Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Werkmeisters bei der Deutschen Bundesbahn AG, Werkstattdisponent, Disponent für die Betriebsleitstelle

 

Orientierungssatz

1. Ein „Werkstattdisponent” bei der DB AG ist kein „Disponent für die Betriebsleitstelle” iSd. bei der Entgeltgruppe E 9 ETV genannten Richtbeispiele.

2. Verrichtet ein Werkmeister (Richtbeispiel der Entgeltgruppe E 8) die in den Nachtschichten, am Wochenende und bei urlaubs- und krankheitsbedingter Abwesenheit des Werkstattdisponenten anfallenden Disponententätigkeiten, gehört dies zu den normalen Aufgaben eines Werkmeisters. Diese Tätigkeiten heben sich in ihrem Arbeitsinhalt nicht von der Entgeltgruppe E 8 ab.

 

Normenkette

Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG i.d.F. vom 1. August 1996 (ETV)

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 23.11.2000; Aktenzeichen 2 Sa 336/00)

ArbG München (Urteil vom 28.10.1999; Aktenzeichen 36 Ca 12200/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. November 2000 – 2 Sa 336/00 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung und die daraus folgende Vergütung des Klägers.

Der Kläger hat eine Berufsausbildung als Schlosser erfolgreich abgeschlossen. Er ist ausgebildeter Industriemeister mit einer Prüfung der Industrie- und Handelskammer. Seit dem 13. November 1992 ist der Kläger bei der Beklagten auf der Grundlage des am gleichen Tag geschlossenen Arbeitsvertrages als Facharbeiter beschäftigt. Er verdiente zuletzt als Werkmeister rund 4.000,00 DM brutto. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn bzw. den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Bis zum 30. April 1997 wurde der Kläger als Schlosser mit einer Vergütung gem. der Entgeltgruppe E 6 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der DB AG (ETV) eingesetzt. In der Zeit vom 1. September 1996 bis 30. April 1997 nahm er bereits die Aufgaben eines Werkmeisters entsprechend der Funktionsbeschreibung „WNS 409” wahr und erhielt hierfür den tarifvertraglich vorgesehenen Entgeltausgleich. Ab dem 1. Mai 1997 wurde ihm mit Schreiben vom 28. April 1997 der Arbeitsplatz eines Werkmeisters in einer Schichtgruppe entsprechend der Funktionsbeschreibung „WNS 434” im Werksegment M. mit einer Vergütung gem. der Entgeltgruppe E 8 des ETV übertragen.

Bei dem Werksegment M. handelt es sich um eine Werkstatt, in der die erforderlichen Reparaturen der S-Bahnen bestehend aus turnusmäßigen, regelmäßigen Wartungen und aktuell auftretenden Störungen im Schichtbetrieb durchgeführt werden. Die Werkstatt ist in acht Meisterbereiche (sog. Meistereien) mit je einem Meister und acht bis zehn Mitarbeitern gegliedert. In der Werkstatt befinden sich zahlreiche Gleise (sog. Stände) auf die die zu reparierenden S-Bahnen abgestellt werden und wo die einzelnen Meisterbereiche die Arbeitsaufträge ausführen.

In den Tagschichten von Montag bis Freitag wird in der Werkstatt ferner ein nach der Entgeltgruppe E 9 des ETV vergüteter sog. Werkstattdisponent eingesetzt. Seine Aufgabe besteht darin, die S-Bahn-Züge auf die einzelnen Stände zu verteilen und die jeweiligen Meistereien zur Erledigung der Reparatur- und Wartungsarbeiten einzuteilen. Dabei hat er nicht nur die planmäßigen Wartungsarbeiten zu berücksichtigen, sondern muß von der Lokleitung die aktuellen Störmeldungen entgegennehmen und entscheiden, welcher Meisterbereich die jeweilige Störung auf welchem Stand zu beheben hat. Der Werkstattdisponent disponiert sämtliche Arbeitsaufträge sowie den Einsatz der gesamten Meisterbereiche. Während dieser Zeit organisiert der Werkmeister die Tätigkeiten in seiner Meisterei. Er ist direkter Vorgesetzter der Mitarbeiter seiner Meisterei und muß neben der Erledigung der personellen Führungsaufgaben für die termin- und qualitätsgerechte Durchführung der Instandhaltungsarbeiten nach den Regeln der Technik unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte sorgen.

