Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher/übertariflicher Zuschlag für Wechselschichtarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Tariflicher oder übertariflicher Zuschlag für Spätschichtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit bei Zahlung des Zuschlages ab 20.00 Uhr „als Zuschlag für Nachtarbeit”; betriebliche Übung bei Zahlung eines höheren Zuschlages für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr über einen Zeitraum von sieben Jahren?

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; GMTV für Arbeiter und Angestellte der Metall- und Elektroindustrie für das Land Thüringen vom 8. März 1991 i.d.F. vom 3. März 1997 § 4; GMTV für Arbeiter und Angestellte der Metall- und Elektroindustrie für das Land Thüringen vom 8. März 1991 i.d.F. vom 3. März 1997 § 6; EStG § 3b a.F.; EStG § 3b i.d.F. vom 27. Juli 1988; BGB § 242

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 14.04.1999; Aktenzeichen 4 Sa 362/98)

ArbG Eisenach (Urteil vom 02.04.1998; Aktenzeichen 3 Ca 1417/97)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 14. April 1999 – 4 Sa 362/98 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages von 25 % statt 10 % für Spätschichtarbeit im Rahmen der Wechselschicht für die jeweilige Arbeitszeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr aufgrund des Gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte der Metall- und Elektroindustrie für das Land Thüringen vom 8. März 1991 in der Fassung vom 3. März 1997 oder „auf der Grundlage einer betrieblichen Übung” hat.

Der am 9. März 1964 geborene Kläger ist seit dem 19. Oktober 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Schlosser beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 28. November 1990 heißt es ua.:

„2. Tarifvertragliche und Betriebliche Bestimmungen

2.1. Für den Mitarbeiter gelten die jeweils gültigen Tarifverträge und gesetzlichen Vorschriften, soweit diese nicht durch rechtsgültige Öffnungsklauseln andere Vereinbarungen zwischen der Firma und dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmervertretung zulassen.

Die mit dem Betriebsrat der Firma abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen besitzen für den Mitarbeiter Gültigkeit.

2.2. …

3. Entgelt und Arbeitszeit

3.1 …

3.2. Ab 1. Januar 1991 wird der Mitarbeiter entsprechend der von im ausgeübten Tätigkeit auf der Basis einer 40-Stunden-Woche neu eingruppiert. Über die Eingruppierung und das damit verbundene Entgelt schließen der Mitarbeiter und die Firma eine Ergänzungsvereinbarung ab, die mit der Unterzeichnung Bestandteil dieses Arbeitsvertrages wird. Das Entgelt des Mitarbeiters wird sich wie folgt zusammensetzen:

Monatsgrundlohn (Monatsgehalt)

+ sonstige, einzelvertraglich vereinbarte Entgelte (Zulagen)

= Bruttomonatslohn (Bruttomonatsgehalt)

Bei den sonstigen, einzelvertraglich vereinbarten Entgelten handelt es sich um freiwillige Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Firma behält sich vor, diese Zulagen auf spätere Tarifentgelterhöhungen, evtl. Prämien- oder Akkordmehrleistungen, evtl. zusätzliche tarifliche Leistungen, usw. anzurechnen.

3.3. …

3.4. …

13. Rechtswirksamkeit

13.1. Ergänzungen und Änderungen des Arbeitsvertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform.

13.2. …”

Nach der „Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag” vom 4. Januar 1991 ist der Kläger in die Lohngruppe 8 eingruppiert. Der Monatsgrundlohn und „ein sonstiges Entgelt” sind ausgewiesen. Sein Bruttostundenlohn beträgt 21,78 DM bei einer Arbeitszeit von nunmehr 38 Stunden pro Woche.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der gemeinsame Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 8. März 1991 idF vom 3. März 1997, gültig ab 1. Januar 1997, (GMTV) Anwendung. Die Beklagte gewährte dem Kläger sowie allen anderen Arbeitnehmern, die in Wechselschicht in der Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr tätig sind, einen Zuschlag in Höhe von 25 % auf den Stundenlohn. Nachdem die Beklagte nach entsprechenden Hinweisen zu der Auffassung gelangt war, sie sei tariflich nur zur Zahlung eines Zuschlages von 10 % für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr verpflichtet, teilte sie den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Aushang vom 13. Juni 1997 folgendes mit:

„…

in der Vergangenheit wurde in unserem Unternehmen die Vergütung der Spätschicht im Rahmen von Wechselschicht wie folgt vorgenommen:

  • für die Zeit von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr Zahlung eines Zuschlages von 10 %
  • für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr Zahlung eines steuerfreien Zuschlages von 25 %.

