Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Zuordnung der Verlegung von Natursteinplatten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betriebe, deren Arbeitnehmer überwiegend mit Natursteinpflasterarbeiten (Verlegung von Natursteinplatten) beschäftigt werden, fallen nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes.

2. Die Verlegung von Natursteinplatten ist tarifrechtlich als "Verarbeiten" von Naturstein im Sinne von § 1 Abs 2 Abschnitt VII Nr 6 Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (VerfTV) anzusehen.

3. Dem Begriff des "Verarbeitens" weisen die Tarifvertragsparteien eine eigenständige rechtliche Bedeutung zu. Sie verwenden ihn im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches. Dem entspricht auch § 950 BGB.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 950; BauRTV § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 03.05.1988; Aktenzeichen 5 Sa 1221/87)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 05.08.1987; Aktenzeichen 6 Ca 4711/87)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beiträge für Zusatzversorgung, Lohnausgleich und Urlaub der Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt. Sie verlangt von der beklagten Arbeitgeberin Auskünfte nach näherer tariflicher Regelung über die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer für die Monate Dezember 1981 bis Dezember 1984 sowie Beiträge für die Zeit von April 1985 bis Mai 1986 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von DM 9.018,60.

Im Betrieb der Beklagten wurden im Klagezeitraum während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit Natursteinpflasterarbeiten ausgeführt. Es wurden Böschungen und Grabenkreuzungen befestigt und außerdem Wasserablaufrinnen an Autobahnböschungen verlegt und befestigt. Ferner befaßte sich der Betrieb der Beklagten mit dem Pflastern von Straßen und Wegen. Die Gräben, die die Arbeitnehmer der Beklagten durch Verlegen von Pflastersteinen, sogenanntem Wildpflaster, befestigten, wurden nicht von der Beklagten ausgehoben.

Die Klägerin hat behauptet, während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit würden im Betrieb der Beklagten folgende Arbeiten ausgeführt: Ausschacht- und Aushubarbeiten von Baugruben, Schächten und Gräben einschließlich des Abtransports des angefallenen Erdreichs mittels eigenem Lkw, Verlegung von Drainagerohren und Betonrohren, Verfüllen und Verdichten der Schächte, Gruben und Gräben sowie die anschließende Wiederherstellung der Erdoberfläche, Verlegung von Verbundpflaster einschließlich der Auskofferung und der Erstellung des Planums, Asphaltarbeiten an Wegen und Straßen sowie Mauern von Kanalisationsschächten. Darüber hinaus seien in geringem Umfang von der Beklagten Abbrucharbeiten einschließlich des Abtransports des Bauschutts mit eigenen Lastkraftwagen ausgeführt worden.

Die Klägerin hat hinsichtlich ihres Auskunftsantrags für den Fall der Nichterfüllung eine Entschädigung gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG in Höhe von 80 v.H. der zu erwartenden Beiträge gefordert.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

I. der Klägerin DM 9.018,60 zu zahlen,

II.1. der Klägerin auf dem vorgeschriebe-

nen Formular Auskunft darüber zu er-

teilen,

1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine

nach den Vorschriften der Reichs-

versicherungsordnung über die Ren-

tenversicherung der Arbeiter (RVO)

versicherungspflichtige Tätigkeit

ausübten, in den Monaten Dezember

1981 bis Dezember 1984 in dem Be-

trieb der Beklagten beschäftigt

wurden sowie in welcher Höhe die

lohnsteuerpflichtige Bruttolohn-

summe insgesamt für diese Arbeit-

nehmer und die Beiträge für die So-

zialkassen der Bauwirtschaft in

den genannten Monaten angefallen

sind,

1.2 wieviel technische und kaufmänni-

sche Angestellte sowie Poliere und

Schachtmeister in den Monaten De-

zember 1981 bis Dezember 1984 in

dem Betrieb der Beklagten beschäf-

tigt wurden und in welcher Höhe

Beiträge für die Zusatzversorgungs-

kasse des Baugewerbes VVaG in den

genannten Monaten angefallen sind,

2. für den Fall, daß diese Verpflich-

tung zur Auskunftserteilung inner-

halb einer Frist von zwei Wochen

nach Urteilszustellung nicht er-

füllt wird, an die Klägerin folgen-

de Entschädigungen zu zahlen:

