Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Übergangsregelung nach Tarifvertragsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die in § 6 Nr. 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 vorgesehene Berücksichtigung der Zeit einer Bewährung vor Inkrafttreten der Tarifänderung am 1. Januar 1991 ist nach dem Einleitungssatz der Übergangsvorschriften begrenzt auf die Dauer desjenigen Arbeitsverhältnisses, welches am 31. Dezember 1990 bestanden und am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat; die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien bleibt somit unberücksichtigt.
  • Es bleibt offen, ob und unter welchen Voraussetzungen in Ausnahmefällen die Mitberücksichtigung solcher Bewährungszeiten geboten ist.
 

Normenkette

§ 6 Einleitungssatz des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT/VKA vom 24. April 1991

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.06.1994; Aktenzeichen 15 Sa 1206/93 E)

ArbG Braunschweig (Urteil vom 06.04.1993; Aktenzeichen 1 Ca 785/92 E)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Juli 1992.

Die Klägerin, seit dem 31. Oktober 1987 staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, trat am 9. November 1987 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aufgrund eines bis zum 8. November 1989 befristeten undatierten Arbeitsvertrages in die Dienste des Beklagten. In dessen Vorspann ist die Zahlung von Vergütung nach VergGr. Vb BAT vereinbart, und in § 2 ist bestimmt, daß einzelne dort genannte Bestimmungen des BAT einschließlich der hierzu ergangenen bezirklichen Regelungen oder die diese Vorschriften ersetzenden Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Während der Dauer dieses befristeten Arbeitsverhältnisses war die Klägerin als Sozialarbeiterin im Zentrum für Kinder und Jugendliche tätig.

Im unmittelbaren Anschluß an diese Tätigkeit wurde die Klägerin als Sozialarbeiterin im Freizeit- und Bildungszentrum W… wegen des krankheitsbedingten Ausfalls des Leiters dieser Einrichtung auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 30. Oktober 1989 weiterbeschäftigt. In diesem Arbeitsvertrag haben die Parteien die uneingeschränkte Geltung des BAT sowie der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge, die auf ihr Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ohnehin anzuwenden sind, vereinbart. Das Arbeitsverhältnis, in dem die Klägerin weiterhin Vergütung nach VergGr. Vb BAT bezog, war nach der Anlage zum Vertrag vom 30. Oktober 1989 befristet; es sollte danach “– ohne daß es einer Kündigung bedarf – spätestens eine Woche nach der Wiederaufnahme der Arbeit durch den Vertretenen” enden. Diese vereinbarte Beendigung trat am 10. Januar 1990 ein. In der Folgezeit war die Klägerin arbeitslos.

Am 4. Juli 1990 schlossen die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag, in dem sie die Einstellung der Klägerin zum 13. August 1990 und wiederum die Zahlung von Vergütung nach der VergGr. Vb BAT und die uneingeschränkte Anwendung des BAT vereinbarten, wobei sie übereinstimmend von der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände maßgeblichen Fassung ausgehen. Nachdem die Klägerin zunächst im Jugendzentrum S… der Beklagten als Sozialarbeiterin beschäftigt worden war, wechselte sie mit einer geänderten Lage ihrer Arbeitszeit am 1. April 1992 in das Jugendamt der Beklagten. Seit August 1992 erhält die Klägerin Vergütung nach der VergGr. IVb BAT.

Am 18. Dezember 1991 hat die Klägerin schriftlich bei der Beklagten vergeblich die Zahlung von Vergütung nach der VergGr. IVb BAT beantragt. Mit ihrer im Laufe der beiden Tatsacheninstanzen zweimal eingeschränkten Klage erstrebt sie die Feststellung eines Anspruchs auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Juli 1992 nebst Rechtshängigkeitszinsen.

Sie hat geltend gemacht, nach der Übergangsvorschrift des § 6 Nr. 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 sei ihre Tätigkeit in der Zeit vom 9. November 1987 bis 10. Januar 1990 bei der Berechnung der Bewährungszeit mitzuberücksichtigen. Da sie sich in dieser Zeit – streitlos – ebenso wie seit ihrer unbefristeten Einstellung am 13. August 1990 als Sozialarbeiterin mit entsprechender Tätigkeit bewährt habe, seien die Voraussetzungen des Eingruppierungsmerkmals der VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT/VKA im Anspruchszeitraum erfüllt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte ihr für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Juli 1992 Vergütung nach VergGr. IVb statt VergGr. Vb BAT schuldet nebst 4 % Zinsen auf die Nettodifferenz zwischen beiden Vergütungsgruppen ab Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und ausgeführt, nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Einleitungssatzes der Übergangsvorschrift des § 6 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 sei eine vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Bewährungszeit nur innerhalb desjenigen Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, welches am 31. Dezember 1990 bestanden und am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden habe, nicht hingegen aus früheren Arbeitsverhältnissen derselben Arbeitsvertragsparteien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 10.483,58 DM festgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht für die Zeit vor dem 1. August 1992 gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IVb BAT/VKA zu.

I. Die Klage ist zulässig, denn es handelt sich um eine der im Bereich des öffentlichen Dienstes üblichen und zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklagen (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Der Feststellungsantrag ist auch zulässig, soweit er Zinsforderungen zum Gegenstand hat. In Eingruppierungsstreitigkeiten ist ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO nämlich nicht nur für die Hauptsache, sondern ebenso für die Zinsforderung zulässig. Dies ergibt sich daraus, daß die im Verhältnis zur Hauptschuld akzessorische Zinsforderung auch in prozessualer Beziehung das rechtliche Schicksal der Hauptforderung teilen soll (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).

II. Die danach zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Juli 1992 nicht die von dem Eingruppierungsmerkmal der VergGr. IVb Fallgr. 17 der Anlage 1a zum BAT/VKA (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) aufgestellte Voraussetzung der zweijährigen Bewährung in VergGr. Vb Fallgr. 10 BAT/VKA erfüllt. Ihre Tätigkeit bei der Beklagten in der Zeit vom 9. November 1987 bis 10. Januar 1990 kann bei der Berechnung der Bewährungszeit nicht mitberücksichtigt werden.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der BAT vom 23. Februar 1961 und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Deren uneingeschränkte Geltung haben die Parteien überdies in ihren Arbeitsverträgen vom 30. Oktober 1989 und 4. Juli 1990 vereinbart. Danach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die nachfolgenden Tarifbestimmungen der Anlage 1a zum BAT/VKA (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) an:

Vergütungsgruppe Vb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

    (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe IVb

  • Sozialarbeiter/Soziapädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

    nach zweijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 10.

    (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

§ 6

Übergangsvorschriften für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

  • Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit vorbehaltlich der nachstehenden Nr. 3 so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.

Die in den Fallgruppen genannten Protokollerklärungen sowie die Fußnote sind für die Entscheidung des Rechtsstreits ebensowenig von Bedeutung wie die Nr. 3 der Übergangsvorschriften.

2. Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT/VKA ist also, soweit hier von Interesse, daß die Klägerin Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung ist, eine entsprechende Tätigkeit ausübt, die volle Bewährungszeit abgelaufen ist und sie sich tatsächlich bewährt hat.

2.1 Unstreitig ist die Klägerin seit dem 31. Oktober 1987 staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin und seit ihrer Einstellung bei der Beklagten stets mit entsprechenden Tätigkeiten bei dieser tätig gewesen. Sie hat sich in diesen Tätigkeiten auch bewährt, wie die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat. Es kommt für die Entscheidung des Rechtsstreits, worin die Parteien übereinstimmen und wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, allein darauf an, ob die Klägerin die im Eingruppierungsmerkmal der VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT/VKA vorausgesetzte zweijährige Dauer der Bewährungszeit bereits am 1. Januar 1991 aufweist. Dies ist nicht der Fall.

2.2 Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß einerseits das Eingruppierungsmerkmal der VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT/VKA durch den Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 24. April 1991 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 – ab diesem Zeitpunkt macht die Klägerin ihre Eingruppierung in diese Vergütungs- und Fallgruppe geltend – eingeführt worden ist, die Tarifvertragsparteien andererseits aber in einer Übergangsregelung unter bestimmten Voraussetzungen die Berücksichtigung der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe vor dem Inkrafttreten der Tarifänderung vorgesehen haben. Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach den Übergangsvorschriften des § 6, soweit diese hier von Interesse sind, daß die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe für die Eingruppierung des Angestellten, wenn für diese bedeutsam, so berücksichtigt wird, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte. Somit ist also die Berücksichtigungsfähigkeit einer vor dem 1. Januar 1991 liegenden Zeit einer Bewährung begrenzt auf dasjenige Arbeitsverhältnis, welches am 31. Dezember 1990 bestanden und am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages.

