Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit

 

Normenkette

BUrlG § 7

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 09.05.1988; Aktenzeichen 6 Sa 159/88)

ArbG Aachen (Urteil vom 07.12.1987; Aktenzeichen 3 Ca 1487/87)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Mai 1988 – 6 Sa 159/88 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 7. Dezember 1987 – 3 Ca 1487/87 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 683,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1987 verurteilt worden ist.

3. Von den Kosten der I. Instanz trägt die Beklagte 1/14. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1964 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II), zuletzt in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 38 vom 9. Januar 1987, gültig ab 1. Januar 1987, anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

㤠53

Erfüllung des Urlaubsanspruchs

(1) Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten.

Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen, wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten.

§ 54

Urlaubsabgeltung

(1) Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 56 Abs. 1) oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (§ 62) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.

…”

Seit dem 5. Juni 1986 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete wegen der Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente am 31. März 1987. Der Kläger wäre auch danach aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit als Kraftfahrer auszuüben.

Mit Schreiben vom 25. März 1987 hat der Kläger die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahre 1986 und von 18 Urlaubstagen aus dem Jahre 1987 verlangt. Die Beklagte hat sich geweigert, den Abgeltungsanspruch zu erfüllen.

Mit der am 2. Oktober 1987 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.490,24 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1987 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.558,24 DM (48 Urlaubstage × 136,63 DM) verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Urteil des Arbeitsgerichts angefochten, soweit sie zur Zahlung von mehr als 683,15 DM (5 Urlaubstage × 136,63 DM) verurteilt worden ist.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht über die vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannte Abgeltung von fünf Urlaubstagen in Höhe von 683,15 DM kein weiterer Urlaubsabgeltungsanspruch zu.

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht zwar angenommen, daß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 1987 ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 1986 und 1987 entstanden ist. Dem Kläger konnte der Urlaub nicht mehr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Freistellung von der Arbeitspflicht gewährt werden. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt nicht voraus, daß der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig ist (BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

II. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Anspruch jedoch erloschen, weil dem Kläger, auch wenn das Arbeitsverhältnis über den 31. März 1987 hinaus fortbestanden hätte, der Urlaub nicht mehr vor seinem Verfall hätte erteilt werden können.

1. Der erkennende Senat hat sich der Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 14. Mai 1986 (BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BurlG Abgeltung, zu II 2 der Gründe) angeschlossen. Danach entsteht zwar der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist oder nicht. Vom Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist seine Erfüllbarkeit zu unterscheiden. Erfüllbar ist der Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig und an sich arbeitsbereit ist. Trifft dies nicht zu, erlischt der Anspruch spätestens mit dem Ende des Übertragungszeitraums (BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BurlG Abgeltung und BAGE 48, 186 = AP Nr. 21 zu § 7 BurlG Abgeltung).

Es kann dahinstehen, ob der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahre 1986 nach § 53 Abs. 1 MTB II in der ab dem 1. Januar 1987 gültigen Fassung am 30. Juni 1987 oder nach der bis zum 31. Dezember 1986 gültigen Fassung dieser Tarifnorm erst am 31. Dezember 1988 erloschen ist. Der Kläger ist seit dem 5. Juni 1986 ununterbrochen krank und hat seine Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangt. Der Urlaubsanspruch für 1986 ist somit spätestens am 31. Dezember 1988, der für 1987 am 30. Juni 1988 erloschen.

2. Dem Landesarbeitsgericht ist nicht darin zu folgen, daß der Abgeltungsanspruch nach § 54 Abs. 1 MTB II in der ab 1. Januar 1987 geltenden Fassung keine Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs voraussetzt.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung) und ihm folgend der erkennende Senat (zuletzt: Urteil vom 18. Juli 1989 – 8 AZR 44/88 –, zu 3 a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) haben entschieden, daß nach dem mit § 54 Abs. 1 MTB II wörtlich übreinstimmenden § 51 Abs. 1 BAT in der bis zum 31. Dezember 1986 geltenden Fassung ein Abgeltungsanspruch auch bestand, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte. Dies ergab sich daraus, daß in § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT a.F. die Abgeltung ausdrücklich vorgesehen war, wenn „der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden” konnte. Aus dem Wegfall dieses Merkmals in § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT n.F. wie auch in § 54 Abs. 1 Satz 3 MTB II n.F. folgt, daß für die Abgeltung von Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Kündigung, Auflösungsvertrag, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. vor dem Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, keine tariflichen Besonderheiten gegenüber § 7 Abs. 4 BUrlG mehr gelten. Daher entfällt ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums seine Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangt.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Wittek, Wittendorfer, Dr. Gaber

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988675

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