zu Nr. 1.1 DM 53.120,--

zu Nr. 1.2 DM 546,91.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 8. April 1987 nach dem Klagebegehren mit der Maßgabe verurteilt, daß es die Frist zur Auskunftserteilung nach Ziff. II.2 auf sechs Wochen nach Urteilszustellung festgesetzt hat. Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 8. April 1987

aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 8. April 1987 die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, ihr Betrieb falle nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe. Ihre Arbeiten seien vielmehr dem Landschaftsbau zuzuordnen oder dem Naturstein verarbeitenden Gewerbe.

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 8. April 1987 aufrechterhalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Urteile des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts, durch das das Versäumnisurteil vom 8. April 1987 aufrechterhalten wurde. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von DM 9.018,60 verlangen noch Auskunft über die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer und deren Vergütung. Denn der Betrieb der Beklagten wird vom Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe nicht erfaßt.

Als Anspruchsgrundlage der Klageforderung hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer kommt für den Zeitraum vom Dezember 1981 bis 31. Dezember 1983 § 2 Abschnitt I Ziff. 6 Abs. 6 des Tarifvertrags über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 in der Fassung vom 10. November 1981 (Verfahrens-TV) und für den Klagezeitraum vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1984 sowie April 1985 bis Mai 1986 § 13 des Tarifvertrags über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 19. Dezember 1983, für 1985 in der Fassung vom 12. Dezember 1984 und für 1986 in der Fassung vom 17. Dezember 1985 (Verfahrens-TV) in Betracht. Hinsichtlich der technischen und kaufmännischen Angestellten sowie der Poliere und Schachtmeister ist § 2 Ziff. II 2 und 3 des Tarifvertrags über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische Angestellte und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes vom 30. Oktober 1975 in der Fassung vom 28. Dezember 1979, für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1985 in der Fassung vom 19. Dezember 1983 und für 1986 in der Fassung vom 17. Dezember 1985 (Verfahrens-TV Angestellte) heranzuziehen.

Sämtliche angeführten Tarifverträge waren im Klagezeitraum allgemeinverbindlich, so daß sie für die von ihnen erfaßten Rechtsverhältnisse mit unmittelbarer und zwingender Wirkung galten (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG). Nach den angeführten tariflichen Bestimmungen ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, auf einem von der Einzugsstelle (Klägerin) zur Verfügung gestellten Formblatt die mit der vorliegenden Klage begehrten Auskünfte zu erteilen und die daraus sich ergebenden Beiträge zu zahlen. Voraussetzung für eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten ist jedoch, daß sie unter den Geltungsbereich der Verfahrens-TV fällt. Diese Frage ist zu verneinen.

Für die Zeit bis 31. Dezember 1983 verweist § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV hinsichtlich des fachlichen Geltungsbereichs auf den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 (BRTV-Bau). § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV Angestellte verweist auf den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe vom 28. Dezember 1979, der insoweit wörtlich mit dem BRTV-Bau übereinstimmt. Ab 1. Dezember 1984 regelt § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV den betrieblichen Geltungsbereich unmittelbar. § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV Angestellte verweist für die Zeit ab 1. Januar 1984 auf den betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV. Dieser stimmt in seiner jeweiligen Fassung wörtlich mit § 1 Abs. 2 BRTV-Bau in seiner jeweiligen Fassung überein. Insoweit heißt es dort:

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Be-

triebe, die unter einen der nachfolgenden Ab-

schnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der be-

trieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestim-

mung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung

gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Ab-

schnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der

betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbe-

stimmung und nach ihrer betrieblichen Einrich-

tung gewerblich bauliche Leistungen erbringen,

die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder

Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung,

Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von

Bauwerken dienen.

