Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersübergang und Zusatzrente aus der Anordnung 54

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu – 3 AZR 72/97

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anl. II Kap. VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 4; Einigungsvertrag Anl. I Kap. VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 16; Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (Anordnung 54) § 3; Einigungsvertrag Art. 30 Abs. 2; AFG §§ 105 c, 249e

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 24.11.1995; Aktenzeichen 3 Sa 337/95)

ArbG Dresden (Urteil vom 10.02.1995; Aktenzeichen 11 Ca 641/93)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. November 1995 – 3 Sa 337/95 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger Rechte aus der Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (Anordnung 54) erworben hat, oder ob ihm zumindest ein Anspruch auf Auszahlung einer wegen seines möglichen Versorgungsanspruchs gebildeten Rückstellung zusteht.

Der im Jahre 1935 geborene Kläger war seit dem 13. Juli 1960 beim volkseigenen Betrieb „O” Starkstromanlagenbau D beschäftigt. Dieser Betrieb fiel in den Geltungsbereich der Anordnung 54. Mit Schreiben vom 31. Juli 1989 wurde der Kläger von seinem Betrieb darüber informiert, daß nach Prüfung seiner Unterlagen „und unter der Voraussetzung einer ununterbrochenen Beschäftigung bis zum Rentenalter in unserem Betrieb ein personengebundener Anspruch auf die Zusatzrente” nach der Anordnung 54 bestehe.

§ 3 Anordnung 54 lautet:

„Der Anspruch auf Zusatzrente besteht, wenn Arbeiter oder Angestellte

  1. noch beschäftigt oder aus einem dieser Betriebe wegen Invalidität oder Überschreitung der Altersgrenze ausgeschieden sind und
  2. eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer in diesem Betrieb und
  3. den Bezug einer Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente nachweisen.”

Der volkseigene Betrieb „O” Starkstromanlagenbau D wurde im Mai 1990 in die Starkstromanlagen D GmbH umgewandelt, die später in „D Elektroanlagenbau GmbH” (D –) umfirmiert hat. Die D befindet sich heute in Liquidation. Aus ihr sind zum 1. Oktober 1990 zwei Tochterunternehmen ausgegliedert worden, u.a. die Starkstromanlagen D GmbH, die Beklagte, die seit der Übernahme der Geschäftsanteile durch die A ihre heutige Firma führt. Sie setzte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum 30. Juni 1991 fort. Zu diesem Zeitpunkt schied der Kläger aufgrund betriebsbedingter Kündigung bei der Beklagten aus und bezog anschließend Altersübergangsgeld. Seit dem 1. Januar 1995 erhält er die vorgezogene gesetzliche Altersrente.

Die D hatte zum 1. Juli 1990 für die DM-Eröffnungsbilanz Rückstellungen „aus Pensionsverpflichtungen”, u.a. für Zusatzrenten nach der Anordnung 54, gebildet. Diese Rückstellungen wurden zunächst nicht aufgelöst und auf die neugegründeten Tochterunternehmen, u.a. die spätere Beklagte, übertragen. Vielmehr wurden die laufenden Leistungen an die Rentner durch die D erbracht.

In einer Niederschrift über eine Besprechung zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, Herrn C, und dem Betriebsausschuß vom 17. Dezember 1991 heißt es u.a.:

„Die Verfahrensweise für die Zusatzrentenversorgung nach ihrem Auslauf gem. Einigungsvertrag zum 31. Dezember 1991 wurde besprochen. Als Vorzugsvariante wird auf eine einmalige Abfindung für die Anspruchsberechtigten orientiert. Dazu setzen sich Betriebsausschuß und Geschäftsleitung S mit ihren Partnern bei der D /DR zur einheitlichen Regelung in Verbindung.”

Durch „Entscheidung” der D vom 31. Dezember 1991 wurde beschlossen, daß die zum 31. Dezember 1991 vorhandenen, personenbezogen ermittelten Beträge für die Zusatzversorgung reguliert und aufgelöst werden müßten, nachdem die Anordnung 54 „entsprechend Festlegungen im Einigungsvertrag” mit Wirkung vom 31. Dezember 1991 ungültig geworden sei, so daß ab 1. Januar 1992 diese Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bestünden. Für die „Regulierung und Auflösung” legte die „Entscheidung” fest, daß alle laufenden Leistungen an ehemalige Betriebsangehörige mit einem Einmalbetrag an diese Personen durch D überwiesen würden. Dies betreffe auch Personen, die in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1991 in den Rentenstand eingetreten seien. Weiter seien alle Anwartschaften für Betriebsangehörige der jetzigen Firmen Dr GmbH und der Beklagten personenbezogen zu ermitteln und unter Mitwirkung der Personalbüros dieser Firmen festzulegen. Hierzu zählten auch Personen, die in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1991 in den Vorruhestand gegangen seien. Die personenbezogen ermittelten Beträge würden in einer Summe und mit den entsprechenden Einzelnachweisen bis 31. Januar 1992 an die genannten Firmen überwiesen. Über die Verwendung dieser Mittel entschieden danach Geschäftsleitung und Betriebsrat dieser Firmen. Im Hinblick auf den Kläger überwies die D an die Beklagte 4.936,– DM.