2.2.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223 f. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., XV. Buch (Das Tarifrecht), § 198 III 2b, S. 1488 f.).

Der Wortlaut des Einleitungssatzes der Übergangsvorschriften des § 6 führt zu dem eindeutigen Ergebnis, daß die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien, deren Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1990 bestanden und zwischen ihnen am 1. Januar 1991 fortbestanden hat, für die Berechnung der Bewährungszeit in einem durch den Tarifvertrag vom 24. April 1991 neu eingeführten Eingruppierungsmerkmal nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unberücksichtigt bleibt.

2.2.2 Die Klägerin fällt zwar unter den persönlichen Geltungsbereich der Übergangsvorschriften, denn sie stand am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das am 1. Januar 1991 zu dieser fortbestanden hat. Daher ist die vor dem 1. Januar 1990 zurückgelegte Zeit einer Bewährung nach § 6 Nr. 2 für das mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingeführte Eingruppierungsmerkmal der VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT/VKA grundsätzlich zu berücksichtigen. In zeitlicher Hinsicht bestimmt aber der Einleitungssatz des § 6, daß dies nur “für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses” gilt, nämlich desjenigen, welches über den Jahreswechsel 1990/1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, hingegen – wie kraft Umkehrschlusses zu folgern ist – nicht für frühere oder spätere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien.

2.2.2.1 Aus der Beschränkung der Übergangsregelung auf die “Dauer” des (“dieses”) über den Jahreswechsel 1990/1991 mit demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses folgt zunächst einmal unabweisbar, daß die Übergangsvorschrift nicht eingreift bei Angestellten, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem 1. Januar 1991 beendet haben oder beenden und – gegebenenfalls nach einer Unterbrechung – ein neues Arbeitsverhältnis bei demselben oder bei einem anderen vom BAT erfaßten Arbeitgeber neu begründet haben oder begründen (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1996, Teil II VKA, TV Sozial- und Erziehungsdienst, Anm. 1 ≪B. III≫). Dieses Tatbestandsmerkmal besagt aber auch, daß die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien für die Eingruppierung unberücksichtigt bleibt. Dauer ist eine Zeitspanne von bestimmter Länge (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., S. 321, Stichwort: “Dauer”). Die Länge dieser Zeitspanne wird von ihrem Beginn und ihrem Ende bestimmt. Mit der Beschränkung der Anrechenbarkeit der Zeit einer Bewährung auf die Dauer dieses – über den Jahreswechsel 1990/1991 fortbestehenden – Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber haben die Tarifvertragsparteien die Berücksichtigung der Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien – und auch mit einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes – eindeutig ausgeschlossen.

2.2.2.2 Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die dafür sprechen, entgegen dem Wortlaut des Einleitungssatzes der Übergangsvorschriften sei es der Wille der Tarifvertragsparteien, alle früheren Zeiten einer Bewährung des Angestellten bei demjenigen Arbeitgeber zu berücksichtigen, zu dem er am 31. Dezember 1990 in einem am 1. Januar 1991 fortbestehenden Arbeitsverhältnis gestanden hat. Vielmehr ist das Gegenteil zutreffend: Angesichts des Regelungsgegenstandes der Übergangsregelung – Fortdauer des Anspruchs auf die höhere Vergütung nach dem alten Tarifrecht über den Zeitpunkt der Tarifänderung hinaus (Nr. 1), Berücksichtigung von Zeiten einer Berufstätigkeit oder einer Bewährung vor Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsmerkmale für die Eingruppierung ab 1. Januar 1991 (Nr. 2) – mußten die Tarifvertragsparteien einen Zeitrahmen für beide Übergangsregelungen festlegen. Als ein solcher bietet sich die Dauer des über den Tag des Inkrafttretens der Neuregelung mit demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses an, allerdings auch die zeitliche Beschränkung auf diese. Es ist häufiger Regelungsinhalt arbeitsgesetzlicher, tarifvertraglicher oder betrieblicher Normen, Rechtsfolgen auf der Tatbestandsseite auf die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu beziehen, hingegen frühere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien nicht zu berücksichtigen. Dies gilt etwa für die Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG, die Länge der Kündigungsfrist (z. B. § 622 Abs. 2 BGB) sowie für tarifliche Regelungen über die Dauer des Jahresurlaubs bei langjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Höhe von Sonderzuwendungen u. a. m. Diesen Wertungsgrundsatz haben die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung der Übergangsregelung übernommen.

