Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung an Apothekenmitarbeiter

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

Revisionsrüge nach § 286 ZPO – Feststellung einer einzelvertraglichen Vereinbarung durch das Landesarbeitsgericht ohne Begründung.

 

Normenkette

Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter § 13a; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.01.1991; Aktenzeichen 2 Sa 1497/90)

ArbG Solingen (Urteil vom 20.09.1990; Aktenzeichen 2 Ca 452/89)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Januar 1991 – 2 Sa 1497/90 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung einer anteiligen Sonderzahlung für das Jahr 1989.

Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Apotheke betreibt, in der Zeit von Oktober 1987 bis zum 30. Juni 1989 als pharmazeutisch-technische Assistentin beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag war nicht geschlossen worden. Für den Beklagten bestand Tarifgebundenheit an den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV), der zwischen der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter im Bundesgebiet einschließlich Berlin-West e.V. und dem Bundesverband der Angestellten in Apotheken abgeschlossen worden ist. Die Klägerin war nicht Mitglied des Bundesverbandes. Eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Anwendung der tariflichen Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis hatten die Parteien nicht getroffen.

Die Klägerin erhielt zunächst ein Gehalt, das in etwa den Tarifgehältern entsprach. Zuletzt bezog sie 2.530,00 DM brutto entsprechend dem Tarifgehalt für das 6. bis 8. Berufsjahr. Der Beklagte gewährte ferner Urlaub nach den tariflichen Bestimmungen. Im November 1987 erhielt die Klägerin ein Weihnachtsgeld in Höhe von 481,50 DM brutto. Dieser Betrag wurde in der Gehaltsabrechnung mit der Bezeichnung „WEIHNG.MT” ausgewiesen. Im November 1988 bezog sie 2.264,00 DM brutto. Die Bezeichnung in der Gehaltsabrechnung lautete „WEIHNG.JT”. Ihr Gehalt betrug zu diesem Zeitpunkt 2.280,00 DM brutto.

In § 13 a BRTV ist eine tarifliche Sonderzahlung vorgesehen. Die Bestimmung hat u.a. folgenden Wortlaut:

㤠13 a Sonderzahlung

1. Jeder Mitarbeiter erhält jährlich eine Sonderzahlung in Höhe seines tariflichen Monatsverdienstes. Bei Änderungen der Gehaltshöhe im Laufe des Kalenderjahres ist der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen. Das gilt nicht für Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehaltes oder Einstufung in eine andere Berufsjahrgruppe. Für Pharmaziepraktikanten errechnet sich die Sonderzahlung aus dem Durchschnitt der während des Ausbildungsverhältnisses tariflich vorgesehenen Ausbildungsvergütung.

2. Dem Apothekenleiter bleibt die Festsetzung des Auszahlungszeitpunktes einschließlich Auszahlung in Teilbeträgen vorbehalten. Die Auszahlung erfolgt jedoch spätestens bis zum Ende der ersten Dezemberwoche des Jahres, für das die Sonderzahlung gilt.

3. Den vollen Betrag gemäß Ziff. 1 erhalten alle Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt mindestens seit 12 Monaten bestand. Bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit im Auszahlungszeitpunkt besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als 3 Monate besteht, haben keinen Anspruch auf die Sonderzahlung. Hat ein Mitarbeiter Erziehungsurlaub (§§ 15, 16 BErzGG) bzw. Freistellung nach dem Wochenurlaub (§ 246 AGB) erhalten, ermäßigt sich die Sonderzahlung um 1/12 für jeden vollen Monat des genommenen Urlaubs. Der Anspruch verringert sich ferner zeitanteilig für die Dauer eines unbezahlten Urlaubs sowie für krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die gemäß § 7 Gehaltsfortzahlung nicht zu leisten ist. Ausscheidende Mitarbeiter haben Anspruch auf ein Zwölftel des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahres. In Abweichung von Ziff. 2 ist die Zahlung mit dem letzten Gehalt zu leisten. Soweit ein ausscheidender Mitarbeiter zuviel erhalten hat, ist er zur Rückzahlung verpflichtet.”

