Kündigung einer Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau

Eine Referentin für Rundgangführungen der KZ-Gedenkstätte Dachau konnte wegen eines Faschismusvergleichs wirksam gekündigt werden. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) München.   

TV-L verpflichtet Beschäftigte zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung

Die 1954 geborene Frau war bei einer vom Freistaat Bayern errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts seit Januar 2019 als Referentin für Rundgangführungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit einem Entgelt in Höhe von 450 Euro brutto beschäftigt.

Zweck der Stiftung ist es, die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten und die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen. Auf das Vertragsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L verpflichtet die Arbeitnehmer, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Das Maß der Loyalität richtet sich nach Stellung und Aufgabenkreis des Arbeitnehmers gemäß der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Die Loyalitätspflicht gilt sowohl im dienstlichen wie im außerdienstlichen Bereich.

Gedenkstättenführerin trat auf Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration auf

Die Aufgabe der Klägerin bestand darin, Besucher durch das ehemalige Lager der Gedenkstätte Dachau zu führen, die historischen Abläufe zu erläutern und über das Lagerleben und das Schicksal der Häftlinge zur berichten. Für die Stiftung ist die zutreffende Wiedergabe von historischen Fakten und der Respekt vor der Geschichte der Gedenkstätte essenzielle Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit.

Die Frau trat im Rahmen der „Anti-Corona-Bewegung“ auf Versammlungen als Rednerin auf. Bei einer Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration auf dem Königsplatz Ende Januar 2022 sagte sie vor ca. 3.000 Teilnehmern u.a.: „Wir haben´s hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. … Und ihr seht die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln.“

Kündigung durch die Stiftung

Die Stiftung lud die Klägerin daraufhin zum Personalgespräch ein, stellte sie dann mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei und kündigte ihr anschließend ordentlich zum 30.6.2022.

Die von der Klägerin hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte das Arbeitsgericht München abgewiesen und entschieden, dass die Kündigung als personenbedingte Kündigung wirksam ist, weil der Klägerin aufgrund ihres Verhaltens und damit einhergehender begründeter Zweifel an ihrer Verfassungstreue die Eignung für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit fehlt.

Das Verhalten der Klägerin berühre die allgemeine Aufgabenstellung der Beklagten und wirke in die Gedenkstätte hinein.

LAG: Bezeichnung des staatlichen Arbeitgebers als Faschistenstaat rechtfertigt Kündigung

Das LAG München hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 6.9.2012, 2 AZR 372/11 zum Eignungsmangel bei Beschimpfung und Verächtlichmachung des Staates).

Das LAG hat klargestellt: Wer Führungen in einer KZ-Gedenkstätte wie Dachau macht und die Besucher betreut, darf seinen demokratisch gewählten, staatlichen Arbeitgeber nicht mit einem Faschistenstaat gleichstellen. Eine solche Geisteshaltung und die damit einhergehende Herabwürdigung der Demokratie stehen nicht im Einklang mit § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses mit der Frau war daher der Arbeitgeberin nicht zuzumuten. Das Urteil vom 18.7.2023 (Az. 7 Sa 71/23) ist noch nicht rechtskräftig.

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