Wie jetzt erkannt wurde, haben wir den Tarifvertrag zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie in Thüringen e. V. und der Industriegewerkschaft Metall falsch ausgelegt und damit eine falsche Bezuschlagung vorgenommen.

Der § 6 des Manteltarifvertrages sagt aus:

„Der Zuschlag beträgt bei … b) Spätschicht im Rahmen von Wechselschicht – für die volle Spätschicht – 10 %

Der Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr wird als Zuschlag für Nachtarbeit (§ 4 Ziff. 4.) gezahlt.”

Das bedeutet, die komplette Spätschicht wird mit 10 % Zuschlag vergütet, lediglich für die gearbeitete Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr muß dieser Betrag steuerfrei gezahlt werden.

Um uns an die Festlegungen des Thüringer Tarifvertrages zukünftig exakt zu halten, werden wir eine Korrektur der Bezuschlagung der Spätschicht ab dem 01.07.1997 vornehmen. Da die falsche Bezuschlagung auf eine Fehlinterpretation vom Unternehmen zurückzuführen ist, erfolgt in diesem Fall keine rückwirkende Korrektur der Entgeltabrechnungen.

…”

Nachdem die Beklagte ab Juli 1997 entsprechend dem Aushang nur noch 10 % Zuschlag für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr gezahlt hatte – in der jeweiligen Entgeltmitteilung/Entgeltabrechnung ist nur noch „Zuschlag 10 % ab 20 h” ausgewiesen –, hat der Kläger nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit der beim Arbeitsgericht am 29. Oktober 1997 eingegangenen, später erweiterten Klage die Differenzen zu einem Zuschlag in Höhe von 25 % für den Zeitraum von Juli 1997 bis Januar 1998 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 257,46 DM brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe der Zuschlag von 25 % für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr aus dem Tarifvertrag zu. Unabhängig davon habe die Beklagte eine dahingehende Betriebsübung geschaffen, Nachtzuschläge ab 20.00 Uhr in Form von 25 % steuerfrei zu gewähren. Soweit die Beklagte darauf hinweise, er habe als Arbeitnehmer erkennen müssen, daß sie sich lediglich tarifkonform habe verhalten wollen, sei ihm zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht bewußt gewesen, welche Tarifverträge mit welchen Regelungen möglicherweise auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung fänden, da die Tarifverträge zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht in Kraft getreten gewesen seien. Ab Inkrafttreten der Tarifverträge habe die Beklagte den Zuschlag in Höhe von 25 % gewährt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 257,46 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 37,80 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 15. August 1997, aus dem sich aus 45,54 DM ergebenden Nettobetrag seit 15. September 1997, aus dem sich aus 60,72 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 15. Oktober 1997, aus dem sich aus 45,54 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 15. November 1997, aus dem sich aus 52,92 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 15. Januar 1998 und aus dem sich aus 14,94 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 15. Februar 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, aus dem Tarifvertrag ergebe sich kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages in Höhe von 25 %. Der GMTV lehne sich eng an den Tarifvertrag für die Hessische Metallindustrie an und sei in seinem § 6 Ziff. 1 Buchst. b) wortgleich. Soweit in dieser Vorschrift formuliert sei, der Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr werde als Zuschlag für Nachtarbeit gezahlt, handele es sich ausschließlich um eine steuerrechtliche Klarstellung, da bis zur Einführung des Steuerreformgesetzes 1990 steuerrechtlich klarzustellen gewesen sei, ab wann Zuschläge wie Zuschläge für Nachtarbeit und damit steuerfrei gezahlt würden. Durch das Steuerreformgesetz 1990 sei dann klargestellt worden, daß ab 1. Januar 1990 die Zuschläge gem. § 6 des GMTV für Mehrarbeit, für Spätschichtarbeit bis 20.00 Uhr sowie für Nachtschichtarbeit vor 20.00 Uhr und nach 6.00 Uhr voll zu versteuern seien, während der Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr wie ein Zuschlag für Nachtarbeit steuerfrei bleibe.