Bis zum 31. Dezember 1991 hat die Beklagte wegen der Zusatzrente nach der Anordnung 54 an diejenigen Arbeitnehmer, die das gesetzliche Rentenalter erreicht hatten, eine Einmalzahlung in Höhe des Rückstellungsbetrages geleistet. Zahlungen an den Kläger sind nicht erfolgt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse an ihn ab Bezug des Altersübergangsgeldes, das der gesetzlichen Rente gleichstehe, 61,– DM monatlich nach der Anordnung 54 zahlen. Zum Zeitpunkt des Überganges in den Bezug von Altersübergangsgeld habe er aufgrund einer mehr als 20-jährigen Betriebszugehörigkeit eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben gehabt. Diese Anwartschaft sei durch die Regelungen des Einigungsvertrages nicht erloschen. Dabei nimmt der Kläger Bezug auf eine Regelung im Einigungsvertrag in der Anlage II Kap. VIII Sachgeb. H Abschn. III Nr. 4:

„Folgendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik bleibt mit folgenden Maßgaben in Kraft

4. Anordnung über die Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. Nr. 30 S. 301) mit folgenden Maßgaben:

  1. Die Anordnung ist bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden.
  2. Von der Anordnung kann für die Zeit bis 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden.

…”

Er habe außerdem einen Anspruch aus dem Leistungsversprechen der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Schreiben vom 31. Juli 1989. Jedenfalls müsse die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung den für seine Versorgungsanwartschaft rückgestellten Betrag als einmalige Abfindung zahlen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.867,– DM netto nebst 4 % Zinsen hieraus ab 1. Mai 1995 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. Juni 1995 eine zum Ersten eines jeden Monats vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 61,– DM netto zu zahlen;

hilfsweise für den Fall der Klageabweisung der Anträge zu 1. und 2.:

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 305,– DM netto nebst 4 % Zinsen hieraus ab 1. Mai 1995 zu zahlen;
  2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger ab 1. Juni 1995 eine zum Ersten eines jeden Monats vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 61,– DM netto zu zahlen;

äußerst hilfsweise für den Fall der Klageabweisung der Haupt- und Hilfsanträge:

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.936,– DM netto nebst 4 % Zinsen hieraus ab dem 1. Januar 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe weder einen Rentenanspruch, noch eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Zusatzrente erworben.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine letzten Sachanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag können keinen Erfolg haben, weil der Kläger weder aus der Anordnung 54, noch aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 31. Juli 1989 einen Anspruch auf Zahlung einer Zusatzrente hat. Der zweite Hilfsantrag ist unbegründet, weil keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich ist, daß die Beklagte einen wegen eines möglichen Betriebsrentenanspruchs rückgestellten Betrag an den Kläger auszahlen muß.

I. Der Kläger hat bis zum 31. Dezember 1991 auf der Grundlage der Anordnung 54 keinen Anspruch auf eine Zusatzrente erworben. Nach Anl. II Kap. VIII Sachgeb. H Abschn. III Nr. 4 a zum Einigungsvertrag war die Anordnung 54 zwar bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden. Der Kläger hat aber die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzrente vor dem 31. Dezember 1991 nicht erfüllt.

1. Der Kläger ist nicht wegen Überschreitens der Altersgrenze i.S. von § 3 Buchst. a Anordnung 54, sondern aus betrieblichen Gründen bei der Beklagten ausgeschieden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Vollendung des 55. Lebensjahres, von dem an ein Arbeitnehmer nach § 249 e AFG Altersübergangsgeld beziehen kann, nicht als Altersgrenze i.S. von § 3 Buchst. a Anordnung 54 anzusehen. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit § 3 Buchst. c Anordnung 54. Sie meint deshalb nur eine Altersgrenze, nach deren Überschreiten ein Anspruch auf gesetzliche Altersrente besteht. Dies ist mit Vollendung des 55. Lebensjahres nicht der Fall.

2. Der Kläger hat nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten am 30. Juni 1991 auch keine gesetzliche Altersrente bezogen, wie dies § 3 Buchst. c Anordnung 54 verlangt, sondern Altersübergangsgeld.

Der Bezug von Altersübergangsgeld nach § 249 e AFG steht dem Bezug der gesetzlichen Altersrente nicht gleich. Eine entsprechende Anwendung von § 3 Anordnung 54 zugunsten von Arbeitnehmern, die vor dem 31. Dezember 1991 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, um Altersübergangsgeld in Anspruch zu nehmen, scheidet deshalb aus.

Altersübergangsgeld ist keine besondere Form der gesetzlichen Altersrente. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Leistung der Arbeitslosenversicherung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck von § 249 e AFG. Altersübergangsgeld ist durch Art. 30 Abs. 2 des Einigungsvertrages als neue Leistungsart der Arbeitslosenversicherung, nicht der gesetzlichen Rentenversicherung, eingeführt worden. Es sollte der besonders schwierigen Arbeitsmarktlage speziell für ältere Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen, die mit der Umstellung auf marktwirtschaftliche Gegebenheiten in den neuen Ländern erkennbar verbunden sein würden (BT-Drucks. 11/7760, S. 370). Zur Erfüllung dieser auf den Arbeitsmarkt zielenden Zwecksetzung hat Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Einigungsvertrag keine besondere Form des gesetzlichen Ruhestandes, sondern Überbrückungsleistungen für die Zeit bis zum frühestmöglichen Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt, die dem Arbeitslosengeld nach § 105 c AFG ähneln. Altersübergangsgeld ist deshalb auch ebenso wie das Arbeitslosengeld nach § 105 c AFG von der Bundesanstalt für Arbeit zu leisten.

Daß es sich beim Altersübergangsgeld um eine Form des Arbeitslosengeldes und nicht um Altersrente handelt, wird in § 249 e Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 4 AFG besonders deutlich: Ältere Arbeitnehmer sind beim Bezug von Altersübergangsgeld gegenüber sonstigen Beziehern von Arbeitslosengeld nur insoweit begünstigt, als sie nicht subjektiv verfügbar i.S. von § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG sein müssen. Es ist für den Bezug von Altersübergangsgeld deshalb nicht erforderlich, daß der Arbeitslose bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muß ein Bezieher von Altersübergangsgeld aber zumindest ebenso wie jeder andere Arbeitslose objektiv verfügbar sein, was insbesondere bedeutet, daß er für das Arbeitsamt während des Bezuges von Altersübergangsgeld jederzeit erreichbar sein muß (BSG Urteil vom 28. November 1996 – 7 RAr 30/95 – Sozialrecht 3-4100 § 249 e Nr. 9 = NZS 1997, 240). Damit ist die Situation eines Beziehers von Altersübergangsgeld grundsätzlich anders als die eines Rentenempfängers.

3. Das vorzeitige Ausscheiden allein hat nicht zum Verlust eines Rentenanspruchs geführt. Der Kläger hätte auch bei einem späteren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keinen Rentenanspruch erwerben können.

Es kann offen bleiben, ob das betriebsbedingte Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und der anschließende Bezug von Arbeitslosengeld und Altersübergangsgeld es ohne weiteres rechtfertigen, einen Anspruch aus der Anordnung 54 auszuschließen. Hieran kann man zweifeln angesichts der Rahmenbedingungen, unter deren Geltung die Anordnung 54 geschaffen wurde und mehr als 45 Jahre galt.

Jedenfalls können Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz betriebsbedingt verloren haben, nicht besser stehen, als sie stünden, wenn sie bis zum gesetzlichen Ruhestand im Arbeitsverhältnis verblieben wären. Auch in diesem Falle hätte der Kläger keinen Anspruch auf eine Zusatzrente aus der Anordnung 54 gehabt. Der Kläger konnte die gesetzliche Rente erst nach dem 31. Dezember 1991 beziehen. Damit hätte er auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzrente nach der Anordnung 54 vor dem 31. Dezember 1991 nicht erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des Senats hat ein Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf eine Zusatzrente nach der Anordnung 54 über den 31. Dezember 1991 hinaus, wenn er bis zu diesem Stichtag die Anspruchsvoraussetzungen bereits erfüllt, den Anspruch also erworben hatte. Nach dem 31. Dezember 1991 konnte er einen Zusatzrentenanspruch nicht mehr erwerben. Die Bestimmung in der Anlage II Kap. VIII Sachgeb. H Abschn. III Nr. 4 zum Einigungsvertrag führt zwar nicht zum Verlust einmal entstandener Ansprüche. Mit der vom Einigungsvertrag angeordneten Unanwendbarkeit der Anordnung 54 ab dem 1. Januar 1992 entfällt aber für die Zukunft die Möglichkeit, die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen und den Anspruch zu erwerben (BAG Urteil vom 27. Februar 1996 – 3 AZR 242/95 – AP Nr. 4 zu Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII; Urteil vom 17. Dezember 1996 – 3 AZR 800/95 – AP Nr. 5 zu Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII).