Abschnitt III

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Ab-

schnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch

die Art der betrieblichen Tätigkeiten gepräg-

ten Zweckbestimmung und nach ihrer betriebli-

chen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung

von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich son-

stige bauliche Leistungen erbringen.

Abschnitt IV

...

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten

Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen

Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art aus-

geführt werden:

...

9. Erdbewegungsarbeiten (Wegebau-, Meliora-

tions-, Landgewinnungs-, Deichbauarbeiten,

Wildbach- und Lawinenverbau, Sportanlagen-

bau sowie Errichtung von Schallschutzwäl-

len und Seitenbefestigungen an Verkehrswe-

gen);

...

31. Straßenbauarbeiten (Stein-, Asphalt-, Be-

ton-, Schwarzstraßenbauarbeiten, Holzpfla-

sterarbeiten, Fahrbahnmarkierungsarbeiten,

ferner Herstellen und Aufbereiten des Misch-

gutes, sofern mit dem überwiegenden Teil

des Mischgutes der Betrieb, ein anderer

Betrieb desselben Unternehmens oder inner-

halb von Unternehmenszusammenschlüssen

- unbeschadet der gewählten Rechtsform -

der Betrieb mindestens eines beteiligten

Gesellschafters versorgt wird);

...

Abschnitt VI

Betriebe, soweit in ihnen die unter den Ab-

schnitten I bis V genannten Leistungen über-

wiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich

als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. ...

...

Abschnitt VII

Nicht erfaßt werden Betriebe

...

6. des Natur- und Kunststein be- und verar-

beitenden Gewerbes und des Steinmetzhand-

werks,

...

Nach dem systematischen Aufbau dieser Bestimmungen werden in den Abschnitten I bis III allgemeine Merkmale für Betriebe des Baugewerbes aufgeführt, während in Abschnitt V einzelne Tätigkeiten zusammengestellt sind, bei denen es sich nach dem Tarifwortlaut um Beispielsfälle der in Abschnitt I bis III genannten Betriebe handelt. Demgemäß fallen Betriebe, in denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten verrichtet werden, unter den betrieblichen bzw. fachlichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV, ohne daß noch auf die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zurückgegriffen werden muß (BAGE 48, 390, 394 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Im vorliegenden Fall kann der Betrieb der Beklagten das Tätigkeitsbeispiel des Abschnitts V Nr. 31 "Straßenbauarbeiten" erfüllen. In dem Tätigkeitsbeispiel werden in einem Klammerzusatz zur Erläuterung ausdrücklich "Steinstraßenbauarbeiten" erwähnt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die sich auch die Revision zu eigen macht, werden im Betrieb der Beklagten während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit der Arbeitnehmer Natursteinpflasterarbeiten ausgeführt, wobei Naturbruchsteinplatten verwendet werden. Soweit hierbei Wegeplatten verlegt werden, sind dies unzweifelhaft "Steinstraßenbauarbeiten" im tariflichen Sinne. Zum Ausbildungsberufsbild des Straßenbauers gehört auch das "Ausführen von Pflasterarbeiten" (Anlage 3 Ziff. III A 1 Nr. 8 zu den §§ 11, 36 und 37 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft in der Fassung vom 17. Dezember 1984 - BGBl. I S. 1599 -). Der Straßenbauer ist gerade aus dem Handwerk des Pflasterers hervorgegangen (Blätter zur Berufskunde, Bd. 1-II C 107, S. 13). Soweit die Beklagte die Pflasterarbeiten an Böschungen und Grabenkreuzungen sowie Wasserablaufrinnen ausführt, kann allerdings fraglich sein, ob es sich dabei um Straßenbauarbeiten im tariflichen Sinne handelt, da der Senat darunter nur solche Arbeiten versteht, die unmittelbar zum Bau einer Straße zu leisten sind, also die Straße als Baukörper, als das von Bauarbeitern herzustellende Werk, betreffen (BAG Urteil vom 8. Mai 1985 - 4 AZR 516/83 -, AP Nr. 66 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Insoweit kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht das Tarifbeispiel Nr. 9 (Erdbewegungsarbeiten) in Betracht. Bei Erdbewegungsarbeiten im tariflichen Sinne muß die Bewegung von Erde bzw. des Erdreichs den eigentlichen Gegenstand der Tätigkeit bilden (BAG Urteil vom 8. Mai 1985, aaO). Das trifft für Pflasterarbeiten nicht zu.