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe für das Jahr 1989 eine anteilige Sonderzahlung für sechs Beschäftigungsmonate nach § 13 Nr. 3 Satz 6 BRTV zu. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sonderzahlung im November 1989 sei nicht Voraussetzung für den Anspruch. Die Geltung der tariflichen Bestimmungen ergebe sich daraus, daß der Beklagte sich bei der Gehaltszahlung, der Gewährung der Sonderzahlung und der Urlaubsgewährung stets nach dem BRTV gerichtet habe. Die Klägerin hat ihren Anspruch mit Schreiben vom 30. August 1989 geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.265,00 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, der Klägerin stehe ein Anspruch auf eine Sonderzahlung nicht zu. Die Anwendung der tariflichen Bestimmungen sei weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart worden. Er habe sich bei seinen Zahlungen und der Urlaubsgewährung lediglich am BRTV orientiert. Dagegen sei eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden auch nach Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden beibehalten worden. Eine Verpflichtung zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes habe nicht bestanden. Voraussetzung für das von ihm jeweils im November freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld sei außerdem das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 10. April 1990 der Klage stattgegeben. Mit Urteil vom 20. September 1990 hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes aufgrund einzelvertraglicher Abrede zu. Der Beklagte habe der Klägerin in den Jahren 1987 und 1988 ein Weihnachtsgeld gezahlt und die Zahlung an keinerlei Bedingungen geknüpft. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei insbesondere nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht worden. Deshalb handele es sich um eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugszeitraum geleistete Arbeit. Da der Anspruch aufgrund einzelvertraglicher Abrede begründet sei, komme es nicht darauf an, ob der BRTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden sei.

II. Mit dieser Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben.

1. Das Landesarbeitsgericht führt aus, der Anspruch auf die Sonderzahlung stehe der Klägerin aufgrund einer einzelvertraglichen Abrede zu. Darin liegt die Tatsachenfeststellung, daß die Parteien den Willen gehabt haben, eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung einer Sonderzahlung für das Jahr 1989 zu begründen. An diese Tatsachenfeststellung ist das Revisionsgericht jedoch nicht gebunden, da sie vom Beklagten durch eine formelle Revisionsrüge nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO erfolgreich angegriffen wird (vgl. BAG Urteil vom 16. Mai 1964 – 5 AZR 534/63 – AP Nr. 1 zu § 157 BGB; Urteil vom 19. November 1965 – 3 AZR 182/65 – AP Nr. 29 zu § 133 BGB).

a) Der Beklagte rügt, das Landesarbeitsgericht habe ohne Begründung angenommen, daß eine einzelvertragliche Abrede über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes bestanden habe. Diese Rüge ist ordnungsgemäß nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO erhoben worden. Zwar wird die verletzte Verfahrensnorm vom Beklagten nicht ausdrücklich bezeichnet. Aus den Ausführungen in der Revisionsbegründung ergibt sich jedoch eindeutig die Rüge des Beklagten, daß das Landesarbeitsgericht seine Feststellung, es habe eine einzelvertragliche Abrede bestanden, nicht begründet und außerdem den Vortrag der Parteien übergangen habe, daß keine konkreten Vereinbarungen über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes getroffen worden seien. Damit hat der Beklagte ausreichend Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine Verletzung des § 286 ZPO ergeben kann.

Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter seine Überzeugung darüber, ob eine tatsächliche Behauptung wahr ist oder nicht, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme zu bilden. Daraus folgt die Pflicht des Tatrichters sich in den Entscheidungsgründen mit dem Parteivortrag und dem Ergebnis einer eventuellen Beweisaufnahme auseinanderzusetzen, weil sich nur so ergibt, ob § 286 ZPO verletzt ist (BAGE 7, 51, 62 = AP Nr. 18 zu § 3 KSchG, zu B 3 b der Gründe). Dabei beschränkt sich die Überprüfung eines Verstoßes gegen § 286 ZPO durch das Revisionsgericht darauf, ob der gesamte Inhalt der Verhandlung berücksichtigt worden ist, ob eine Würdigung aller erhobenen Beweise stattgefunden hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 146/82 – AP Nr. 2 zu § 21 MTL II).

