegen, wie sich die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten auf den gegenüber der Fachgruppe abgerechneten Mehraufwand auswirkten und wie auf dieser Grundlage der Kürzungsbetrag ermittelt worden sei. Die Prüfungsgremien müßten sich mit dem Einwand einer Niederlassung in einem unterversorgten Gebiet auseinandersetzen. Als weitere Praxisbesonderheit sei die anlaufende Praxis zu berücksichtigen. Diese Praxisbesonderheit brauche nicht bereits bei der Schätzung des Umfangs des unwirtschaftlichen Mehraufwands berücksichtigt werden, sondern könne in die Ermessenserwägungen bei der Festsetzung des Kürzungsbetrages mit aufgenommen werden. Da durch das Urteil vom 24. August 1983 auch der Bescheid des Prüfungsausschusses aufgehoben worden sei, habe auch dieser Ausschuß verurteilt werden müssen; aus verfahrensrechtlichen Gründen (Vorverfahrenszwang nach § 78 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) sei es angezeigt, noch einmal das gesamte Prüfverfahren durchzuführen (Urteil vom 13. Februar 1985 - S 14 Ka 416/84 -).

Der Kläger, der in den von den Prüfungsgremien zu beachtenden Rechtsansichten des SG eine Beschwer sieht, hat sich mit der Berufung vor allem gegen den vom SG zugelassenen Vergleich der Gesamtfallkosten, gegen die Annahme einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von etwa 40 % und gegen die Nichtberücksichtigung der Standardabweichung und des Variabilitäts-Koeffizienten gewandt. Zudem sei die statistische Vergleichsmethode bei Füllungen und Extraktionen nur beschränkt anwendbar. Die Auffassung, daß die Tatsache einer anlaufenden Praxis nicht bereits bei der Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwands berücksichtigt werden müsse, treffe in dieser Allgemeinheit nicht zu.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß durch den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 1984, der sich nicht auf eine Korrektur des vom SG allein beanstandeten Kürzungsumfangs beschränke, sondern über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers in vollem Umfange entschieden habe, auch der Rechtsweg wieder in vollem Umfange eröffnet worden sei; die Rechtskraft des Urteils des SG vom 24. August 1983 stehe also einer erneuten Entscheidung nicht entgegen.