Während der Nachtschichten sowie an Samstagen und an Sonntagen kommt der sog. Werkstattdisponent nicht zum Einsatz. In diesem Zeitraum wird in der Werkstatt regelmäßig nur eine Meisterei als Schichtgruppe eingesetzt. Der Werkmeister nimmt dann die aktuellen Störmeldungen und Aufträge der Lokleitung entgegen und teilt diese Arbeiten – soweit sie während der Schicht erledigt werden können – sowie die bereits vorgefundenen Wartungs- und Reparaturaufträge für seine Schichtgruppe ein.

Seit Frühjahr 1997, zuletzt mit Schreiben vom 18. November 1997, beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Ausübung von Disponententätigkeiten seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9. Dem Antrag wurde von der Beklagten nicht entsprochen.

Der Kläger hat vorgetragen, er erfülle überwiegend Aufgaben eines Werkstattdisponenten. Die in den Nachtschichten, freitags ab 12 Uhr, an Samstagen und an Sonntagen sowie bei urlaubs- und krankheitsbedingter Abwesenheit des Werkstattdisponenten anfallenden Disponententätigkeiten nähmen mehr als 50 % seiner persönlichen Gesamtarbeitszeit in Anspruch. Die Arbeiten unterfielen der Entgeltgruppe E 9, weil sie als Aufgaben eines Werkstattdisponenten gem. der Funktionsbeschreibung vom 23. Oktober 1997 zu qualifizieren seien. Für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 komme es nicht darauf an, daß er nicht die Arbeit mehrerer Gruppen disponiere. In jedem Fall übe er Tätigkeiten eines Werkstattdisponenten aus, weil er in der Nachtschicht zumindest teilweise die Arbeit der Gruppen für den Tagdisponenten verbindlich vordisponiere.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. September 1996 nach der Entgeltgruppe E 9 des Entgelttarifvertrages für die Beschäftigten der Deutschen Bahn AG zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeiten des Klägers in den Nacht- und Wochenendschichten seien einer Werkstattdisponententätigkeit nicht gleichwertig. Während der Werkstattdisponent die Arbeit für ca. 100 Mitarbeiter, welche acht bis zehn Meistereien zugeordnet seien, disponiere, sei der Nacht- bzw. Wochenendschichtmeister nur für die Arbeitsvergabe an ca. zehn Arbeiter verantwortlich und dies im Rahmen einer geringen Anzahl von Arbeitsaufträgen inklusive Störmeldungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, steht dem Kläger der begehrte Vergütungsanspruch nach der Entgeltgruppe E 9 nicht zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger übe keine Disponententätigkeit iSd. Entgeltgruppe E 9 aus. Das Richtbeispiel „Disponent für die Betriebsleitstelle” müsse in der tariflichen Wertigkeit den übrigen in der Entgeltgruppe E 9 genannten Beispielfällen entsprechen. Demzufolge sei zu verlangen, daß der Werkstattdisponent nicht bloß gegenüber einer begrenzten Anzahl von Arbeitnehmern Reparaturaufträge vergebe und die Abarbeitung dieser Aufträge in der zeitlichen Reihenfolge seinem technischen Sachverstand entsprechend festlege. Vielmehr müsse seine Tätigkeit gerade dadurch geprägt sein, daß er in der Gemengelage zwischen bereits vorgegebener normaler Wartung und Instandsetzung und der akut auftretenden Notwendigkeit, Störfälle zu beheben, den Arbeitseinsatz zur Vermeidung von Leerlauf einerseits, nicht fristgerechter zur Verfügungstellung der erforderlichen S-Bahn-Züge andererseits für eine größere Gruppe von Arbeitnehmern koordiniere. Bei Anlegen dieses Maßstabs hebe sich die Tätigkeit des Klägers nicht in einem relevanten Umfang von dem in der Entgeltgruppe E 8 erfaßten Arbeitsinhalt ab.

II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Tätigkeiten des Klägers nicht die tarifvertraglichen Erfordernisse der Entgeltgruppe E 9 erfüllen.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach § 2 des Arbeitsvertrages der Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn bzw. die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Maßgebend für die Eingruppierung im Streitfall ist mithin der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG in der Fassung vom 1. August 1996 (ETV).