II. Auch der Erwerb einer Teilrente wegen der bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegten Zeit der Betriebszugehörigkeit scheidet aus.

1. Der Einigungsvertrag ordnet eine zeitlich begrenzte Fortgeltung der Anordnung 54 als Teil des Rechts der DDR an. Dieses Recht kannte die Möglichkeit nicht, durch längere Betriebstreue schon vor Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen eine unentziehbare Rechtsposition zu erwerben. Die Bedingung, bis zum Erhalt der gesetzlichen Rente in einem dem Geltungsbereich der Anordnung 54 unterfallenden Betrieb zu verbleiben, mußte erfüllt werden, damit ein Zusatzrentenanspruch nach der Anordnung 54 begründet war.

2. Auch der Erwerb einer Teilrente nach dem Betriebsrentenrecht der Bundesrepublik Deutschland ist ausgeschlossen. Das Gesetz über die Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ist auf betriebliche Versorgungsansprüche nur anzuwenden, wenn es auf Versorgungszusagen aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1991 zurückgeht (Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 16 zum Einigungsvertrag). Durch diese Anordnung des Einigungsvertrages ist zugleich festgelegt, daß die vorgesetzliche Unverfallbarkeitsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt) im Rahmen der Anordnung 54 nicht anwendbar ist. Das Betriebsrentengesetz ist im Jahre 1974 für die Zukunft an die Stelle der bis dahin entwickelten Unverfallbarkeitsrechtsprechung getreten.

3. Insgesamt verdrängen damit nach dem Willen der Parteien des Einigungsvertrages die Regelungen der Anordnung 54 bis zum 31. Dezember 1991 das überkommene Betriebsrentenrecht der Bundesrepublik Deutschland, das erst in der Folgezeit gilt, in der die Anordnung 54 nicht mehr anzuwenden ist. Eine solche Aufteilung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 war das Arbeitsverhältnis der in der DDR tätigen Arbeitnehmer von grundsätzlich anderen Wertungen geprägt.

Diese sahen einen Erwerb nichtentziehbarer Teilrechte nicht vor. Die betroffenen Arbeitnehmer hieran festzuhalten und ihnen nicht nachträglich Rechte aus dem Betriebsrentenrecht der Bundesrepublik Deutschland einzuräumen, ist angesichts der umfassenden Veränderungen, die mit der Vereinigung eingetreten sind, von Rechts wegen nicht zu beanstanden (BAG Urteil vom 17. Dezember 1996 – 3 AZR 800/95 – AP Nr. 5 zu Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII, zu I 3 der Gründe).

4. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung auch angesichts der Kritik von Stefan Griebeling (AuA 1997, 84 f. im Anschluß an Höfer, BetrAVG, Bd. I, Stand: 30. September 1995, ART 1271 und Gerd Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, 1996, Rz 916, 919) fest. Entgegen der dort vertretenen Einschätzung hat der Senat in seinen Urteilen nicht zum Ausdruck gebracht, daß es seit der gesetzlichen Regelung des Betriebsrentenrechts eine Unverfallbarkeit außerhalb des Gesetzes, allein auf rechtliche Grundwertungen gestützt, nicht mehr gibt. Mit dem Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ist aber in den Regelungsbereichen des Gesetzes aus Richterrecht Gesetzesrecht geworden. Wenn die Parteien des Einigungsvertrages vor diesem Hintergrund bestimmen, daß das Betriebsrentengesetz im Bereich der Anordnung 54 unanwendbar ist, dann ist damit zugleich bestimmt, daß auch die Rechtssätze unanwendbar sind, die der Gesetzgeber in den Jahren 1974 und in der Folgezeit in seinen Regelungswillen aufgenommen hat.