Das LSG hat die Berufung als unbegründet angesehen, weil die Rechtsauffassung des SG der materiellen Rechtslage entspreche. Es könne grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn die Prüforgane das statistische Verfahren heranzögen, bei dem auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Leistungsanforderungen aller Ärzte einer Fachgruppe die Überschreitung des geprüften Arztes berechnet werde. Das Vorbringen des Klägers, relevante Abweichungen der Honoraranforderungen eines Arztes durch Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung zu bestimmen, berücksichtige nicht ausreichend, daß auch dieses statistische Verfahren eine Fachgruppe voraussetze, die eine gewisse Mindestgröße besitze und bei der eine Mindesthomogenität bestehe. Im vorliegenden Fall sei angesichts der großen Zahl der abrechnenden Zahnärzte (etwa 1.500) davon auszugehen, daß eine ausreichende statistische Grundlage für die Bildung von Durchschnittswerten aufgrund der Methode des arithmetischen Mittels vorhanden sei. Da die Frage bereits höchstrichterlich geklärt sei, brauche der Senat nicht der Anregung des Klägers folgen, ein statistisches Sachverständigengutachten einzuholen. Dem Kläger könne auch nicht gefolgt werden, soweit er bei einem Fallkostenvergleich eine Aufgliederung nach speziellen Leistungssparten verlange und in bezug auf Füllungen und Extraktionen eine statistische Vergleichsbetrachtung überhaupt nicht zulassen wolle. Es treffe auch nicht zu, daß das SG den Prüfungsgremien als Grenze für ein offensichtliches Mißverhältnis einen Überschreitungswert von 40 % vorgeschrieben habe. Schließlich unterliege es dem Beurteilungsspielraum der Prüfungsgremien, ob eine "anlaufende Praxis" bei der Ermittlung der statistischen Überschreitung oder bei der Ermittlung des Kürzungsbetrages zu berücksichtigen sei.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es sei unzulässig, lediglich die Gesamtfallkosten zu vergleichen (BSG vom 18. Mai 1983 - 6 RKa 18/80 -). Zwar gliedere sich die für die Kassenzahnärzte geltende Gebührenordnung - Bewertungsmaßstab für die kassenzahnärztlichen Leistungen (Bema) - bereits in 5 Teile. Jedoch entspreche insbesondere Teil 1 des Bema, der die konservierenden, die chirurgischen und die Röntgen-Leistungen enthalte, nicht den an eine engere Leistungssparte zu stellenden Anforderungen. Es gebe Zahnarztpraxen mit konservierendem Schwergewicht und solche mit chirurgischem Schwergewicht. Es müßten getrennte Leistungssparten mindestens für die Röntgen-, die konservierenden und die chirurgischen Leistungen und zusätzlich bei den beiden letzten Leistungen je getrennte Leistungssparten für Diagnostik und Therapie gebildet werden. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Schwelle zum offensichtlichen Mißverhältnis beginne bereits bei Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts von "etwa 40 bis 50 %" - was 38 und 39 % einschließe -, widerspreche der Rechtsprechung des BSG. Dem lasse sich aus mehreren Gründen nicht entgegenhalten, den Prüfungsgremien stehe aufgrund ihres Erfahrungswissens auch bei der Festlegung der Grenzen ein Beurteilungsspielraum zu. Das zurückverweisende Gericht müsse den Prüfungsgremien mitgeben, nach welchen Grundsätzen die Grenze festzusetzen sei. Ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen dem Fallkostendurchschnitt des geprüften Arztes und dem der Vergleichsgruppe liefere auch abgesehen von Praxisbesonderheiten und Einsparungen nicht in jedem Fall den Beweis des ersten Anscheins für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise. Eine solche Beweisbedeutung müsse vielmehr bei stark inhomogenen, also stark streuenden Vergleichsgruppen verneint werden. Der Beweiswert lasse sich erst beurteilen, wenn man die Streuung kenne. Darin liege ein Korrektiv, dessen Notwendigkeit sich daraus ergebe, daß beim sogenannten Verfahren des arithmetischen Mittels die Streuung innerhalb der Vergleichsgruppe die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis nicht beeinflusse. Die Streuungsverhältnisse als statistische Kenndaten der Vergleichsgruppe dienten auch dazu, typische und nicht typische Strukturen erkennen zu können. Sie seien ferner von Bedeutung für die Entscheidung über die Höhe des rechtswidrig verursachten Mehraufwands, gegebenenfalls für die Ermessensentscheidung über die Höhe des Kürzungsbetrages. Standardabweichung und Variabilitäts-Koeffizient gehörten zu den statistischen Kenndaten, die in der Begründung eines Honorarkürzungsbescheides angegeben werden müßten. Da erfahrungsgemäß die Streuung bei den einzelnen Leistungsgruppen und Gebührenziffern stark unterschiedlich sei, müßten die beiden Kenndaten auch in diesen Bereichen Berücksichtigung finden. Mit Hilfe der vorhandenen EDV-Anlagen sei dies leicht möglich. Bei den Füllungen und Extraktionen sei die statistische Vergleichsmethode nur eingeschränkt anwendbar. Die Zahl dieser Leistungen hänge in erster Linie vom Patientengut ab. Die Notwendigkeit der Leistungen lasse sich nachträglich überprüfen (anhand der vor Behandlungsbeginn gefertigten Röntgenaufnahmen). Die anlaufende Praxis müsse methodisch als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden. Eine neueröffnete Praxis habe in der Regel nur Neu-Patienten, bei denen der Zahnarzt nicht auf frühere diagnostische Erkenntnisse zurückgreifen könne und die vielfach einen erhöhten Behandlungsbedarf hätten. Nur soweit der erhöhte Aufwand auf die Unerfahrenheit des Arztes zurückzuführen sei, handele es sich um einen subjektiven Umstand, der bei den Ermessenserwägungen berücksichtigt werden könne. Schließlich habe das LSG gegen § 103 SGG verstoßen, weil es dem Beweisantrag auf Einholung eines statistischen Sachverständigengutachtens ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 25. September 1985 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Februar 1985 dahin abzuändern, daß die Prüfbehörden bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten haben, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 4) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Von diesen Beteiligten wird eingewandt: Eine Beschwer des Klägers sei zu verneinen, denn selbst wenn man die Streuung in der Fachgruppe der Zahnärzte berücksichtigen wollte, müßte in Anbetracht der exorbitanten Überschreitungen des Klägers von der Vermutung der Unwirtschaftlichkeit ausgegangen werden; der Kläger könne daher nicht mehr erreichen, als das SG zugesprochen habe, nämlich eine neuerliche Betrachtung der geltend gemachten Praxisbesonderheiten. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe zugunsten einer Verfeinerung des arithmetischen Mittelwertverfahrens durch die Gauß'sche Normalverteilung erweise sich als insgesamt nicht stichhaltig. Die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit sei keine Frage der statistischen Methode, sondern eine Wertungsfrage (Beurteilungsspielraum, Erfahrungswissen!). Die Grenzwertdefinition bei 50 % über dem Fachgruppendurchschnitt erfasse eine ausreichende Bandbreite des ärztlichen Behandlungsverhaltens; eine breitere Streuung bei Einzelpositionen liege in der Natur der Sache. Bei einer Vergleichsgruppe wie hier (ca 1.500 Zahnärzte) mit im wesentlichen identischem Leistungsinhalt werde der Vielzahl der möglichen Behandlungsschwerpunkte voll Rechnung getragen. Die Berücksichtigung der Streuung nach der Methode der Gauß'schen Normalverteilung habe lediglich den Effekt, daß die Schwelle der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit bei einer stark streuenden Fachgruppe hinausgeschoben werde; insofern bestehe aber auch eine Einschätzungsprärogative der fachkundigen Prüfungsinstanzen, die den Grenzwert festzulegen hätten. Dem Merkmal der Streuung werde zudem beim arithmetischen Mittelwertverfahren durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen. Die gerichtlichen Vorinstanzen hätten zu Recht einen Vergleich der Gesamtfallkosten als zulässig angesehen. Eine Verpflichtung zur Leistungsdifferenzierung komme nur dort in Betracht, wo eine homogene Fachgruppe mit einem typischen Leistungsspektrum nicht existiere. Bei den Zahnärzten handele es sich dagegen um eine extrem homogene Fachgruppe. Jeder verantwortungsbewußte und lege artis behandelnde Zahnarzt werde einen erhaltungsfähigen und erhaltungswürdigen Zahn zu erhalten versuchen. Geringe Differenzen in den Auffassungen hierüber (Grenzbereich wissenschaftlicher Auffassungen der einen oder anderen Richtung) wirke sich in der Gesamtheit der Abrechnung der ca 1.500 Zahnärzte nicht aus. Auch Diagnose und Therapie gehörten untrennbar zusammen. Letztlich erscheine ein Gesamtvergleich auch im Interesse des Arztes gerechter als ein Einzelleistungsvergleich. Die Einwendungen des Klägers gegen die vom SG dargelegte Grenze des offensichtlichen Mißverhältnisses, gegen die Einbeziehung der Füllungen und Extraktionen in die Vergleichsbetrachtung und gegen die methodische Berücksichtigung der Besonderheit einer anlaufenden Praxis im Rahmen der Festsetzung des Kürzungsbetrages seien ebenfalls ungerechtfertigt.