Dort sind die tarifvertraglichen Grundsätze für die Eingruppierung in § 3 ETV geregelt. Nach Abs. 1 richtet sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe nach der von ihm ausgeführten und nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach seiner Berufsbezeichnung. Die Entgeltgruppen und deren Tätigkeitsmerkmale ergeben sich wiederum aus dem Entgeltgruppenverzeichnis (Anl. 1). Werden dem Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind, so gilt nach Abs. 2 des § 3 ETV diejenige Entgeltgruppe, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht.

Nach der Anlage 1 zum ETV, Entgeltgruppenverzeichnis der DB AG, sind für die Eingruppierung ua. folgende Bestimmungen maßgebend:

„E 9 Tätigkeiten, die

  • durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind,
  • sich in ihrem Arbeitsinhalt von E 8 abheben und
  • die zu ihrer Ausführung eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern.

Die „Ausbildung an einer Fachhochschule” kann durch

  • Kenntnisse und Fertigkeiten,

    • die im Wege einer betrieblichen Ausbildung

      oder

    • durch langjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen Vortätigkeit erworben wurden,

ersetzt werden.

Richtbeispiele:

  • Disponent/in für die Betriebsleitstelle, Betriebsüberwachung oder Lokdienstleitung
  • Disponent/in im Frachtzentrum für Personal- und Fahrzeugeinsatz

E 8 Tätigkeiten,

  • die

    • durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und
    • zu ihrer Ausführung

      • eine berufliche Spezialausbildung oder
      • eine entsprechende betriebliche Ausbildung

      erfordern

      oder

  • die sich gegenüber E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

Richtbeispiele:

  • Werkmeister/in”

2. Die vom Kläger begehrte Entlohnung nach der Entgeltgruppe E 9 ergibt sich weder auf der Grundlage eines Richtbeispiels der Entgeltgruppe E 9 noch dadurch, daß die Tätigkeiten des Klägers sich nach ihrem Arbeitsinhalt von E 8 abheben.

a) Die Tätigkeit des Klägers unterfällt keinem Richtbeispiel der begehrten Entgeltgruppe E 9. Insbesondere erfüllt der Kläger nicht das vom Landesarbeitsgericht herangezogene Richtbeispiel „Disponent für die Betriebsleitstelle”. Offen bleiben kann hier, ob der Kläger überwiegend Tätigkeiten eines Werkstattdisponenten ausübt, da der Werkstattdisponent nicht in den Richtbeispielen der Entgeltgruppe E 9 genannt ist.

aa) Zutreffend prüft das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt, inwieweit die überwiegenden Tätigkeiten des Klägers von den Richtbeispielen erfaßt werden. Sind allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen in einer bestimmten Vergütungsgruppe konkrete Beispiele beigefügt, sind die Erfordernisse der betreffenden Vergütungsgruppe regelmäßig schon dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Durch Tätigkeitsbeispiele legen die Tarifvertragsparteien grundsätzlich fest, daß diese Tätigkeiten den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der betreffenden Vergütungsgruppe entsprechen. Sie bringen mit den Tätigkeitsbeispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck, daß die dort angeführten Tätigkeiten die vorangestellten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllen(vgl. BAG 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121, 125 f.). Nach den Vorbemerkungen des Entgeltgruppenverzeichnisses gehen von diesen Grundsätzen auch die Tarifvertragsparteien des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn aus.

bb) Allerdings kann – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – das Richtbeispiel „Disponent für die Betriebsleitstelle” nicht dahingehend ausgelegt werden, daß es den „Werkstattdisponenten” erfaßt.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können(vgl. BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8). Begriffe, die in der Rechtsterminologie einen bestimmten Inhalt haben, werden von den Tarifvertragsparteien in ihrer allgemeinen rechtlichen Bedeutung angewandt, wenn sich aus dem Tarifvertrag nichts anderes ergibt. Greifen die Tarifvertragsparteien auf einen vorgegebenen Rechtsbegriff zurück, ist davon auszugehen, daß sie diesen so angewendet wissen wollen, wie er im Arbeits- und Wirtschaftsleben verstanden wird und den Anschauungen der beteiligten Berufskreise entspricht(vgl. BAG 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121, 129 f.). Ist eine Anwendung von Fachbegriffen im Tarifvertrag nicht erkennbar, ist vom Wortlaut der Norm iSd. allgemeinen Sprachgebrauchs auszugehen(vgl. BAG 15. Oktober 1997 – 3 AZR 501/96 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 11 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 3).