Stefan Griebeling weist zwar zu Recht darauf hin, daß es keinen grundlegenden wertungsmäßigen Unterschied zwischen Vollansprüchen und Versorgungsanwartschaften gibt. Diese Erkenntnis hilft aber im Zusammenhang mit der Anordnung 54 und den Regelungen des Einigungsvertrages hierzu nicht weiter. Die Parteien des Einigungsvertrages sind vom Recht der DDR ausgegangen, in dem zwei ganz unterschiedlich zu bewertende Situationen einander gegenüberstanden: Zum einen ging es um Ansprüche, die nach dem Recht der DDR bereits entstanden waren und für die Zukunft auf unbestimmte Zeit Rechte begründen sollten. Zum anderen waren bloße Erwerbschancen zu bewerten, die ohne zusätzliche Betriebstreue bis zum Eintritt des Versorgungsfalles nach dem Recht der DDR nicht zu Ansprüchen erstarken würden. Es gab keinen im Privatrechtssystem der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Vertrauensschutz, den die Parteien des Einigungsvertrages zum 31. Dezember 1991 sichern mußten. Beschäftigungszeiten, die im staatswirtschaftlichen, hierarchisch gegliederten System der DDR zurückgelegt wurden, mußten, auch wenn es um betriebsrentenähnliche Ansprüche ging, nicht zwingend nach den Grundwertungen behandelt werden, die für die privatwirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich sind.

III. Der Kläger kann sich zur Begründung seines Hauptantrages und des ersten Hilfsantrages auch nicht auf das Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. Juli 1989 stützen. Durch dieses Schreiben ist der Kläger lediglich darüber informiert worden, daß er einen personengebundenen Anspruch auf die Zusatzrente nach der Anordnung 54 habe, wenn er bis zum Rentenalter im Betrieb der Beklagten verbleibe. Damit hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger nur über die zum Zeitpunkt ihres Schreibens bestehende Rechtslage aufgeklärt. Sie gibt dem Kläger aus den bereits genannten Gründen keinen Anspruch auf eine Zusatzrente, weil er die auch im Schreiben vom 31. Juli 1989 wiederholte Verbleibebedingung für einen Zusatzversorgungsanspruch nicht erfüllt hat. Im übrigen hat sich die Gesetzeslage aufgrund der Regelung im Einigungsvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 1992 geändert. Aufgrund dieser neuen Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Schreibens vom 31. Juli 1989 nicht vorhersehbar war, hätte der Kläger auch dann keinen Anspruch auf eine Zusatzrente erworben, wenn man zugunsten des Klägers davon ausginge, daß er bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand im Betrieb der Beklagten verblieben wäre.

IV. Der Kläger kann auch mit seinem zweiten Hilfsantrag, der die Auszahlung des rückgestellten Betrages betrifft, keinen Erfolg haben. Es gibt keine Grundlage für einen solchen Anspruch.

1. Eine Rückstellung bedeutet nur, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte es für wahrscheinlich hielten, gegenüber dem Kläger aus der Anordnung 54 verpflichtet zu sein. Damit ist aber keine Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger anerkannt worden.

2. Die „Entscheidung” der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. Dezember 1991 enthält kein von der Beklagten angenommenes Angebot auf Abschluß eines Vertrages zugunsten Dritter, im vorliegenden Fall des Klägers. In dieser Entscheidung heißt es lediglich, daß die für einen bestimmten Personenkreis rückgestellten Beträge an die Beklagte und ihr Schwesterunternehmen überwiesen würden. Es wird aber ausdrücklich den jeweiligen Geschäftsleitungen und Betriebsräten dieser Unternehmen überlassen, über die Verwendung der überwiesenen Mittel zu entscheiden. Eine dementsprechende Entscheidung zugunsten des Klägers und vergleichbarer Arbeitnehmer ist bei der Beklagten nicht getroffen worden. Weder in dem Gespräch der Geschäftsleitung der Beklagten mit dem Betriebsausschuß vom 17. Dezember 1991, noch in der Folgezeit hat es eine entsprechende Vereinbarung gegeben. Es wurden ausdrücklich nur Lösungen ins Auge gefaßt.

3. Das Landesarbeitsgericht hat es auch zu Recht abgelehnt, dem Kläger einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu geben. Die Beklagte hat lediglich den Arbeitnehmern, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Anspruch auf Zusatzrente nach der Anordnung 54 über den 31. Dezember 1991 hinaus hatten, den für sie rückgestellten Betrag als einmalige Abfindung ausgezahlt. Es ist nicht willkürlich, wenn die Beklagte nicht in gleicher Weise bei den Personen verfahren ist, die einen Anspruch aus der Anordnung 54 nicht haben. Der Umstand, daß das Schwesterunternehmen der Beklagten möglicherweise auch an Arbeitnehmer in der Situation des Klägers die rückgestellten Beträge ausgezahlt hat, gibt dem Kläger keine Rechte. Die Gleichbehandlungspflicht trifft nur den jeweiligen Arbeitgeber. Er ist nicht verpflichtet, sich in gleicher Weise wie ein anderer Arbeitgeber in vergleichbarer Situation zu verhalten.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Weinmann, H. Frehse

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951898

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