Es kann aber offenbleiben, ob die Pflasterarbeiten der Beklagten an Böschungen, Grabenkreuzungen und Wasserablaufrinnen den Straßenbauarbeiten zugeordnet werden können. Denn wenn dies nicht zutrifft, werden diese Arbeiten der Beklagten jedenfalls von Abschnitt II des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erfaßt. Die Merkmale des Abschnitts I des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erfüllt der Betrieb der Beklagten nicht, da Abschnitt I nur die Erstellung von Bauten aller Art erfaßt, worunter Gebäude zu verstehen sind (vgl. BAG Urteil vom 8. Mai 1985, aaO). Der Erstellung von Gebäuden dienen die Pflasterarbeiten der Beklagten aber nicht.

Dagegen dienen die Pflasterarbeiten der Beklagten der Erstellung von Bauwerken im Sinne von Abschnitt II des § 1 Abs. 1 BRTV-Bau. Bauwerke im Sinne des Abschnitts II sind nach ständiger Senatsrechtsprechung irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (BAG Urteil vom 8. Mai 1985, aaO, mit weiteren Nachweisen). Böschungen, Gräben, Wasserablaufrinnen, die mit Natursteinpflaster befestigt werden, sind in diesem Sinne mit dem Erdboden verbundene Anlagen, die aus Baustoffen (Pflastersteinen) mit baulichem Gerät hergestellt werden. Es handelt sich insoweit auch um eine bauliche Leistung, da Pflastern zum Berufsbild des Baugewerbes gehört.

Obwohl es sich damit bei dem Betrieb der Beklagten um einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau handelt, wird der Betrieb der Beklagten nicht vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau und damit der Verfahrens-TV erfaßt. Denn er fällt unter den Ausnahmekatalog des Abschnitts VII des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau und der Verfahrens-TV. Danach werden bestimmte Betriebe nicht vom Geltungsbereich des Verfahrens-TV erfaßt, u.a. nach Ziff. 6 des Abschnitts VII "Betriebe des Natur- und Kunststein be- und verarbeitenden Gewerbes". Damit bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß Betriebe dieses Gewerbes, auch wenn sie unter Merkmale der vorangehenden Abschnitte des § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV fallen, trotzdem nicht vom betrieblichen bzw. fachlichen Geltungsbereich der Bautarife erfaßt werden sollen (BAG Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 228/87 -, AP Nr. 86 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vgl. auch BAGE 48, 390, 397 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Auch wenn man davon ausgeht, daß Pflasterarbeiten der Beklagten unter die Beispielstätigkeit des Abschnitts V Ziff. 31 (Steinstraßenbauarbeiten) fallen, können sie von Abschnitt VII Ziff. 6 Verfahrens-TV erfaßt werden. In dem Ausnahmekatalog des Abschnitts VII werden gerade solche Betriebe aufgeführt, die ohne die Regelung des Abschnitts VII nach den Abschnitten I bis VI als Betriebe des Baugewerbes anzusehen wären. Würden diese Betriebe von den Abschnitten I bis VI nicht erfaßt, wären die Regelungen des Abschnitts VII überflüssig, weil dann schon nach Abschnitt I bis VI kein Betrieb des Baugewerbes anzunehmen wäre. Da Abschnitt VII somit voraussetzt, daß die dort genannten Betriebe einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Abschnitte I bis VI darstellen, kann auch ein Betrieb, der unter die Beispielstätigkeiten des Abschnitts V fällt, unter den Voraussetzungen des Abschnitts VII vom Geltungsbereich der Bautarife ausgenommen werden. Eine Einschränkung dahingehend, daß Betriebe, die Beispielstätigkeiten des Abschnitts V ausführen, nicht unter den Ausnahmekatalog des Abschnitts VII fallen können, läßt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Damit sind auch Natursteinpflasterarbeiten vom Geltungsbereich des Verfahrens-TV ausgenommen, wenn sie unter Abschnitt VII Ziff. 6 fallen.