Die Beklagte sei irrtümlich davon ausgegangen, gem. § 6 GMTV verpflichtet gewesen zu sein, den Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr in Höhe des Zuschlages für Nachtarbeit gem. § 4 Ziff. 4 dieses Tarifvertrages und damit in Höhe von 25 % steuerfrei zahlen zu müssen. Nachdem sie ihren Irrtum Ende Mai 1997 festgestellt gehabt habe, habe sie mit dem Aushang vom 13. Juni 1997 allen Beschäftigten mitgeteilt, daß der Zuschlag bislang aufgrund einer fehlerhaften Auslegung des Tarifvertrages in Höhe von 25 % gezahlt worden sei. Nach Feststellung des Irrtums sei sie berechtigt gewesen, die Zahlung des in fehlerhafter Höhe gewährten Zuschlages einzustellen. Bei den Arbeitnehmern sei auch kein Vertrauenstatbestand in Form einer betrieblichen Übung erwachsen, da sie kein Verhalten an den Tag gelegt habe, das ihr Einverständnis mit der Entstehung entsprechender individueller Rechte habe erkennen lassen. Dies folge insbesondere daraus, daß sie sich nach außen hin ausschließlich tarifkonform verhalten habe. Sie habe sich außerhalb der vereinbarten arbeitsvertraglichen Regelungen nicht zu übertariflichen Zahlungen verpflichtet bzw. verpflichten wollen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Differenzen zwischen einem Zuschlag von 10 % auf den Stundenlohn und 25 % auf den Stundenlohn für die zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr im Rahmen von Wechselschichtarbeit geleisteten Arbeitsstunden.

1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus den tariflichen Vorschriften. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt der Gemeinsame Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 8. März 1991 idF vom 3. März 1997, gültig ab 1. Januar 1997 (im folgenden: GMTV) für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1,§ 4 Abs. 1 TVG).

b) Die Vorschriften des GMTV lauten, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, wie folgt:

㤠4

Mehr-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1. …

2. …

3. Wechselschichtarbeit liegt vor, wenn in

  1. 2 Schichten (z. B. Früh- und Spätschicht)
  2. 3 Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht)

in regelmäßigem Wechsel gearbeitet wird.

Im Zweischichtbetrieb liegt Spätschichtarbeit vor, wenn mindestens 6 Stunden in der Zeit nach 14.00 Uhr gearbeitet wird.

Nachtschicht liegt vor, wenn mindestens 6 Stunden in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr gearbeitet wird.

Wechselschichtarbeit kann eingeführt werden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat mit einer Ankündigungsfrist von mindestens 3 Tagen zum Wochenbeginn für eine Mindestdauer von 2 Wochen bei Doppelschicht und 3 Wochen bei 3 Schichten.

In Wechselschichten ohne feste Pausen ist den Arbeitnehmern zur Einnahme des Essens ausreichend Zeit ohne Verdienstabzug zu gewähren. Das Nähere regelt die Arbeitsordnung der Betriebe.

4. Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit, bei Nachtschichtarbeit auch die außerhalb des vorgenannten Zeitraumes liegende Arbeitszeit.

Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie für den Zeitraum von mindestens einer Arbeitswoche durchgeführt wird. Die Ansagefrist beträgt mindestens 24 Stunden.

