Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit

 

Normenkette

BUrlG §§ 13, 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 03.08.1988; Aktenzeichen 7 Sa 414/88)

ArbG Bonn (Urteil vom 02.03.1988; Aktenzeichen 4 Ca 2641/87)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 3. August 1988 – 7 Sa 414/88 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 2. März 1988 – 4 Ca 2641/87 – wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Beklagte war seit dem 1. August 1969 bei der Klägerin zuletzt als Arbeiter im Ordnungs- und Verkehrsamt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II), zuletzt i.d.F. des 33. Änderungstarifvertrags vom 9. Januar 1987, gültig ab 1. Januar 1987, anzuwenden. § 47 BMT-G II lautet:

㤠47

Urlaubsabgeltung

(1) Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten.

Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 49 Abs. 1) oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (§ 56) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 56 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 zum Buhen kommt.

…”

Seit dem 6. Januar 1986 bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses war der Beklagte ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Am 28. Februar 1987 endete das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen Erwerbsunfähigkeit des Beklagten. Am 5. Februar 1987 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß ihm der „noch zustehende Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen in bar abgegolten” werde. Dieser Urlaubsanspruch setzte sich aus 15 Tagen Resturlaub aus dem Jahre 1986 und 5 Tagen Urlaub aus dem Jahre 1987 zusammen. Mitte März 1987 zahlte die Klägerin an den Beklagten als Urlaubsabgeltung den der Höhe nach unstreitigen Betrag von DM 2.218,83 DM. Unter Hinweis auf die Änderung des Tarifvertrags am 1. Januar 1987 forderte die Klägerin diesen Betrag am 9. April 1987 schriftlich erfolglos zurück.

Die Klägerin hat mit ihrer am 20. November 1987 zugestellter Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.218,83 DM nebst 4 % Zinsen ab 20. November 1987 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Der Beklagte ist nach § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet, den mit der Klage geforderten Betrag zurückzugewähren, weil er gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Abgeltung hatte.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, § 47 BMT-G II in der ab 1. Januar 1987 geltenden Fassung sei nicht zu entnehmen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch trotz der Erwerbsunfähigkeit eine Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Verfallfrist voraussetze. Dies ergebe sich auch nicht daraus, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch ein Surrogat des Urlaubsanspruchs sei; den Bedürfnissen des Arbeitslebens entspreche es vielmehr, beendete Arbeitsverhältnisse sofort abzuwickeln, um spätere Schwierigkeiten zu vermeiden.

Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Sie widerspricht sowohl der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG (vgl. dazu zusammenfassend Urteil des Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) als auch den Folgerungen, die von den Tarifvertragsparteien durch die Neufassung von § 47 BMT-G II gezogen worden sind (vgl. dazu die Urteile des Senats zur gleichlautenden Regelung in § 51 BAT vom 15. August 1989 – 8 AZR 530/88 – und vom 25. Januar 1990 – 8 AZR 12/89 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

II. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten am 28. Februar 1987 ist für ihn zwar ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs von 20 Urlaubstagen entstanden. Dieser Anspruch war jedoch nicht erfüllbar, weil der Beklagte nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiterhin arbeitsunfähig war und ihm der Urlaub – auch wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt der Rückforderung des Abgeltungsbetrags und später fortbestanden hätte – nicht mehr hätte erteilt werden können. Der Urlaubsanspruch ist auch nicht etwa im Verlauf des Rechtsstreits erfüllbar geworden. Vielmehr ist der auf dem Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1986 beruhende Abgeltungsanspruch am 30. Juni 1987 und der Urlaubsabgeltungsanspruch für den nicht gewährten Urlaub aus dem Jahre 1987 am 30. Juni 1988 erloschen (§ 46 BMT-G II). Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, daß er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubsanspruchs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können (vgl. Urteil des erkennende Senat vom 20. April 1989, a.a.O.).

Von dieser nach § 7 Abs. 4 BUrlG für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs gebotenen Beurteilung (vgl. dazu zuletzt zusammenfassend Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1989, a.a.O.) ist auch für den Abgeltungsanspruch nach § 47 BMT-G II in der seit 1. Januar 1987 maßgebenden Fassung auszugehen. Nach § 47 Abs. 1 BMT-G II ist ein Abgeltungsanspruch nicht zu erfüllen, wenn die Arbeitsunfähigkeit, die der Urlaubsgewährung entgegengestanden hat, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fortbesteht. Zwar haben der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung) und ihm folgend der erkennende Senat (zuletzt: Urteil vom 18. Juli 1989 – 8 AZR 44/88 –, zu 3 a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) angenommen, daß nach § 51 Abs. 1 BAT in der bis zum 31. Dezember 1986 geltenden Fassung, der § 47 Abs. 1 und 2 BMT-G II inhaltlich entsprochen hat, ein Abgeltungsanspruch auch bestand, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zum Verfallzeitpunkt nicht mehr hätte gewährt werden können. Im Urteil vom 15. August 1989 (– 8 AZR 530/88 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat der erkennende Senat jedoch entschieden, daß nach § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT n. F. (= § 47 Abs. 1 und 2 BMT-G II i.d.F. des 33. Änderungstarifvertrags) für die Abgeltung von Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung, Auflösungsvertrag, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. vor dem Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte, keine tariflichen Besonderheiten mehr gelten. In diesen Fällen erlischt der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, wenn der Angestellte vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt. Der Senat ist damit der einhelligen Meinung des Schrifttums gefolgt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT Stand August 1989, § 51 Anm. 3 e; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT Stand September 1989, § 51 Erl. 2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT Stand Max 1989, § 51 Rz 11; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, BAT Stand Oktober 1989, § 51 S. 200/2; Peltzer, NZA 1988, 493). Diese Auffassung hat der erkennende Senat inzwischen für § 51 BAT mit Urteil vom 25. Januar 1990 (– 8 AZR 12/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) bestätigt. Für § 47 BMT-G II kann nichts anderes gelten.

III. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Zwar entspricht es der Tarifbestimmung und auch der Rechtsprechung des Senats, daß nach § 47 BMT-G II auch bei Erwerbsunfähigkeit eine Urlaubsabgeltung nicht ausgeschlossen ist. Daraus ist aber im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zugleich herzuleiten, daß der Urlaubsanspruch auch nach § 47 BMT-G II n. F. ohne Beachtung weiterer Merkmale abzugelten, also als Abfindung zu gewähren ist.

Gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts spricht auch, daß die Tarifvertragsparteien durch die Neufassung von § 47 BMT-G II gerade ein Merkmal beseitigt haben, das bis dahin in der Auslegung, die das Bundesarbeitsgericht hierzu vertreten hatte, die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs erleichtert hatte, indem bisher auf das Merkmal Erfüllbarkeit verzichtet war. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts entspricht damit auch nicht dem i Tarifvertrag erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien.

Soweit das Landesarbeitsgericht schließlich auf die Bedürfnisse des Arbeitslebens abgestellt hat, verkennt es, daß diesen bei entgegenstehenden gesetzlichen und tariflichen Regelungen keine Bedeutung zukommen kann.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Pradel, Plenge

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1015723

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