Die Beigeladene zu 5) hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist die Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwer gegeben. Mit der Zurückweisung der Berufung bestätigt das LSG das Urteil des SG, durch das dem Beklagten für die neu zu treffende Entscheidung ein bestimmter Rahmen vorgegeben wird. Das SG hat den statistischen Fallkostenvergleich, wie er vom Beklagten zugrunde gelegt worden ist, als rechtlich unbedenklich angesehen und dem Beklagten lediglich aufgegeben, sich mit den geltend gemachten Praxisbesonderheiten auseinanderzusetzen. Im Instanzenzug verfolgt der Kläger vor allem das Ziel, den Entscheidungsrahmen insofern zu seinen Gunsten zu verändern, als dem Beklagten auch aufgegeben werden soll, ein differenzierteres Vergleichsverfahren anzuwenden. Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Prozeßziel nicht erreicht. Die für ihn nachteiligen Folgen ergeben sich zwar erst aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils. Die Gründe sind jedoch zur Auslegung des Urteilsausspruchs heranzuziehen. Bei der hier erfolgten Verurteilung der Verwaltung zur Erteilung eines neuen Bescheides "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts" bestimmen die das Urteil tragenden Gründe den Umfang und die Grenzen der Rechtskraftwirkung (BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 SGG Nr 4 mwN). Die Beschwer entfällt auch nicht deshalb, weil die Behandlungsweise des Klägers, wie von der Gegenseite eingewandt wird, auf alle Fälle, auch bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers, als unwirtschaftlich beurteilt werden müßte. Der vom SG vorgegebene Entscheidungsrahmen kann jedenfalls für die Entscheidung über den Umfang des unwirtschaftlichen Mehraufwands und über die Höhe des Kürzungsbetrages von Bedeutung sein.

Die Revision ist jedoch unbegründet. Die Rechtsansichten des SG, die dem Beklagten zur Beachtung aufgegeben worden sind, schränken die Rechtsposition des Klägers nicht in rechtswidriger Weise ein. Sie erlauben dem Beklagten eine dem Recht gemäße Entscheidung.