5. …

6. …

§ 6

Zuschläge

1. Der Zuschlag beträgt bei

a) Mehrarbeit

b) Spätschichtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit

-

für die volle Spätschicht

10 %

Der Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr wird als Zuschlag für Nachtarbeit (§ 4 Ziffer 4.) gezahlt.

c) Nachtarbeit

-

für regelmäßige Nachtarbeit

25 %

-

für den Fall, daß die Ansagefrist (§ 4 Ziffer 4. Absatz 2) nicht eingehalten werden kann, ist für die erste Nacht ein Zuschlag zu zahlen von

50 %

-

für Nachtschichtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit (§ 4 Ziffer 3. Absatz 3) – für die volle Nachtschicht (§ 4 Ziffer 4. Absatz 1) -

25 %

-

für Nachtarbeit – einschließlich Nachtschichtarbeit – die zugleich Mehrarbeit von der 1. – 6. Stunde pro Woche ist

40 %

-

für unregelmäßige Nachtarbeit und Nachtarbeit – einschließlich Nachtschichtarbeit –, die zugleich Mehrarbeit ab der 7. Stunde pro Woche ist

50 %

d) …

2. …

3. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur ein Zuschlag, und zwar der höhere, zu zahlen.

4. …

5. …”

c) Das Landesarbeitsgericht hat § 6 Ziff. 1. b) als speziellere Regelung angesehen. Der Tarifvertrag stelle klar, daß auch Spätschichtzeiten nach 20.00 Uhr mit 10 % Zuschlag zu vergüten seien. Der Hinweis in § 6 Ziff. 1. b), daß der Zuschlag für Spätschichtarbeit ab 20.00 Uhr als Zuschlag für Nachtarbeit (§ 4 Ziff. 4.) gezahlt werde, sei keine Rechtsfolgeverweisung auf § 6 Ziff. 1. c) GMTV, sondern diese aus dem GMTV für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen übernommene Vorschrift diene ausschließlich der steuerlichen Klarstellung und sei durch das Steuerreformgesetz 1990 gegenstandslos geworden. Diese Regelung habe keine Bedeutung für die Zuschlagshöhe. Das folge schon daraus, daß sie im Hinblick auf § 6 Ziff. 3. GMTV überflüssig sei, lägen die Voraussetzungen für Spätschicht und Nachtarbeit kumulativ vor.

d) Dem ist im Ergebnis entgegen der Auffassung der Revision zu folgen.

aa) Die Revision meint, es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß eine Fallgruppe des § 6 GMTV der anderen vorgehen solle. Tatsächlich stünden die Regelungen gleichwertig nebeneinander. Dieser Fall der Konkurrenzsituation verschiedener Zuschläge sei den Verfassern des Tarifvertrages durchaus bewußt gewesen. Zur Lösung sei deshalb in Ziff. 3. des § 6 GMTV die Regelung getroffen worden, daß der höhere der konkurrierenden Zuschläge, hier 25 %, zu gewähren sei. Deshalb habe der Kläger Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 25 % für die von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden.

bb) Die Revision verkennt, daß die Tarifvertragsparteien zunächst in § 4 GMTV ua. die Begriffe Wechselschicht- und Nachtarbeit bestimmt haben. In § 6 haben sie Zuschläge für die verschiedenen Arbeitsformen geregelt. Nach § 6 Ziff. 1. b) beträgt der Zuschlag für Spätschichtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit für die volle Schicht 10 %. Damit ist geregelt, daß bei Wechselschichtarbeit für die volle Schicht nur ein Zuschlag zu zahlen ist, und zwar in Höhe von 10 %, nicht mehr und nicht weniger. Das ergibt sich daraus, daß dieser Zuschlag von 10 % für die volle Schicht zu zahlen ist. Wenn es dann weiter heißt, der Zuschlag für Spätschichtarbeit wird als Zuschlag für Nachtarbeit (§ 4 Ziff. 4. GMTV) gezahlt, so wird lediglich die Definition in § 4 Ziff. 4. GMTV aufgegriffen, nicht aber der Zuschlag der Höhe nach verändert, sondern verdeutlicht, daß insoweit die 10 % Zuschlag als Nachtzuschlag anzusehen sind. Damit sollte die Steuerfreiheit für einen Teil des Spätschichtzuschlages im Rahmen von Wechselschichtarbeit gesichert werden und ist damit zu erklären, daß für die Metall- und Elektroindustrie im Land Thüringen per 1. April 1991 der GMTV für die Hessische Eisen-, Metall- und Elektroindustrie übernommen wurde und damit auch die Regelung des Zuschlages für die Spätschicht ab 20.00 Uhr als Nachtarbeit, obwohl diese Bestimmung mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I S 1093) gegenstandslos geworden war, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Bestimmung des § 6 Ziff. 1. b) war bereits im GMTV für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 gültig ab 1. Oktober 1982 enthalten. In dem vom Arbeitgeberverband der Hessischen Metallindustrie e. V. 1982 herausgegebenen Kommentar zum GMTV 1982 heißt es in der Anmerkung 4 zu § 4:

