1 Allgemeines

Der Begriff "Bildungsurlaub" ist nicht einheitlich definiert. Im Allgemeinen verbirgt sich hinter dem Begriff "Bildungsurlaub" die vom Arbeitgeber bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit für die Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen. Dahinter steckt folgende Idee: In Anbetracht des fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels, der in seinen Auswirkungen nicht nur auf die Arbeits- und Berufssphäre beschränkt bleibt, sondern vielmehr auch Familie, Gesellschaft und Politik ergreift, liegt es im Interesse des Allgemeinwohls, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern.[1]

Vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen gewinnt vor allem die Freistellung für die berufliche Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist auch die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in den Fokus gerückt, welche dazu beitragen soll, Beschäftigte in ihrer Arbeit zu unterstützen[2].

Der Bildungsurlaub für die Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen ist nicht zu verwechseln mit der Teilnahme des Arbeitnehmers an vom Arbeitgeber organisierten Qualifizierungsmaßnahmen. Letztere sind insbesondere dadurch geprägt, dass der Arbeitgeber ein eigenes unmittelbares Interesse an der Durchführung der Maßnahme im Hinblick auf die zukünftige Verwendung des Arbeitnehmers hat.

[2] LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.11.2020, 3 Sa 97/19.

2 Rechtsgrundlagen

2.1 Bundesrecht

Die Bundesrepublik Deutschland hat 1976 das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 24.6.1974 über den bezahlten Bildungsurlaub (BGBl. II S. 1526) ratifiziert. Die das Übereinkommen ratifizierenden Mitgliedstaaten haben danach eine Politik festzulegen und durchzuführen, die notfalls schrittweise die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub fördert. Allerdings ist eine Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verpflichtung in eine abschließende bundesgesetzliche Regelung bislang nicht erfolgt. Bei den bestehenden bundesrechtlichen Vorschriften, die eine Freistellung und Entgeltfortzahlung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen regeln, handelt es sich um Normen, die sich an andere Adressaten richten oder andere Regelungsgegenstände als den allgemeinen Bildungsurlaub für alle Arbeitnehmer zum Inhalt haben. Hierzu zählen:

  • § 37 Abs. 6 und § 37 Abs. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

    • § 37 Abs. 6 BetrVG gewährt einen kollektiven Anspruch des Betriebsrats auf bezahlte Freistellung eines Betriebsratsmitglieds für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderliche Kenntnisse vermitteln.
    • § 37 Abs. 7 BetrVG gibt jedem einzelnen Betriebsratsmitglied einen zusätzlichen, individuellen Anspruch auf bezahlte Freistellung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes als geeignet anerkannt sind, ohne Rücksicht auf seinen konkreten Wissensstand.[1]

    Gemäß § 65 Abs. 1 BetrVG finden die §§ 37 Abs. 6 und 37 Abs. 7 BetrVG für die Jugend- und Auszubildendenvertretung entsprechende Anwendung.

  • § 54 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)

    Die Ansprüche von Mitgliedern des Personalrats auf Freistellung von der Arbeit für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen sind in § 54 BPersVG geregelt. § 54 Abs. 1 entspricht im Wesentlichen § 37 Abs. 6 BetrVG, § 454 Abs. 2 entspricht weitestgehend § 37 Abs. 7 BetrVG.

    Gemäß § 105 Satz 1 BPersVG findet § 54 BPersVG für die Jugend- und Auszubildendenvertretung entsprechende Anwendung.

  • § 179 Abs. 4 SGB IX (= § 96 Abs. 4 SGB IX a. F.)

    § 179 Abs. 4 SGB IX bestimmt, dass Vertrauenspersonen unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen freigestellt werden. Voraussetzung ist, dass dort Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind (Satz 3).

2.2 Landesrecht

Dadurch, dass der Bundesgesetzgeber das Recht der Arbeitnehmerweiterbildung bisher nicht abschließend geregelt hat, besitzen die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz, die Arbeitnehmerweiterbildung zu regeln (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 und Art. 74 Nr. 12 GG).[1] Von dieser Möglichkeit haben die Bundesländer – bis auf Bayern und Sachsen – wie folgt Gebrauch gemacht:

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge