Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 60; PersVG-DDR §§ 79, 82, 116b; BPersVG §§ 79, 82

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 09.09.1992; Aktenzeichen 2 Sa 6/92 Dresden)

KreisG Bischofswerda (Urteil vom 15.10.1991; Aktenzeichen Ca 1567/91)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 9. September 1992 – 2 Sa 6/92 Dresden – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der 1938 geborene Kläger war nach dem Staatsexamen vom 1. August 1959 bis 31. August 1984 als Lehrer für Mathematik und Geographie an verschiedenen Schulen des Kreises B. tätig.

Vom 1. September 1984 bis 5. Februar 1990 war er hauptamtlicher politischer Mitarbeiter der SED Kreisleitung B.. Er war mit der Führung der Kreisparteischule betraut. Der Kreisparteischule oblag die politische Qualifizierung von Parteimitgliedern durch Lektionen, Vorträge und Seminare. Diesen Veranstaltungen lagen vom Zentralkomitee der SED vorgegebene Programme zugrunde. Der Kläger hatte die Veranstaltungen zu organisieren. Er war dem Sekretariat der Kreisleitung rechenschaftspflichtig. Der Kläger wurde ab 1. März 1990 als Lehrer für Mathematik und Geographie an der Oberschule in Be. eingesetzt.

Am 8. Mai 1991 unterrichtete das Oberschulamt Dresden den Schulpersonalrat und am 10. Mai 1991 den Kreispersonalrat über eine beabsichtigte Kündigung des Klägers. Ein Bezirkspersonalrat beim Oberschulamt bestand nicht. Ebenso war beim Sächsischen Staatsminister für Kultus kein Hauptpersonalrat gewählt. Der Kreispersonalrat rügte zunächst Formfehler bei der Anhörung, der Schulpersonalrat erhob gegen die Kündigung keine Einwendungen.

Der Beklagte kündigte hierauf das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Mai 1991, dem Kläger zugegangen am 30. Mai 1991, zum 31. August 1991 nach Anlage I Kapitel XIX Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 zu Art. 20 Abs. 1 des Einigungsvertrages.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, die vorübergehende politische Tätigkeit beeinträchtige seine Eignung nicht. Der Beklagte habe keine Einzelfallprüfung vorgenommen und die für ihn sprechenden Tatsachen nicht berücksichtigt. Als politischer Mitarbeiter der SED-Kreisleitung sei er bestrebt gewesen, den Weg für Veränderungen, freie Meinungsäußerungen, für Pluralismus und Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu öffnen. Um Freiheit und Demokratie in der Kreisparteischule durchzusetzen, habe er Weisungen mißachtet. Durch entsprechende Organisation der Kreisparteischule habe er diese in jeder Hinsicht der Kontrolle durch das Sekretariat entzogen. So sei es ihm möglich gewesen, offen und kritisch auftretende Lektoren auszuwählen. Die größte Genugtuung und Bestätigung für ihn sei es gewesen, als in der Wende 1989 sein Vorgesetzter offiziell habe zugeben müssen, daß er der einzige gewesen sei, der das alles habe kommen sehen und so gewollt habe. Nach Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit sei sein Unterricht nicht beanstandet worden. Obwohl er überzeugter Anhänger der SED gewesen sei, trete er für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein.

Die Kündigung sei auch unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört worden sei. Der Beklagte habe es zu vertreten, daß ein Bezirkspersonalrat nicht bestanden habe. Er habe rechtswidrig keinen Wahlvorstand zur Wahl des Bezirkspersonalrats eingesetzt. Deshalb sei der Kreisschulpersonalrat zu beteiligen gewesen. Die Gründe seien diesem nicht substantiiert mitgeteilt worden.

Der Kläger hat beantragt.

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Mai 1991 nicht beendet worden sei,
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag – den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, dem Kläger fehle aufgrund seiner langjährigen hauptamtlichen Tätigkeit in der SED-Kreisleitung die für einen Lehrer erforderliche persönliche Eignung. Aus diesem Grunde bestünden auch Zweifel an seiner Verfassungstreue. Außerdem sei wegen der langjährigen Unterrichts fremden Tätigkeit an der fachlichen Qualifikation des Klägers zu zweifeln.

Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht nicht stattgegeben.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei als Lehrer nicht geeignet im Sinne von Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan Abs. 4 Ziff. 1). Wer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert habe, werde den Anforderungen nicht gerecht, welche an das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stellen seien.

Der Kläger habe als Leiter der Kreisparteischule die Ziele und Bestrebungen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar gewesen seien, im einzelnen vermittelt. Als Leiter dieser Schule sei er in hervorgehobener Stellung Repräsentant des Unrechtsregimes gewesen. Die hauptamtliche Tätigkeit des Klägers habe zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht solange zurückgelegen, daß Zweifel an der Verfassungstreue ausgeräumt werden könnten. Selbst wenn ein Gesinnungswandel unterstellt werde, sei nicht sicher, ob der Kläger in Krisenzeiten für die Grundwerte der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland eintrete.

Die Kündigung sei nicht wegen fehlender Anhörung des Personalrats unwirksam. Bei dem für die Kündigung zuständigen Oberschulamt Dresden habe zum Zeitpunkt der Kündigung kein Bezirkspersonalrat bestanden. Selbst wenn der Beklagte es zu vertreten hätte, daß kein Bezirkspersonalrat gewählt worden sei, folge hieraus nicht die Unwirksamkeit der Kündigung.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

I. Soweit der Kläger rügt, der Beklagte habe die Berufung nicht schriftlich beantwortet, sein Vorbringen sei daher unerheblich, greift diese Rüge nicht. Das Revisionsgericht ist nach § 561 ZPO an das vom Landesarbeitsgericht festgestellte Parteivorbringen gebunden. Ausweislich des Tatbestandes des angeführten Urteils hat der Beklagte Zurückweisung der Berufung beantragt und sich auf sein bisheriges Vorbringen bezogen. Der Tatbestand des Urteils liefert nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Ebenso ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, daß die Parteien zur Sache verhandelt haben. Das Urteil vom 9. September 1992 ist dem Kläger am 9. Oktober 1992 zugestellt worden. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 und 2 ZPO wäre möglich gewesen, ist jedoch nicht gestellt worden.

II. Das materielle Recht ist vom Berufungsgericht nicht verletzt worden. Das angefochtene Urteil entspricht in allen Punkten der materiellen Rechtslage.

1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht.

2. Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft. Sie ist getrennt von der Qualifikation zu prüfen. Sie kann aufgrund der bisherigen Lebensführung fehlen oder sich aus der Art und Weise des Verhaltens des Arbeitnehmers ergeben. Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 liegt eine andere Interessenlage zugrunde als der bei § 1 Abs. 2 KSchG. Deshalb können Erwägungen zu § 1 Abs. 2 KSchG nicht unbesehen auf Abs. 4 Ziff. 1 übertragen werden. Bei § 1 Abs. 2 KSchG ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber oder sein Rechtsvorgänger, an dessen Entscheidungen er gebunden ist, einen Arbeitnehmer eingestellt hat, weil er ihn für geeignet gehalten hat. Eine Kündigung ist im Regelfalle daher angezeigt, wenn der für geeignet befundene Arbeitnehmer durch konkrete Störungen des Vertragsverhältnisses seine Ungeeignetheit im nachhinein offenbart. Durch die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 wird dem öffentlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse ermöglicht, einen übernommenen Arbeitnehmer selbst auf seine Eignung überprüfen zu können, weil er von einem Arbeitgeber eingestellt worden ist, der rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht verpflichtet war.

Abs. 4 Ziff. 1 erlaubt deshalb eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 zwingt den öffentlichen Arbeitgeber nicht, die notwendige rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu „erproben”.

3. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt. Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Arbeitnehmers auszurichten.

Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln (BAG Urteil vom 31. März 1976 – 5 AZR 104/74 – BAGE 28, 62 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).

4. Ein Lehrer in der ehemaligen DDR ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Das gilt auch für Schulleiter, soweit sie ihr Amt sachbezogen und nicht überwiegend im Sinne der SED ausgeübt haben. Die Aufgaben des Lehrers waren u.a. im Gesetz für das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965 (GBl. I S. 83) festgelegt. In der Einleitung zu diesem Gesetz waren die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik genannt. Diese richteten sich eindeutig gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Wäre der Einigungsvertrag bei Lehrern wegen ihrer Einbindung in die ehemaligen Staats ziele der DDR von einer generellen Ungeeignetheit ausgegangen, hätte es nahegelegen, die Rechtsverhältnisse dieser Lehrer als beendet zu normieren. Da dies nicht geschehen ist, ist zu folgern, daß die auf fehlende Eignung gestützte Kündigung weitere Tatsachen erfordert als die frühere Bindung dieser Personen an rechtsstaatswidrige Vorgaben.

5. Eine mangelnde persönliche Eignung liegt bei einem Lehrer dann vor, wenn er diesen staatlichen Vorgaben nicht bloß gefolgt ist, sondern wenn er sie in seine persönliche Überzeugung übernommen hat. Das ist jedenfalls bei solchen Arbeitnehmern anzunehmen, die sich in der Vergangenheit dadurch in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert haben, daß sie in der SED aktiv in hauptamtlichen Parteiämtern mitgewirkt haben. Wer durch eine intensive Parteiarbeit die Ziele der SED, die die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnte und bekämpfte, förderte, weist auf, daß er persönlich nicht geeignet ist, als Lehrer die Grundwerte des Grundgesetzes glaubwürdig zu vermitteln (so richtig LAG Berlin Urteil vom 23. Juni 1992 – 14 Sa 24/92 – BB 1993, 142 LS; LAG Berlin Urteil vom 23. September 1992 – 13 Sa 61/92 –).

