Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsabgeltungsanspruch – Vererblichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wegen der Bindung an die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers sind der Urlaubsanspruch und der Urlaubsabgeltungsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht vererblich.

2. Ist ein tariflicher Urlaubsabgeltungsanspruch nicht an die nach § 7 Abs 4 BUrlG zu beachtenden Merkmale gebunden, geht er mit dem Tode des Arbeitnehmers auf die Erben über.

 

Orientierungssatz

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist Inhalt des Urlaubsanspruchs nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Weil die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers nicht mehr entstehen, so daß ein Urlaubsanspruch daher schon deshalb entfällt, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte.

 

Normenkette

BAT § 51; BGB § 432 Abs. 1, § 1922 Abs. 1, § 2032; BUrlG §§ 1, 3, 7 Abs. 4, § 13

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 10.11.1987; Aktenzeichen 11 Sa 1329/87)

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 12.06.1987; Aktenzeichen 3 Ca 552/87)

 

Tatbestand

Die Ehefrau des Klägers war bis zum 31. Dezember 1985 bei dem Beklagten als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags, zuletzt i. d. F. des 54. Änderungsvertrags (BAT) anzuwenden. § 51 BAT lautet:

㤠51 Urlaubsabgeltung

(1) Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58) oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (§ 59) endet, wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt oder wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann.

Ist dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden, oder hat der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst, wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 5 Satz 1 noch zustehen würde.

…..”

Die Ehefrau des Klägers hatte vor ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in den Kalenderjahren 1984 und 1985 Urlaubsansprüche von insgesamt 46 Tagen wegen Krankheit nicht nehmen können.

Am 6. Januar 1986 hatte der Beklagte der Ehefrau des Klägers schriftlich mitgeteilt, daß der von ihr nicht genommene Urlaub abgegolten werde und ihr als Urlaubsabgeltung 5.726,71 DM zustünden. Die Ehefrau des Klägers ist am 16. Januar 1986 gestorben.

Am 20. Januar 1986 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Ankündigung der Zahlung einer Urlaubsabgeltung sei hinfällig, weil dieser Anspruch nicht vererblich sei.

Mit seiner am 10. März 1987 erhobenen Klage hat der Kläger die Urlaubsabgeltung für die Erbengemeinschaft begehrt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 16. Januar 1986 in Iserlohn verstorbenen Frau Ingeborg Rosemarie S, bestehend aus dem Kläger, Herrn Heinrich P, C-Straße 26, 5800 Hagen 1, Frau Ilse N, L straße 26, 5600 Wuppertal-Barmen, und Frau Margot B, B Straße 56, 5800 Hagen, 5.726,71 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 26. Januar 1987 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Urlaubsabgeltung von 5.726,71 DM an die Erbengemeinschaft der Ehefrau des Klägers zu zahlen.

1. Für die Ehefrau des Klägers ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1985 nach § 51 BAT ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 46 Urlaubstage entstanden. Dieser tarifliche Anspruch ist mit dem Tode der Ehefrau des Klägers am 16. Januar 1986 auf die Erben übergegangen. Der Kläger begehrt zu Recht die Zahlung des als Abgeltung zu zahlenden Betrags von 5.726,71 DM an die Erbengemeinschaft (§ 1922 Abs. 1, § 2032, § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist Inhalt des Urlaubsanspruchs nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Weil die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers nicht mehr entstehen, so daß ein Urlaubsanspruch daher schon deshalb entfällt, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte. Außerdem endet das Arbeitsverhältnis zugleich mit dem Tod des Arbeitnehmers (arg. § 613 BGB). Auch deshalb kommt ein Urlaubsanspruch nicht mehr in Betracht.

Entsprechendes trifft für den (gesetzlichen) Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu. Auch für diesen Anspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 20. April 1989 - 8 AZR 621/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt) maßgeblich, daß der Arbeitnehmer, in dessen Person der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden ist, ihn nur verwirklichen kann, wenn er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Auch daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer gestorben ist.