„Diese Bestimmung dient ausschließlich der steuerrechtlichen Klarstellung. Die Zuschlagshöhe beträgt auch für Spätschichtarbeitsstunden, die nach 20.00 Uhr liegen, 10 %. Der MTV erklärt solche Spätschichtarbeitsstunden jedoch ausdrücklich nochmals als „Nachtarbeit” (im Sinn des § 3 b EStG vom 6. Dezember 1981 iVm. Abschn. 17 der LStR 1981) mit der Folge, daß der Spätschichtzuschlag von 10 % für Spätschichtarbeitszeiten nach 20.00 Uhr steuerfrei ist.”

§ 3 b EStG aF lautete:

„Steuerfreiheit bestimmter Zuschläge zum Arbeitslohn

(1) Gesetzliche oder tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags-, oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind steuerfrei. Die Zuschläge müssen in einem Gesetz oder in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt sein. An den Tarifvertrag müssen der Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber gebunden sein, oder das Arbeitsverhältnis muß dem Tarifvertrag unterstellt worden sein. Weichen die gezahlten Zuschläge von den gesetzlichen oder tarifvertraglichen Zuschlägen ab, so sind sie insoweit steuerfrei, als sie sich im Rahmen des Gesetzes oder Tarifvertrages halten.

(2) Zuschläge, die in anderen Fällen für tatsächlich geleistete

Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind steuerfrei, soweit sie

1. …

2. …

3. …

4. für gelegentliche Nachtarbeit 30 vom Hundert und für regelmäßige Nachtarbeit 15 vom Hundert

des Grundlohns nicht übersteigen.

(3) …”

§ 3 b EStG aF fand also Anwendung, wenn ein aufgrund Tarifgebundenheit oder Tarifunterstellung arbeitsrechtlich einschlägiger Tarifvertrag für eine bestimmte Tätigkeit die Zahlung eines besonderen Zuschlages festlegte und zwar dem Grunde nach – Art der Tätigkeit – und der Höhe nach (vgl. Schmidt Einkommensteuergesetz 8. Aufl. § 3 b Anm. 3 S 72). Mit Wirkung ab 1990 wurde § 3 b EStG durch das Steuerreformgesetz 1990 geändert. § 3 b EStG wurde wie folgt neu gefaßt (BGBl. I 1988, 1093 [1094]):

„Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit

(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie

1. für Nachtarbeit 25 vom Hundert,

2. …

3. …

4. …

des Grundlohns nicht übersteigen.

(2) Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr….

(3) …”

Damit wurde die Art der Festlegung (Zahlungsgrundlage) für die Steuerfreiheit eines Zuschlages bedeutungslos. Dementsprechend lautet die Anmerkung zu § 6 Ziff. 1. b) GMTV in dem Kommentar zum GMTV 1982 idF vom 10. März 1994 Stand 1. Dezember 1994 nunmehr wie folgt:

„Diese Bestimmung diente ausschließlich der steuerlichen Klarstellung. Sie ist in Folge der Steuerrechtsänderungen durch das Steuerreformgesetz 1990 seit 1. Januar 1990 gegenstandslos. …”

2. Der Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Zuschlagsdifferenzen ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag des Klägers. Eine im schriftlichen Arbeitsvertrag des Klägers festgelegte Erhöhung des Zuschlages ab 20.00 Uhr auf 25 % haben die Arbeitsvertragsparteien nicht vorgesehen.