2.2.2.3 Der Wille der Tarifvertragsparteien, die über viel Erfahrung in der Vereinbarung von Übergangsregelungen verfügen, den Zeitrahmen der Übergangsvorschriften des § 6 zeitlich nur auf das über den Jahreswechsel 1990/1991 zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis zu begrenzen, wird aus der Verwendung des dem Begriff “Arbeitsverhältnis” vorangestellten Demonstrativpronomens “dieser” anstelle des schwächeren bestimmten Artikels “des” deutlich. Das Demonstrativpronomen “dieser” ist das sprachliche Mittel, auf eine Person oder Sache besonders hinzuweisen (Duden, Stilwörterbuch, 6. Aufl., unter “dieser”), sie zu identifizieren (Duden, Grammatik, 4. Aufl., Rz 552). Das Arbeitsverhältnis, für das sie eine Übergangsregelung vorsehen, haben die Tarifvertragsparteien auch unter Verwendung zeitlicher Merkmale genau beschrieben. Für die Dauer “dieses” Arbeitsverhältnisses soll die Sonderregelung gelten. Diese sprachliche Fassung verbietet die Mitberücksichtigung der Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien.

2.2.2.4 Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang hingegen lassen sich keine Erkentnisse dafür herleiten, ob die Berücksichtigung einer vor dem 1. Januar 1991 liegenden Zeit einer Bewährung frühere Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber erfassen soll, denn die Übergangsregelung ist vom Regelungsgegenstand her typischerweise nicht in das Gefüge der Eingruppierungsmerkmale eingebettet. Die zwischen den Parteien streitige Auslegungsfrage wird jedoch bereits durch den Wortlaut der Übergangsvorschrift eindeutig beantwortet. Zudem spricht für das Auslegungsergebnis der Vergleich mit den oben beispielhaft genannten Regelungen, bei denen für ganz unterschiedliche Rechtsfolgen ebenfalls auf der Tatbestandsseite nur auf die Dauer des aktuellen Arbeitsverhältnisses abgestellt wird, hingegen frühere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.

2.2.2.5 Aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Senats vom 29. September 1993 – 4 AZR 693/92 – BAGE 74, 268 = AP Nr. 4 zu § 20 BMT-G II und vom 9. März 1994 – 4 AZR 228/93 – AP Nr. 32 zu § 23a BAT ergeben sich entgegen ihrer Auffassung keine Argumente, die dafür sprechen, daß nicht nur die während der Dauer des über den Stichtag mit demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zurückgelegte Zeit einer Bewährung für die Eingruppierung in ein am 1. Januar 1991 neu eingeführtes Eingruppierungsmerkmal zu berücksichtigen ist, sondern auch diejenige in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien zurückgelegte. Beide Entscheidungen befassen sich mit der Frage, ob im Falle einer Tarifänderung Sachverhalte, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens derselben liegen – im Falle der Entscheidung vom 29. September 1993 – 4 AZR 693/92 – handelte es sich um die für die Eingruppierung bedeutsame Zeit einer Tätigkeit, in derjenigen vom 9. März 1994 – 4 AZR 228/93 – um eine Kinderbetreuungszeit –, von den geänderten Tarifbestimmungen erfaßt werden, in denen dies nicht ausdrücklich bestimmt war. Diese Frage stellt sich hier nicht. Die Übergangsvorschrift des § 6 Nr. 2 regelt ausdrücklich – in den von ihr gezogenen Grenzen – die Maßgeblichkeit der vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegten Zeit einer Tätigkeit oder einer Bewährung für den Vergütungsanspruch des Angestellten ab Inkrafttreten der Tarifänderung (Fall der sog. unechten Rückwirkung, vgl. dazu z. B. das Urteil des Senats vom 29. September 1993 – 4 AZR 693/92 – aaO, unter B II 3c der Gründe). Im vorliegenden Fall geht es vielmehr allein um die Rechtsfrage, ob die frühere Zeit einer Bewährung bei dem Arbeitgeber, zu dem ein über den Stichtag hinaus fortbestehendes Arbeitsverhältnis bestand, für die Eingruppierung nach dem neuen Tarifrecht zu berücksichtigen ist. Diese Frage stellte sich weder in dem der Entscheidung vom 20. September 1993 – 4 AZR 693/92 – noch in dem derjenigen vom 9. März 1994 – 4 AZR 228/93 – zugrundeliegenden Fall. In beiden Fällen gab es keine früheren Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber, da die durch die Ersteinstellung begründeten Arbeitsverhältnisse ohne Unterbrechung fortbestanden. Aus den Entscheidungen in diesen Sachen lassen sich also keine Erkenntnisse für die hier zu beantwortende Rechtsfrage ableiten.