Die Vorinstanzen billigen zu Recht das Vorgehen des Beklagten, die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers mit einer Gegenüberstellung seiner durchschnittlichen Fallkosten und den durchschnittlichen Fallkosten aller Zahnärzte des KZÄV-Bezirks zu beginnen und bei dem dabei festgestellten offensichtlichen Mißverhältnis von der Vermutung der Unwirtschaftlichkeit auszugehen. Die Zulässigkeit eines solchen statistischen Kostenvergleichs hat der Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht, sie wird auch vom Kläger grundsätzlich nicht bestritten. Er beanstandet aber, der von dem Beklagten angewandte und von den Vorinstanzen gebilligte Kostenvergleich berücksichtige nicht ausreichend die Erkenntnisse der statistischen Wissenschaft. Aus der statistischen Bedeutung der Streuungsverhältnisse leitet er die Forderung ab, den Prüfungsgremien vorzuschreiben, die Standardabweichung und den Variabilitäts-Koeffizienten der Vergleichsgruppe (alle Zahnärzte des KZÄV-Bezirkes) festzustellen und in der Begründung des Honorarkürzungsbescheides anzugeben. Damit macht er geltend, daß als Maßstab für die statistische Prüfung der arithmetische Durchschnitt der Vergleichsgruppe nicht genüge oder aber erst nach vorheriger Klärung der Streuungsverhältnisse in Betracht komme. Mit diesem in Rechtsprechung und Schrifttum schon wiederholt erhobenen Einwand wird vielfach die Forderung verbunden, es müsse die - auf dem arithmetischen Durchschnitt der Arztgruppe weiter aufbauende - sogenannte Gauß'sche Normalverteilung Anwendung finden. Der Senat, der sich bereits mit dieser Frage befaßt hat, kann auch nach Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Argumente nicht erkennen, daß die den Prüfungsgremien übertragene Wirtschaftlichkeitsprüfung, die nur zu einem Teil in einem statistischen Kostenvergleich besteht, ausschließlich bei Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung zu einem rechtlich vertretbaren Ergebnis führen kann. Der Senat sieht sich daher auch jetzt nicht in der Lage, die Anwendung der Gauß'schen Normalverteilung vorzuschreiben (vgl Urteile des Senats vom 22. Mai 1984 - 6 RKa 21/82 - SozR 2200 § 368n RVO Nr 31 und vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 17/82 - Arztrecht 1985, 40). Desgleichen hält es der Senat nicht generell für erforderlich, die Eignung der zum Vergleich herangezogenen Arztgruppe durch die Feststellung der Standardabweichung und des Variabilitäts-Koeffizienten nachzuweisen.

Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, daß statistische Kenndaten wie Standardabweichung und Variabilitäts-Koeffizient einen genaueren Aufschluß über das tatsächliche Behandlungsverhalten innerhalb einer Arztgruppe geben können. Daraus folgt jedoch nicht, daß diese Kenndaten zu einer gerechteren Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes führen müssen. Die tatsächlichen ("Ist"-) Verhältnisse einer Arztgruppe haben keinen absoluten Aussagewert für das rechtliche ("Soll"-) Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise. Zwar rechtfertigt auch der Senat die Zulässigkeit eines statistischen Vergleichs als einen ersten Abschnitt der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit Annahmen, die sich auf tatsächliche Verhältnisse innerhalb der jeweiligen Arztgruppe beziehen. Er unterstellt, daß die Ärzte im allgemeinen das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten und folgert daraus, daß der durchschnittliche Behandlungsaufwand einer Arztgruppe jedenfalls zunächst ein geeigneter Maßstab für die Wirtschaftlichkeitsprüfung eines Angehörigen dieser Arztgruppe ist. Die aus dem statistischen Kostenvergleich sich ergebende Aussage gilt jedoch nur, soweit das weitere Prüfungsverfahren zu keinem davon abweichenden Ergebnis führt. Letztlich ist entscheidend, welcher Behandlungsaufwand medizinisch veranlaßt war. Die Streuungsverhältnisse innerhalb einer Arztgruppe können von recht unterschiedlichen Verhaltensweisen beeinflußt werden und sind deshalb nur bedingt geeignet, einen Maßstab der Wirtschaftlichkeitsprüfung mitzubestimmen. Nach der Gauß'schen Normalverteilung ergibt sich für den Idealfall der Streuungsverhältnisse die Wahrscheinlichkeit, daß zwischen den einfachen Streubreiten - Streuungsmaß plus/minus 100 - rund 68 % der Ereignisse und zwischen den doppelten Streubreiten - Streuungsmaß plus/minus 200 - rund 95 % der Ereignisse gefunden werden (vgl Kalthoff, Berliner Ärzteblatt 1971, 102). Für alle Praxen, die mit ihren Fallwerten jenseits der festzusetzenden "Streubreitengrenzen" liegen, besteht die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit selbst dann, wenn ihre jeweiligen Fallwerte (durchschnittlichen Fallkosten) den Fachgruppendurchschnitt nur unerheblich überschreiten (bei einer sehr geringen Streubreite einer Arztgruppe, also bei einer starken Konzentration der Praxen um den Fachgruppendurchschnitt). Ein Toleranzbereich, wie er bei den auf den arithmetischen Fachgruppendurchschnitt beschränkten Kostenvergleich durch die Festsetzung der Grenzen zum offensichtlichen Mißverhältnis zugestanden wird, wäre hier nicht gegeben. Dieses wenig befriedigende Ergebnis zeigt, daß eine genauere statistische Erfassung des Behandlungsverhaltens der Fachgruppe auch zu einer Einengung der Behandlungsfreiheit des einzelnen Arztes führen kann, die wiederum nach einem Korrektiv außerhalb des statistischen Vergleichs verlangt. Im anderen Fall, also bei einer sehr weiten Streubreite, ist bereits die Eignung der Vergleichsgruppe in Frage gestellt. Jedenfalls wäre es ebenfalls unbefriedigend, den Ärzten einer solchen Gruppe von vornherein einen hinsichtlich des Behandlungsumfangs sehr weiten Toleranzbereich einzuräumen; es wäre vielmehr auch hier die Überprüfung geboten, ob ein so weiter Toleranzbereich aus medizinisch-ärztlichen Gründen gerechtfertigt ist. In Anbetracht der Grenzen, die dem statistischen Kostenvergleich im Rahmen der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung gesetzt sind und der Bedeutung, die den von der Statistik nicht erfaßten medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten zukommt, kann es der Senat nicht als rechtswidrig ansehen, wenn sich die Prüfungsgremien beim statistischen Vergleich mit einem gröberen Raster zufrieden geben und den Besonderheiten einer Arztpraxis oder einer - nicht bereits als selbständige Vergleichsgruppe berücksichtigten - Arztgruppe in einem an den statistischen Vergleich sich anschließenden Prüfungsabschnitt nachgehen (s oa Urteile des Senats).

Die statistischen Kenndaten, deren Berücksichtigung der Kläger verlangt, müssen auch nicht aus anderen Gründen festgestellt werden. Sie haben zwar einen gewissen Aussagewert für die Frage, ob eine Arztgruppe als Vergleichsgruppe geeignet ist. Zur Beantwortung dieser Frage sind die Prüfungsgremien jedoch in der Regel nicht auf diese statistischen Kenndaten angewiesen. Zunächst bietet sich an, von den fachlichen Differenzierungen des ärztlichen Berufsrechts auszugehen (vgl § 2 der Muster-Weiterbildungsordnung des Deutschen Ärztetages - WBO -, Deutsches Ärzteblatt 1985, 1018). Die den Gebietsärzten auferlegte Fachgebietsbeschränkung (§ 17 WBO) läßt den Schluß zu, daß die Angehörigen der jeweiligen Arztgruppe die gleichen Krankenbehandlungen durchführen und damit auch den gleichen Behandlungsaufwand benötigen. Das gilt ebenso für die praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin, für die die Fachgebietsbeschränkung nicht gilt, deren Tätigkeitsfeld aber gerade aufgrund ihres umfassenden primärärztlichen Versorgungsauftrags weitgehend übereinstimmt. Da die Therapiefreiheit den Arzt im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nicht berechtigt, aufwendigere Mittel als zur Erzielung des Heilerfolgs notwendig einzusetzen, ist jedenfalls hinsichtlich des Gesamtfallwerts grundsätzlich von einer Vergleichbarkeit des Kassenarztes mit seiner Gebietsgruppe auszugehen. Es können allerdings Umstände hinzukommen, die es zweckmäßig oder sogar geboten erscheinen lassen, eine weitere Aufgliederung in engere Vergleichsgruppen vorzunehmen. Aber auch hierfür sind medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte maßgebend (zB Spezialisierung eines Gebietsarztes in einem Teilgebiet bzw Bereich - § 2 WBO - oder die unterschiedlichen Betätigungen der Internisten entweder überwiegend primärärztlich oder überwiegend im Rahmen eines begrenzten Überweisungsauftrags). Für die Bildung solcher Untergruppen werden in der Regel die berufsrechtlichen Anerkennungen, die Behandlungsausweise (Krankenscheine und Überweisungsscheine) und die aufgrund der von den Kassenärzten vorgelegten Abrechnungen erstellten Häufigkeitsstatistiken ausreichend Aufschluß geben.