Die Beklagte verarbeitet mit der Verlegung von Natursteinplatten Natursteine. Unter "verarbeiten" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches ist zu verstehen: "Etwas als Material für die Herstellung von etwas verwenden" (Brockhaus/ Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 468). Demgemäß ist die Verlegung gerade die typische Art der Verarbeitung von Natursteinen. Eine anderweitige Verarbeitung von Natur- und Kunststeinen außerhalb des Steinmetzhandwerks, das in Ziff. 6 des Abschnitts VII getrennt aufgeführt ist, ist kaum denkbar. Darauf hat der Senat bereits in dem angeführten Senatsurteil vom 14. Oktober 1987 hingewiesen.

Die Einwendungen der Revision geben keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob die von der Beklagten für die Pflasterarbeiten verwendeten Natursteine zuvor bearbeitet waren. Unter Naturstein ist zwar nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur der unbehauene, aus natürlichem Vorkommen, besonders aus Steinbrüchen, gewonnene Stein zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 805). Wenn die Tarifvertragsparteien in Abschnitt VII Ziff. 6 das Naturstein "be- und verarbeitende Gewerbe" erfassen, kann dies aber nur so verstanden werden, daß damit auch das Gewerbe gemeint ist, das bearbeitete Natursteine verarbeitet. Es kann ohnehin nicht gefordert werden, daß der betreffende Betrieb Natursteine be- und verarbeitet. Das Wort "und" hat in Abschnitt VII keine kumulative Bedeutung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des Wortes "und" auch in Abschnitt VII darin, mehrere aufgezählte Arbeiten sprachlich miteinander zu verbinden. Insoweit ist aus dem Tarifvertrag kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Begriff "und" in Abschnitt VII anders zu verstehen ist als in Abschnitt V (BAG Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 228/87 -, AP Nr. 86 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die Verbindung von Be- und Verarbeitung in Abschnitt VII Ziff. 6 legt es aber nahe, daß damit auch die Verarbeitung eines bereits bearbeiteten Natursteins erfaßt wird, z. B. bei einem Betrieb, der Natursteine zunächst be- und dann verarbeitet.

Dies wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. Bei dem in dem Tätigkeitsbeispiel des Abschnitts VII Ziff. 6 ferner erwähnten Kunststein handelt es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch um einen "aus Beton hergestellten Baustein" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 354). Der Kunststein ist damit ein von vornherein bearbeiteter Stein. Dies bedeutet, daß jedenfalls die Verarbeitung eines Kunststeins begriffsnotwendig einen bereits bearbeiteten Stein betrifft. Dann aber ist es gerechtfertigt, unter der Verarbeitung von Natursteinen im tariflichen Sinne auch die Verarbeitung eines bereits bearbeiteten Natursteins zu verstehen.

Für diese Auffassung spricht ferner, daß unter Abschnitt VII Ziff. 6 auch Betriebe des Steinmetzhandwerks fallen. Der Steinmetz bearbeitet Steine (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 45). Darüber hinaus gehört zum Steinmetzhandwerk aber auch das Verlegen von Boden- und Wandplatten (Blätter zur Berufskunde, Bd. 1-III B 205 a, S. 4). Demgemäß umfaßt das Steinmetzhandwerk auch die Verarbeitung (Verlegen) bereits bearbeiteter Platten. Dann aber ist es nicht nur sachgerecht, das Verlegen von Natur- und Kunststeinen als Verarbeitung im Sinne von Abschnitt VII Ziff. 6 anzusehen (BAG Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 228/87 -, AP Nr. 86 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), sondern auch unter der Verarbeitung von Natursteinen das Verlegen bereits bearbeiteter Natursteine zu verstehen. Dies entspricht dem Grundsatz, daß im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II).

Hiergegen spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht der Rahmentarifvertrag für die Naturstein- und Naturwerkstein-Industrie Nordwestdeutschlands vom 25. November 1987, der auf Arbeitnehmerseite - ebenso wie die Tarifverträge für das Baugewerbe - von der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden abgeschlossen worden ist. Vielmehr trifft das Gegenteil zu. Hierbei kann offenbleiben, ob und inwiefern dieser Tarifvertrag überhaupt zur Auslegung der Tarifverträge für das Baugewerbe herangezogen werden kann (vgl. hierzu BAG Urteil vom 31. Oktober 1984 - 4 AZR 604/82 -, AP Nr. 3 zu § 42 TVAL II). Der angeführte Tarifvertrag unterscheidet in seinem Geltungsbereich zwischen der Naturstein-Industrie, die Natursteine gewinnt und bearbeitet, und der Naturwerkstein-Industrie, wobei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einem Naturwerkstein ein "steinmetzmäßig bearbeiteter Naturstein" zu verstehen ist (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 805). Daraus ist zu entnehmen, daß die Naturstein-Industrie Natursteine (nur) bearbeitet, die Verarbeitung von Natursteinen aber Gegenstand der Naturwerkstein-Industrie ist, wobei hier bearbeitete Natursteine verarbeitet werden. Wenn demgegenüber Abschnitt VII Ziff. 6 des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau und der Verfahrens-TV von der Be- und Verarbeitung von Natursteinen spricht, umfaßt er damit nicht nur den Gegenstand der Naturstein-Industrie (Bearbeitung), sondern auch den Gegenstand der Naturwerkstein-Industrie (Verarbeitung). Gerade weil die Tarifvertragsparteien einerseits im Rahmentarifvertrag für die Naturstein- und Naturwerkstein-Industrie Nordwestdeutschlands mit der Naturstein-Industrie nur Unternehmen erfassen, die Natursteine bearbeiten, andererseits aber in Abschnitt VII Ziff. 6 Gewerbe erfassen, die Natursteine be- und verarbeiten, ergibt sich daraus, daß die Tarifvertragsparteien zwischen "bearbeiten" und "verarbeiten" unterscheiden. Dies ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Verarbeitung eine weitergehende Bedeutung zukommt. Hätten die Tarifvertragsparteien in Abschnitt VII Ziff. 6 nur Betriebe erfassen wollen, deren Gewerbe sich auf den Gegenstand der Naturstein-Industrie beschränkt, hätten sie dies dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie nur das "Natur- und Kunststein bearbeitende Gewerbe" in Abschnitt VII Ziff. 6 aufgenommen hätten.

Aus diesem Grunde kann der Auffassung der Revision, dem Begriff "verarbeiten" in Abschnitt VII Ziff. 6 komme keine eigenständige Bedeutung zu, nicht zugestimmt werden. Aus dem BRTV-Bau ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß dem Begriff "verarbeiten" keine eigenständige Bedeutung zukommen soll. Es kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden, daß sie insoweit eine überflüssige, verwirrende und sinnlose Regelung getroffen haben. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Tarifvertragsparteien auch in Abschnitt VII Ziff. 9 BRTV-Bau den Begriff der "Be- und Verarbeitung" verwenden, wenn sie die "Holz be- und verarbeitende Industrie" ansprechen. Die wiederholte Verwendung des Begriffs der Be- und Verarbeitung in Abschnitt VII läßt darauf schließen, daß die Tarifvertragsparteien unter Bearbeitung und Verarbeitung jeweils etwas anderes verstehen und daher jedem Begriff eine eigenständige Bedeutung zukommt. Demgemäß wird von dem Begriff der Holzverarbeitung derjenige Betrieb erfaßt, der Holz - auch ohne es zu bearbeiten - zur Herstellung eines bestimmten Gegenstands, z. B. einem Regal, verwendet.

Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich der Vorschrift des § 950 Abs. 1 BGB nicht entnehmen, daß unter Verarbeitung die Umgestaltung eines Materials oder mehrerer Stoffe zu einer neuen beweglichen Sache zu verstehen ist. § 950 Abs. 1 BGB unterscheidet gerade zwischen den Begriffen der Verarbeitung und der Umbildung, wenn es dort "durch Verarbeitung oder Umbildung" heißt. § 950 Abs. 1 BGB gibt auch keine nähere Bestimmung des Begriffs der Verarbeitung, sondern setzt ihn im Sinne eines Realaktes als gegeben voraus. Wenn nach § 950 Abs. 1 BGB durch Verarbeitung von Stoffen eine neue bewegliche Sache hergestellt werden kann, so ist das nur eine vom Gesetzgeber normierte Rechtsfolge, schließt jedoch keineswegs aus, daß unter "Verarbeitung" im Sinne der Tarifverträge für das Baugewerbe auch das Verlegen von Steinen verstanden werden kann.

Entgegen den weiteren Ausführungen der Revision setzt der Begriff der Verarbeitung nicht notwendig voraus, daß damit eine werterhöhende Veränderung des Ausgangsstoffs bezweckt wird. In der Praxis mag dies im allgemeinen zutreffen, begriffsnotwendig ist dies jedoch nicht. Abgesehen davon sind die Arbeiten der Beklagten auch werterhöhend. Nach der Herstellung eines Natursteinpflasters hat dieses Pflaster einen höheren Wert als die Summe des Werts der einzelnen Steine.

Der Hinweis der Revision, auch Ziegelsteine seien Kunststeine, so daß dann auch Maurerarbeiten aus dem Geltungsbereich des BRTV-Bau fielen, wenn der Begriff der Verarbeitung so ausgelegt würde, wie ihn der Senat versteht, geht fehl. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, der mangels anderweitiger Anhaltspunkte im BRTV- Bau für die Auslegung maßgebend ist, ist unter Kunststein "ein aus Beton hergestellter Baustein" zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 354). Damit fällt nur die Verarbeitung von Betonplatten unter Abschnitt VII Ziff. 6. Ziegelsteine fallen nicht hierunter.

Der von der Revision angenommene Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) liegt nicht vor. Wenn von der Ausnahmebestimmung des Abschnitts VII Ziff. 6 nur die Natursteinpflasterarbeiten, nicht aber die Holzpflasterarbeiten erfaßt werden, liegt dies im freien Regelungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Wer überwiegend Natursteinpflasterarbeiten ausführt, fällt danach nicht unter den Geltungsbereich des BRTV-Bau. Wer überwiegend Holzpflasterarbeiten ausführt, wird vom BRTV-Bau erfaßt.

Wenn die Revision meint, entsprechend dem angeführten Tarifvertrag für die Naturstein- und Naturwerkstein-Industrie Nordwestdeutschlands sei unter "verarbeiten" nur das Weiterbearbeiten zu einem anderen Baumaterial, nicht aber der Einbau von Materialien zu verstehen, fehlt für diese Differenzierung im BRTV-Bau jeder Anhaltspunkt. Mit der Weiterbearbeitung zu einem anderen Baumaterial wird der Begriff der "Bearbeitung" erfüllt. Dann käme dem Begriff der Verarbeitung in der Tat keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Gerade das läßt sich aber dem BRTV-Bau nicht entnehmen.

Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß damit dem Begriff der Steinstraßenbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 31 gleichwohl noch eine Bedeutung zukommt. Es handelt sich insoweit um Bautätigkeiten, die nur dann aus dem Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen sind, wenn es sich um Kunststeine oder Natursteine handelt und diese überwiegend von einem Betrieb ausgeführt werden.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Feller Dr. Freitag Dr. Etzel

Dr. Koffka Pallas

 

Fundstellen

RdA 1989, 133

AP § 1 TVG Tarifverträge-Bau (LT1-3), Nr 101

AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 103 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 370.8 Nr 103 (LT1-3)

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