b) Diese Überprüfung führt zu dem Ergebnis, daß das Landesarbeitsgericht bei seiner Feststellung, zwischen den Parteien habe eine einzelvertragliche Abrede über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 1989 bestanden, die gesetzlichen Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO nicht gewahrt hat. Die Klägerin hat selbst eine solche einzelvertragliche Abrede über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes unabhängig von einer tariflichen Regelung nicht behauptet. Sie hat ihren Anspruch stets nur darauf gestützt, daß die tariflichen Bestimmungen als Vertragsrecht auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden seien. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt. Der Beklagte verweist mit Recht darauf, daß die Klägerin noch in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt habe, eine konkrete Vereinbarung über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes sei nicht getroffen worden. Wenn das Landesarbeitsgericht eine solche Vereinbarung aus anderen Umständen hätte entnehmen wollen, hätte es dies in den Entscheidungsgründen darlegen müssen. Daran fehlt es jedoch. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

2. Sollten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen dahingehend zu verstehen sein, ein einzelvertraglicher Anspruch auf das Weihnachtsgeld für das Jahr 1989 ergebe sich bereits aus den vorbehaltlosen Zahlungen in den Jahren 1987 und 1988 und damit aus einer betrieblichen Übung, so wäre dies ein Rechtsfehler, der ebenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich ein derartiger vertraglicher Anspruch regelmäßig erst nach dreimaliger vorbehaltloser Zahlung (BAG Urteil vom 6. März 1956 – 3 AZR 175/55 – AP Nr. 3 zu § 611 BGB Gratifikation).

3. Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, so daß die Sache an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die tariflichen Bestimmungen des BRTV als Vertragsrecht für das Arbeitsverhältnis galten. Dies wird es nachzuholen haben.

a) Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe Leistungen entsprechend den tariflichen Bestimmungen erbracht. Daraus ergebe sich, daß diese als Vertragsrecht Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden seien. Ihr Gehalt habe im wesentlichen dem jeweiligen Tarifgehalt entsprochen, Urlaub sei nach den tariflichen Bestimmungen gewährt worden und auch die Sonderzahlung sei entsprechend der tariflichen Regelung gewährt worden. Insbesondere sei gerade im Eintrittsjahr ein der Beschäftigungsdauer entsprechender anteiliger Betrag unter der Bezeichnung „WEIHNG.MT” und im Jahr 1988 dann ein volles Monatsgehalt unter der Bezeichnung „WEIHNG.JT” gezahlt worden.

Ob diese Umstände letztlich den Schluß rechtfertigen, daß der Beklagte die tariflichen Bestimmungen des BRTV zumindest im Hinblick auf die Gewährung der Sonderzahlung als Vertragsrecht auf das Arbeitsverhältnis anwenden wollte, obliegt der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts. Nach dem Sachvortrag der Klägerin besteht zumindest die rechtliche Möglichkeit einer arbeitsvertraglich vereinbarten Geltung der tariflichen Bestimmungen. Deshalb bedarf es insoweit weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

b) Sollte das Landesarbeitsgericht, gegebenenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien feststellen, daß die tariflichen Bestimmungen jedenfalls hinsichtlich der Gewährung einer Sonderzahlung als Vertragsrecht gelten sollten, ist der Anspruch begründet.

Nach dem Wortlaut des § 13 a Nr. 3 Satz 6 BRTV haben ausscheidende Mitarbeiter Anspruch auf 1/12 des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahres. Daraus folgt, daß der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Tage der Auszahlung, die der Beklagte im November eines jeden Jahres vorgenommen hat, nicht Voraussetzung des Anspruchs auf eine anteilige Sonderzahlung ist.

Dies wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag ist nach § 13 a Nr. 3 Satz 1 BRTV nur Voraussetzung für einen Anspruch auf den vollen Betrag der Sonderzahlung und nach § 13 a Nr. 3 Satz 2 BRTV Voraussetzung für einen Anspruch auf anteilige Zahlung für Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis erst im Bezugszeitraum begründet worden ist. Diese Voraussetzung gilt für im Bezugszeitraum ausscheidende Mitarbeiter hingegen nicht.

III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Plenge, Hannig

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916087

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