Bei dem statistischen Kostenvergleich, der sich auf den arithmetischen Fachgruppendurchschnitt beschränkt, wird den Prüfungsgremien für die Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis nur ein geringer Spielraum bleiben, so daß auch hierfür die vom Kläger genannten statistischen Kenndaten kaum Bedeutung erlangen. Ist eine Arztgruppe nicht hinreichend homogen (zB wenn die Ärzte eines Fachgebietes überwiegend in Teilgebieten tätig sind, welche hinsichtlich des medizinisch notwendigen Leistungsaufwandes erheblich voneinander abweichen), wird bereits die Eignung als Vergleichsgruppe fehlen und eine Aufgliederung in Untergruppen unumgänglich sein. Bei homogenen Arztgruppen sind erhebliche Abweichungen bei der üblichen Grenzziehung zum offensichtlichen Mißverhältnis nicht veranlaßt.

Die notwendige Berücksichtigung der relevanten medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkte und Umstände hat der Gesetzgeber dadurch ermöglicht, daß er die kassenärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung selbständigen Ausschüssen übertragen hat, denen neben den Vertretern der Krankenkassen in gleicher Zahl auch Vertreter der Kassenärzte angehören (§ 368n Abs 5 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Der Senat hat ua daraus gefolgert, daß den Prüfungsausschüssen sowohl in bezug auf Art und Weise der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts als auch bei dessen Bewertung Handlungs- und Beurteilungsspielräume zustehen und die Prüfungsbescheide daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 31 und Nr 38). Die Prüfungsausschüsse können deshalb im Rahmen des Gesetzes und der vertraglichen Vereinbarungen (§ 368n Abs 5 Satz 4 RVO) das ihnen geeignet erscheinende Prüfungsverfahren wählen. Ihre diesbezüglichen Maßnahmen und Entscheidungen sind hinzunehmen, soweit sie vertretbar sind.

Soweit die Vorinstanzen die Eignung der von dem Beklagten herangezogenen Vergleichsgruppe (alle - ca 1.500 - Zahnärzte des KZÄV-Bezirks) bestätigen, ist eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht zu erkennen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln könnte und deshalb Veranlassung bestünde, dem Beklagten eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben. Berücksichtigt man, daß es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, vgl § 10a des Bundesmantelvertrages - BMV-Zahnärzte; Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, vgl § 2 Abs 1 Nr 16 WBO), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist (s § 2 Abs 3 der Anlage 6 und § 2 Abs 3 der Anlage 12 zum BMV-Zahnärzte), so bleiben im wesentlichen, was hier unbestritten ist, lediglich die in Teil 1 des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges Behandlungsziel ist (Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenzahnärztliche Versorgung, Abschnitt B.II.3., Anlage zu § 14 BMV-Zahnärzte), kann angenommen werden, daß die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen Behandlungsbedarf zu befriedigen haben. Demgemäß ist die Behauptung des Klägers, es gebe Zahnarztpraxen mit konservierendem Schwergewicht und solche mit chirurgischem Schwergewicht, nur insoweit als eine reale Einschätzung der Gegebenheiten in Betracht zu ziehen, als die Möglichkeit eines unterschiedlichen Behandlungsverhaltens in Grenzfällen besteht, also wenn die Zweckmäßigkeit der Erhaltung des Zahnes fraglich ist. Solche Grenzfälle beeinflussen jedoch die aus ca 1.500 Zahnarztpraxen ermittelten Durchschnittsfallkosten nicht erheblich.