2.2.3 Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übergangsregelung hat die Klägerin nicht vorgebracht. Solche sind auch nicht zu erkennen. Bei Tarifänderungen und auf diese bezogenen Übergangsregelungen müssen die Tarifvertragsparteien abschätzen, welche Belastungen durch die Tarifänderungen auf sie zukommen. Sie stehen vor der Aufgabe, die durch sie herbeigeführten finanziellen Belastungen in vertretbaren und vor allem überschaubaren Grenzen zu halten. Finanzielle und finanzpolitische Erwägungen rechtfertigen abgrenzende, differenzierende Regelungen (Urteil des Senats vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 – ZTR 1994, 462, 463). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien mit von ihnen vereinbarten Abgrenzungen und Differenzierungen die jeweils gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen haben. Sie haben nur zu prüfen, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien und damit die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet (Urteil des Senats vom 5. Dezember 1990 – 4 AZR 285/90 – AP Nr. 153 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu II 2a der Gründe). Diesbezüglich hat die Klägerin nichts beanstandet.

2.2.4 Es kann dahinstehen, ob die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien ausnahmsweise dann zu berücksichtigen ist, wenn das neue Arbeitsverhältnis mit dem seitherigen Arbeitgeber in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht. Hier kann auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Berücksichtigung eines früheren Arbeitsverhältnisses für die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG verwiesen werden. Danach kommt bei langfristigen Unterbrechungen eine Anrechnung der Dauer des früheren Arbeitsverhältnisses für die Wartezeit nicht in Betracht. Eine solche hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bisher bei einer Unterbrechung von 2 Monaten (Urteil vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – BAGE 62, 48 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit), von 2 2/3 Monaten (Urteil vom 11. November 1982 – 2 AZR 552/81 – AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) und von vier Monaten (Urteil vom 18. Januar 1979 – 2 AZR 254/77 – Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit) angenommen. Die mehr als siebenmonatige Lücke zwischen dem Ende des Zeitvertrages der Klägerin am 10. Januar 1990 und ihrer unbefristeten Einstellung am 13. August 1990 verbietet es, einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen mit der Beklagten zu sehen. Hinzu kommt noch, daß die Klägerin bis 10. Januar 1990 zur Vertretung eines arbeitsunfähigen Angestellten der Beklagten beschäftigt worden ist; ihre unbefristete Einstellung rund sieben Monate später stand damit in keinem Zusammenhang.

2.2.5 Soweit die Klägerin im zweiten Rechtszug darauf hingewiesen hat, die Tarifänderung stelle sie schlechter, als sie nach dem früheren Eingruppierungsrecht gestanden hätte – danach hätte ihr bereits ab Juni 1992 Vergütung nach VergGr. IVb BAT/VKA zugestanden –, ist dies kein Gesichtspunkt, der die Unwirksamkeit der Tarifvertragsänderung per 1. Januar 1991 zu begründen vermag. Die Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, die Eingruppierungsmerkmale auch zum Nachteil der Arbeitnehmer zu ändern. Dies hat der Senat erst jüngst zur Streichung eines Bewährungsaufstieges entschieden. Wird ein Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe beseitigt, so werden Verfassungsgrundsätze nicht berührt, wenn solchen Angestellten kein Besitzstand eingeräumt ist, die die früher notwendige Zeit teilweise zurückgelegt haben. Sie haben noch keine Anwartschaft als aufschiebend bedingten Anspruch auf eine höhere Vergütung erworben (Urteil des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 225/94 – AP Nr. 13 zu § 1 TVG Rückwirkung). Entsprechendes gilt für die Einführung des Bewährungsaufstiegs mit zweijähriger Bewährungszeit anstelle des Tätigkeitsaufstiegs nach einer Tätigkeit von vier Jahren, von der Angestellte nachteilig betroffen sind, die bereits mehr als zwei Jahre der früher notwendigen Tätigkeitszeit zurückgelegt haben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Bott, Schamann, Dassel

 

Fundstellen

Haufe-Index 872479

BB 1996, 1620

NZA 1996, 1161

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