3. Dem Kläger steht auch keine betriebliche Übung, die Inhalt des Arbeitsvertrages geworden ist, hinsichtlich der geltend gemachten Zuschlagsdifferenzen zur Seite.

Eine betriebliche Übung ist insoweit nicht vorhanden. Das würde voraussetzen, daß die Beklagte in der Vergangenheit die Zuschläge in Höhe von 25 % statt 10 % für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr über die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag hinaus, nach dem für den Kläger die jeweils gültigen Tarifverträge gelten, soweit nicht aufgrund von Tariföffnungsklauseln Abweichungen gegeben sind, und die Betriebsvereinbarungen für den Kläger Gültigkeit haben, zahlen wollte und bei dem Kläger und seinen Arbeitskollegen ein entsprechendes Vertrauen erweckt hätte. Das trifft jedoch nicht zu. Die Beklagte wollte in der Vergangenheit vielmehr ersichtlich nach dem GMTV verfahren und glaubte, danach zur Zahlung des Zuschlages für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr in Höhe von 25 % verpflichtet zu sein. Sie hat den erhöhten Zuschlag lediglich aus Gründen der irrtümlichen Annahme einer tariflichen Verpflichtung gezahlt. Von diesem Irrtum, den sie in ihrem Aushang von 13. Juni 1997 deutlich gemacht hat, konnte die Beklagte jedoch jederzeit wieder abrücken (vgl. Senat 21. April 1982 – 4 AZR 671/79 – BAGE 38, 291, 297; 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33, 49 f.; 11. März 1987 – 4 AZR 234/86 – nv.).

Die insoweit von der Revision erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Der Kläger verkennt, daß die betriebliche Übung nicht allein schon durch die faktische Leistungsgewährung ohne Rücksicht auf deren Begründung und Anlaß entsteht. Andernfalls würde auch bei irrtümlichen Zahlungen ein entsprechender Anspruch des Arbeitnehmers entstehen (Senat 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28, zu II 4 der Gründe). Die von der Revision vermißten Anhaltspunkte dafür, daß sich die Beklagte streng an die Vorschriften des GMTV binden will, liefert schon der Arbeitsvertrag. Nach ihm gelten die Tarifverträge und die Betriebsvereinbarungen. Der Senat hat in der ersichtlich von der Revision zitierten, aber falsch datierten und textlich nicht richtig wiedergegebenen Entscheidung vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – (BAGE 73, 191, 199 f.) ausgeführt:

„Eine irrtümliche Zahlung, von der der Arbeitgeber jederzeit wieder abrücken darf, verhindert das Entstehen einer betrieblichen Übung nur dann, wenn der Arbeitnehmer aus den Umständen den Irrtum erkennen konnte. Ein Rechtsirrtum der Beklagten kann dann für die betroffenen Arbeitnehmer erkennbar sein, wenn der Arbeitgeber mit seinen Zahlungen ersichtlich ausschließlich nach den vereinbarten Arbeitsbedingungen verfahren wollte (Senatsurteil vom 11. März 1987 – 4 AZR 234/86 –, nv).”

Und das war, wie ausgeführt, hier gerade der Fall. Die Beklagte hat die für sie geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen einhalten wollen und selbstverständlich den Arbeitsvertrag und seine Ergänzung dazu. Nicht mehr und nicht weniger. Darauf hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend abgestellt. Deshalb kommt es auf den Hinweis der Revision auf Ziff. 3.2.2. b) der Ergänzungsvereinbarung vom 4. Januar 1991 iVm. Ziff. 3.2. des Arbeitsvertrages vom 28. November 1990 ebensowenig an wie auf die weiteren Ausführungen der Revision in diesem Zusammenhang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Friedrich, Valentien, H. Scherweit-Müller

 

Fundstellen

Dokument-Index HI749374

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