Hängt danach die Erfüllbarkeit dieser Ansprüche jeweils von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ab, muß die Vererblichkeit von gesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen schon deshalb ausscheiden, weil mit dem Tode des Arbeitnehmers dieses ausschlaggebende Merkmal endgültig entfallen ist.

Zu diesem Ergebnis ist auch der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13. November 1985 (BAGE 50, 147 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie) gelangt. Er hat dies angenommen mit einem „auch die Tarifvertragsparteien bindenden Rechtsgrundsatz, daß sich aus dem höchstpersönlichen Charakter von Urlaubsansprüchen und deren Zweckbestimmung u. a. auch ihre Unvererblichkeit” ergebe. Mit dem Tod des Arbeitnehmers könne nämlich der Urlaubszweck nicht mehr realisiert werden.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Scheidet die Vererblichkeit des Urlaubsanspruchs und des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG aus den obengenannten Gründen aus, kommt es auf einen Rechtsgrundsatz, nach dem Urlaubsansprüche höchstpersönlichen Charakter haben, nicht an. Insbesondere ist nicht ersichtlich, worauf sich die Bindung der Tarifvertragsparteien an einen solchen Rechtsgrundsatz auch im Hinblick auf § 13 Abs. 1 BUrlG gründen könnte.

3. Dennoch steht der Erbengemeinschaft der vom Kläger geforderte Betrag zu.

a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Ehefrau des Klägers leitet sich hier nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG, sondern aus § 51 BAT ab.

Hierzu hat bereits der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 45, 203, 207 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu III 3 der Gründe) festgestellt, daß diese Bestimmung eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Abgeltungsregelung zugunsten der davon betroffenen Arbeitnehmer enthält, die im Gegensatz zu § 7 Abs. 4 BUrlG gerade nicht darauf abstellt, daß der Angestellte bei Ausscheiden oder danach arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Nach § 51 Abs. 1 BAT besteht vielmehr ein Abgeltungsanspruch auch und gerade dann, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann (§ 51 Abs. 1 Satz 3 BAT). Gegen eine solche Erweiterung bestehen keine Bedenken nach § 13 Abs. 1 BUrlG. Von § 7 Abs. 4 BUrlG kann durch Tarifvertrag jedenfalls insoweit abgewichen werden, als eine für Arbeitnehmer günstigere Regelung geschaffen wird. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 18. Dezember 1986 - 8 AZR 357/84 - (nicht veröffentlicht) angeschlossen. Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, hiervon abzuweichen, sind nicht ersichtlich.

b) Ist daher der Abgeltungsanspruch nach § 51 BAT nicht an die nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu beachtenden Merkmale gebunden, beschränkt er sich allein auf eine Geldzahlungspflicht des Arbeitgebers, die mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis fällig ist. Eine solche Geldforderung des Erblassers geht nach § 1922 Abs. 1 BGB ohne weiteres auf die Erben über.

Die Ehefrau des Klägers hatte mit ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1985 diesen Anspruch erworben. Er steht seit ihrem Tod den Erben und damit auch dem Kläger zu.

4. Damit kommt es auf die Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht an, das in seiner Entscheidung darauf abgestellt hat, der Beklagte habe den Anspruch der Ehefrau des Klägers anerkannt.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Liebers, Brückmann

 

Fundstellen

BAGE 62, 252-255 (LT1-2)

BAGE, 252

BB 1989, 2335-2336 (LT1-2)

DB 1989, 2490-2491 (LT1-2)

DRsp, VI (604) 186 e-f (T)

FamRZ 1990, 158 (L1-2)

DOK 1991, 68 (S)

Gewerkschafter 1990, Nr 2, 43 (T)

JR 1990, 308

JR 1990, 308 (L1-2)

NZA 1990, 238-239 (LT1-2)

RdA 1989, 382

USK, 8935 (ST)

ZAP, EN-Nr 467/89 (S)

AP, Abgeltung (LT1-2)

AR-Blattei, ES 1640 Nr 332 (LT1-2)

AR-Blattei, Urlaub Entsch 332 (LT1-2)

EzA, (LT1-2)

EzBAT, (LT1-2)

MDR 1990, 83 (LT1-2)

PersR 1990, 88 (L)

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