6. Dennoch ist auch in diesen Fällen eine Einzelfallprüfung erforderlich, ob die Nichteignung noch zum Zeitpunkt der Kündigung besteht. Maßgebliche Kriterien können auch hier sein die Dauer der früheren aktiven SED-Tätigkeit, die dabei bekleidete Stellung innerhalb der SED und der Zeitpunkt sowie die Umstände einer Beendigung der aktiven Parteitätigkeit vor dem Zusammenbruch der früheren DDR. Ebenso kann der betroffene Arbeitnehmer konkrete Umstände aufzeigen, aus denen geschlossen werden kann, daß er nunmehr zu den Werten des Grundgesetzes steht. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen entweder nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren anderen Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.

7.a) Das Landesarbeitsgericht ist in dem angefochtenen Urteil von dieser Rechtslage ausgegangen. Es hat im Hinblick auf den Umstand, daß der Kläger Lehrer ist, erhöhte Anforderungen verlangt. Das ist zutreffend und durch die zitierte Rechtsprechung abgesichert.

b) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte kein „Einzelprüfungsverfahren” durchgeführt hätte. Der Arbeitgeber ist nach Abs. 4 Ziff. 1 zur Kündigung berechtigt, wenn die tatsächlich vorliegenden Umstände eine solche Kündigung rechtfertigen. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt nicht davon ab, daß ein bestimmter Prüfungsablauf einzuhalten ist. Entscheidend ist, daß die konkrete, auf Tatsachen gestützte Abwägung, die zur Kündigung geführt hat, das Ergebnis trägt.

c) Das Landesarbeitsgericht ist nicht von einem absoluten Kündigungsgrund ausgegangen. Ebenso hat es die Beweislage nicht verkannt. Es hat bei Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung auf die allgemein zu stellenden Anforderungen abgestellt (Seite 6–8 des Urteils) und hat dann konkret die Situation des Klägers berücksichtigt (ab Seite 8 des Urteils). Es hat beachtet (Seite 9 des Urteils), daß der Kläger bereits rd. 16 Monate nach seiner SED-Tätigkeit wieder im Schuldienst eingesetzt war und hat trotz eines möglichen Sinneswandels ausgeführt, dieser Zeitraum reiche nicht aus, um Zweifel zu beseitigen, ob der Kläger sich in Krisenzeiten für die zur Zeit von ihm unterstützte freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen werde. Das ist nicht rechtsfehlerhaft.

d) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht nicht darauf abgestellt, ob bei dem Kläger neben seiner früheren SED-Tätigkeit weitere Umstände vorgelegen haben, die eine Prognose zu künftiger Nichteignung ermöglicht hätten. Der Beklagte ist nicht gehalten, bei von ihm dargetaner fehlender Eignung den Arbeitnehmer erst zu erproben. Auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast kam es nicht an. Das Gericht war aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts vom Vorliegen der tatsächlichen Umständen überzeugt, die die Kündigung tragen. Es hat den Vortrag des Klägers, er habe seine Tätigkeit für die SED kritisch ausgeübt, nicht als hinreichend erheblich angesehen.

8. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden wäre.

a) Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR, der wörtlich übereinstimmt mit § 79 Abs. 1 BPersVG, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Vorschriften ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.

Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Dresden. Nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Einigungsvertrag wurde der Kläger mit dem Beitritt Bediensteter des Freistaates Sachsen. Die Oberschule Be. war nicht zur Kündigung berechtigt. Es wäre nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG anstelle des Personalrats die bei der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht.

b) Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.

aa) Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das BPersVG galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält.

Nach Art. 8 Einigungsvertrag trat mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt ist.

Nach der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 trat das Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. Mai 1974 (BGBl. I S. 693) einschließlich der späteren Änderungen mit den Maßgaben in Kraft, daß Buchstabe a) in Angelegenheiten der nach dem Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – Personalvertretungsgesetz – der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) gebildeten oder noch zu bildenden Personalvertretungen und Organe, die bei bereits bestehenden Dienststellen i. S. des Art. 13 Abs. 1 und 2 und des Art. 14 Einigungsvertrag im Amt blieben, dessen Bestimmungen weiterhin, längstens bis zum 31. Mai 1993 entsprechende Anwendung finden, soweit sie nicht außer Kraft gesetzt oder obsolet werden.

bb) Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören. Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus entgegen der Ansicht der Revision nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrates der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG. Stand März 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu hören, eine Zuständigkeit nicht begründet werden kann.

Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates oder des Schulpersonalrates ergibt sich auch nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR bzw. aus § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Beide Vorschriften begründen keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personal Vertretung.

§ 82 Abs. 6 PersVG-DDR betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen der §§ 69 Abs. 3 und 4, 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist.

Ist im Falle des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR und der dort aufgeführten Fälle ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet und kann er daher im mehrstufigen Beteiligungsverfahren nicht mitwirken, soll nach § 82 Abs. 6 PersVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung, oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Stelle treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen.

Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht. Eine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung soll durch § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gerade nicht begründet werden.

Dieselben Überlegungen gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. § 116 b PersVG-DDR findet sich im Zweiten Teil des Gesetzes mit der Überschrift Personalvertretung in den Ländern. Er will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreispersonalrates und/oder Schulpersonalrates zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlicher erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.

Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrates bzw. Bezirkspersonalrates in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert im Personalvertretungsgesetz-DDR nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Femppel, Hennecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065113

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