Das LSG hat zutreffend begründet, warum der Kläger mit seinem Begehren, den Beklagten zu einem nach Leistungssparten getrennten statistischen Vergleich zu verpflichten, keine Erfolg haben kann. Soweit allerdings die Begründung des erstinstanzlichen Urteils den Eindruck erweckt, der Senat habe seine zu dieser Frage für den kassenärztlichen Bereich geäußerte Auffassung später nicht mehr aufrechterhalten, bedarf es einer Klarstellung. Der Senat hält daran fest, daß eine Gegenüberstellung der Fallkosten in Leistungssparten und Leistungsarten die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu verbessern vermag und deshalb von dieser Möglichkeit, soweit ein weiterer Aufschluß erwartet werden kann, Gebrauch zu machen ist (vgl SozR 2200 § 368n RVO Nr 19; BSGE 55, 110 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 27). Damit ist aber andererseits nicht gemeint, daß es auf den Gesamtfallwert nicht ankommt, spiegelt sich doch gerade in diesem die Wirtschaftlichkeit des Arztes in bezug auf die gesamte Behandlung eines Falles wider. Die vom Senat für den kassenärztlichen Bereich aufgestellten Grundsätze sind auf den kassenzahnärztlichen Bereich nur bedingt übertragbar. Die besonderen Verhältnisse in der kassenzahnärztlichen Versorgung - vor allem die weitgehende Übereinstimmung des Leistungsspektrums und die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf einen relativ eng begrenzten Leistungsbereich - lassen es in der Regel als ausreichend erscheinen, beim statistischen Fallkostenvergleich lediglich auf die Gesamtfallkosten abzustellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob beim Vorliegen besonderer Umstände auch in der kassenzahnärztlichen Versorgung ein Sparten- und Leistungsvergleich unentbehrlich ist. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, daß die von ihm gewünschte Differenzierung nach konservierenden und chirurgischen Leistungen sowie nach diagnostischen und therapeutischen Leistungen an der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise etwas ändern könnte. Die hohen Überschreitungen des Klägers bei den Gesamtfallkosten, die weit über der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis liegen, lassen sich auch dann nicht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Einklang bringen, wenn die Überschreitungen bei den konservierenden, den chirurgischen und den Röntgenleistungen unterschiedlich hoch sind. Allerdings ist den Prüfungsgremien bzw der KZÄV auch in diesen Fällen anzuraten, den Zahnarzt darüber zu informieren, bei welchen Leistungen die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise besonders auffällig ist. Die Verpflichtung der KZÄV, die Kassenzahnärzte zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten anzuhalten (§ 368n Abs 2 Satz 1 RVO), umfaßt auch die erforderlichen Hinweise und Belehrungen, die zu einer wirtschaftlichen Behandlungsweise beitragen können (vgl § 5 Abs 3 der Verfahrensordnung, Anlage 4 zum BMV-Zahnärzte).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der statistische Kostenvergleich, der sowieso nur die konservierenden, chirurgischen und Röntgenleistungen umfaßt, nicht noch dadurch weiter zu beschränken, daß die Füllungen und Extraktionen unberücksichtigt bleiben. Die vom Kläger insoweit verlangte Einzelfallprüfung (anhand vorliegender Röntgenaufnahmen) würde dem statistischen Vergleich die Bedeutung nehmen, die seine Anwendung rechtfertigt (vgl hierzu SozR 2200 § 368n RVO Nr 31 S 99). Zudem kann nicht angenommen werden, daß bei allen Füllungs- und Extraktionsbehandlungen Röntgenaufnahmen erforderlich sind. Soweit der Kläger glaubt, daß bei ihm besondere Umstände einen erhöhten Bedarf an Füllungen und Extraktionen je Behandlungsfall ergeben, so bleibt ihm die Möglichkeit, diese Umstände als Praxisbesonderheiten geltend zu machen.

Ebenfalls unbegründet sind die Einwendungen des Klägers, die sich dagegen richten, daß das SG unter Berufung auf die Rechtsprechung des Senats bereits bei Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um etwa 40 bis 50 % die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zuläßt. Abgesehen davon, daß das SG für den vorliegenden Fall keinen Grenzwert bestimmt hat, kann seiner Aussage nicht widersprochen werden. Zwar hat der Senat in letzter Zeit wiederholt sich dahingehend geäußert, es könne im allgemeinen nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die Prüfungsgremien aufgrund ihres Erfahrungswissens die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung um 50 % ziehen. Er hat aber gleichzeitig darauf hingewiesen, die unterschiedliche Homogenität von Fachgruppen könne Abweichungen rechtfertigen. Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, wäre es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen. Andererseits ließe es ein weites Leistungsspektrum zu, die Grenze bei einem Überschreitungswert von 60 % zu ziehen. Im übrigen gilt aber, was bereits oben gesagt worden ist, daß den Prüfungsgremien jedenfalls beim Vergleich der Gesamtfallkosten für die Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis kein großer Spielraum bleibt; denn eine Fachgruppe, bei der wegen unterschiedlicher Behandlungsausrichtungen ein größerer Toleranzbereich zugestanden werden müßte, dürfte kaum als gemeinsame Vergleichsgruppe geeignet sein. Dagegen liegt es nahe, bei einem Vergleich von Leistungssparten und Leistungsarten auch höhere Grenzwerte in Betracht zu ziehen; denn werden innerhalb einer Fachgruppe, die für die Behandlung gleicher Krankheiten zuständig ist, in den einzelnen Praxen verschiedene Methoden angewandt, so sollte dadurch zwar nicht der Gesamtfallwert wesentlich beeinflußt werden, gegen eine unterschiedliche Inanspruchnahme von Leistungssparten und Leistungsarten bestünden jedoch keine Bedenken.

Hinsichtlich der geltend gemachten Praxisbesonderheiten hat das SG dem Beklagten keine Rechtsansichten zur Beachtung aufgegeben. Die vagen Ausführungen des SG zur Besonderheit der anlaufenden Praxis könne nicht als eine bindende Aussage dahingehend verstanden werden, es sei den Prüfungsgremien überlassen, ob sie diesen Umstand bereits bei der Schätzung des Umfangs des unwirtschaftlichen Mehrbedarfs oder erst bei der Ermessensentscheidung über die Höhe des Kürzungsbetrages berücksichtigen. Unrichtig ist allerdings die dazu vom LSG geäußerte Auffassung, nach der es dem Beurteilungsspielraum der Beklagten unterliege, in welchem Abschnitt der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Besonderheit der anlaufenden Praxis berücksichtigt wird. Es ist vielmehr zu unterscheiden, ob der Kläger mit dieser Besonderheit einen erhöhten Behandlungsbedarf rechtfertigen will (zB weil ausschließlich neue Patienten behandelt worden seien und diese einen höheren Aufwand bedingt hätten) oder ob er sich auf in seiner Person begründete Anfangsschwierigkeiten beruft. Im ersteren Fall ist das Vorbringen bei der Schätzung des unwirtschaftlichen Mehrbedarfs zu berücksichtigen, im letzteren Fall bei der Ermessensentscheidung über die Höhe des Kürzungsbetrages (vgl Urteil des Senats vom 11. Juni 1986 - 6 RKa 2/85 - SozR 2200 § 368n RVO Nr 44).

Die Honorarkürzung kann, wenn die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise dem Grunde nach festgestellt ist, auch den Bereich unterhalb der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis erfassen (BSGE 46, 136 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 14). Sie muß sich aber im Rahmen des unwirtschaftlichen Mehraufwands halten. Beruht die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit auf einem statistischen Vergleich, so wird dem Arzt jedenfalls grundsätzlich die normale Abweichung seiner Arztgruppe zu belassen sein. Aber auch eine Kürzung bis auf die Grenze zur normalen Abweichung bedarf einer besonderen Begründung.

Schließlich kann auch die Rüge des Klägers, das LSG habe gegen § 103 SGG verstoßen, der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Die beantragte Einholung eines statistischen Sachverständigengutachtens war und ist nicht geboten. Die vom Kläger vorgetragenen Erkenntnisse der statistischen Wissenschaft können als zutreffend unterstellt werden. In Anbetracht der begrenzten Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Kassenarztes anhand statistischer Daten der Fachgruppe abschließend zu beurteilen, kommt es, wie oben dargelegt, auf eine "Verfeinerung" des statistischen Vergleichsverfahrens in dem vom Kläger geforderten Sinne nicht entscheidend an.

Die Revision ist aus diesen Gründen zurückzuweisen.

Der Urteilsausspruch des SG ist nur insofern richtigzustellen, als die neue Verwaltungsentscheidung nicht (auch) vom Prüfungsausschuß, sondern (ausschließlich) vom beklagten Beschwerdeausschuß zu treffen ist. Der Prüfungsausschuß ist nicht am Streitverfahren beteiligt und kann daher nicht verurteilt werden. Die verfahrensrechtlichen Bedenken, die das SG veranlaßt hat, neben dem Beklagten auch den Prüfungsausschuß zur Bescheiderteilung zu verpflichten, rechtfertigen den Urteilsausspruch insoweit nicht. Die kassenärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung wird in einem besonderen Verwaltungsverfahren durchgeführt, auf das die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere die das Vorverfahren betreffenden Vorschriften des SGG nur zum Teil Anwendung finden. Mit der Anrufung des Beschwerdeausschusses (§ 368n Abs 5 Satz 5 RVO) wird dieser für die umstrittene Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich zuständig. Er behält diese Zuständigkeit bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens. Daran hat sich im vorliegenden Fall nichts dadurch geändert, daß durch das erste Urteil des SG vom 24. August 1983, das den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet hat, auch der Bescheid des Prüfungsausschusses aufgehoben worden ist. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß ist nicht (nur) ein Vorverfahren iS des SGG, es ist vielmehr ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz. Die das Prüfungsverfahren abschließende Entscheidung wird vom Beschwerdeausschuß getroffen und von diesem allein im gerichtlichen Verfahren vertreten. Nur in bezug auf die Klagevoraussetzung des § 78 SGG gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß als Vorverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1664827

BSGE, 24

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