(2) Den Begriff des „Disponenten für die Betriebsleitstelle” haben die Tarifvertragsparteien jedenfalls nicht in vollem Umfang – so aber das Landesarbeitsgericht – iSd. allgemeinen Sprachgebrauchs verwandt. Danach versteht man unter einem Disponenten einen gehobenen, mit besonderen Vollmachten ausgestatteten kaufmännischen Angestellten der in einem größeren Geschäftsbereich oder in einem engeren Aufgabengebiet selbständig und eigenverantwortlich handeln und verfügen kann (vgl. Brockhaus Die Enzyklopädie Bd. 5 20. Aufl. 1996; Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Bd. 2 1981). Er ist Leiter eines größeren Sachgebietes zB als Einkaufs- oder Vertriebsdisponent(vgl. Meyers Neues Lexikon Bd. 2 1962). Diesen stark kaufmännisch geprägten Begriff haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich nicht gemeint. Zum einen sind die in den Richtbeispielen der Entgeltgruppe E 9 angeführten Disponenten nicht nur in kaufmännischen, sondern auch in technischen Aufgabengebieten tätig. Zum anderen kann der im Richtbeispiel der Entgeltgruppe E 6 angeführte „Materialdisponent” nicht als gehobener, mit besonderen Vollmachten ausgestatteter Angestellter qualifiziert werden. Gerade die tarifgruppenübergreifende Verwendung des Begriffs „Disponent” zeigt, daß die Tarifvertragsparteien mit ihm keine bestimmte Wertigkeit des Tätigkeitskreises verbinden wollten. Anderenfalls hätten sie den „Disponenten” ohne weitere Charakterisierung als Richtbeispiel lediglich in einer bestimmten Entgeltgruppe angeführt, wie dies beispielsweise im Falle des „Einkäufers” der Entgeltgruppe E 9 geschehen ist. Infolge dessen muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien bei dem Begriff des Disponenten ganz allgemein an das Verb „disponieren” angeknüpft und damit jede Tätigkeit gemeint haben, die sich entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch mit „etwas im voraus planen, kalkulieren, ordnen, gliedern oder einteilen”(vgl. zum Begriff des Disponierens: Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache Bd. 2 2. Aufl. 1993; Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch aaO) befaßt. Die spezifische Wertigkeit der jeweiligen Disponententätigkeit haben die Tarifvertragsparteien durch die in den jeweiligen Richtbeispielen stets angeführten weiteren an die Tätigkeiten eines Disponenten zu stellenden Anforderungen zum Ausdruck gebracht. Im Falle des zitierten Richtbeispiels ist dies durch die Benennung eines bestimmten Arbeitsbereiches, nämlich die Betriebsleitstelle geschehen.

Bei dem Begriff der Betriebsleitstelle handelt es sich indessen nicht um einen Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs, sondern um einen fachspezifischen Begriff des Eisenbahnwesens. In den einschlägigen Fachkreisen ist eine Betriebsleitstelle eine Bezeichnung für Melde-, Überwachungs- und Befehlsstellen zur Steuerung des Eisenbahnbetriebes. Eine Prozeßrechneranlage sammelt die Daten und wandelt sie in lesbare und bildhafte Informationen auf Monitoren um, so daß bei Betriebsunregelmäßigkeiten entsprechende Weisungen des Betriebsleitpersonals gegeben werden können(vgl. Brockhaus Naturwissenschaften und Technik Bd.1 1983 Stichwort Betriebssteuerzentrale). Der Disponent für die Betriebsleitstelle ist somit mit Disponententätigkeit zur Steuerung des Eisenbahnbetriebes (Fahrbereich) befaßt, während der Werkstattdisponent mit Disponententätigkeiten im technischen Bereich (Reparaturbereich) beschäftigt ist.

cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch der Grundsatz der gesetzes- und verfassungskonformen Auslegung nicht zu dem Ergebnis, daß der Werkstattdisponent unter das Richtbeispiel fällt. Dieser Grundsatz besagt, daß von zwei möglichen Auslegungen einer Norm, deren eine zu einem verfassungswidrigen, die andere dagegen zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, die letztgenannte zu wählen ist(vgl. BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364). Der sonach erforderliche Auslegungsspielraum fehlt hier indessen. Der Begriff der „Betriebsleitstelle” ist derart eindeutig und genau umschrieben, daß für eine Interpretation insoweit kein Raum ist(BAG 21. März 1973 – 4 AZR 225/72 – BAGE 25, 114, 122 f.). Eine Subsumtion des Werkstattdisponenten unter das zitierte Richtbeispiel würde unzulässigerweise die Grenzen des möglichen Wortsinns überschreiten.

b) Die Tätigkeiten des Klägers heben sich in ihrem Arbeitsinhalt auch weder von E 8 ab, noch erfordern sie zu ihrer Ausführung eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule iSd. allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe E 9. Im Streitfall erfüllt der Kläger als Werkmeister zwar die Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 8, daß seine Tätigkeiten sich von dieser Entgeltgruppe arbeitsinhaltlich abheben, hat er jedoch nicht nachgewiesen.

aa) Die vom Kläger erledigten Arbeiten gehen nicht über das Maß, also die durchschnittlichen Anforderungen hinaus, die der normale Zuschnitt des Tätigkeitskreises eines Werkmeisters in quantitativer und qualitativer Hinsicht mit sich bringt. Das Leitbild des Werkmeisters ist dadurch gekennzeichnet, daß er als technische Führungskraft einer betrieblichen Gruppe vorstehen und die Rolle eines Teamleiters und Organisators einnehmen soll(vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 25 9. Aufl. Nachdruck 1981 – Werkmeister –). Entsprechend der Funktionsbeschreibung „WSN 409” vom 23. Oktober 1997 sind dem Werkmeister neben den in Nr. 2 aufgeführten Hauptaufgaben unter Nr. 3 besondere Aufgaben im Schichtdienst und die Vertretung des Werkstattdisponenten in Ausnahmefällen (Urlaub und Sonstiges) zugewiesen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bewegt sich die Arbeit des Klägers in diesem Rahmen:

Danach hat der Nachtschichtmeister durch seine Gruppe von ca. acht bis zehn rundum einsetzbaren Mitarbeitern zum einen die bereits vorgefundenen Wartungs- und Reparaturaufträge abzuarbeiten, zum anderen die akut auftretenden Störfälle soweit wie möglich zu beheben und dabei die Reihenfolge der durchzuführenden Tätigkeiten selbständig und eigenverantwortlich festzulegen. Zwar kann der Kläger durch die Belegung von Reparaturgleisen mit in der Schicht nicht abgearbeiteten Arbeitsaufträgen eine gewisse Vorentscheidung über die Reihenfolge der abzuarbeitenden Aufträge für die Tagschicht treffen und Einfluß auf die Fehlerbehebung durch Spezialistenteams nehmen. Damit findet aber keine Erweiterung seines Tätigkeitskreises dergestalt statt, daß er damit auch Führungsaufgaben bezüglich der tagsüber tätigen Meistereien erledigen würde. Der Kläger plant und organisiert deren Arbeit nicht, weil er insoweit keine bindenden Entscheidungen trifft. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten „gewissen Vorentscheidungen” bedeuten, daß die Belegung der Stände mit S-Bahn-Zügen durch den Kläger von den dazu berufenen Entscheidungsträgern der Tagschicht wieder geändert werden könnten. Die endgültige Entscheidung über den Arbeitsablauf obliegt entweder dem Werkmeister der betreffenden Meisterei oder dem Werkstattdisponenten. Die allein faktische Einflußnahmemöglichkeit des Klägers auf andere Meistereien genügt nicht, um deren Arbeitsablaufplanung dem Kläger als eigene Tätigkeit zuzurechnen. Die Disponententätigkeiten des Klägers in den Zusatzschichten gehören daher zur normalen Tätigkeit eines Werkmeisters. Auf den zeitlichen Umfang dieser „Disponententätigkeit” des Klägers kommt es somit nicht an.

bb) Die Rügen der Revision greifen nicht durch.

Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beruhen nicht auf einer fehlerhaften Würdigung der Beweismittel. Die Beweiswürdigung des Tatrichters kann nur darauf hin untersucht werden, ob sie vollständig und widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze und Erfahrungsregeln verstößt oder ob wesentliche Beweisantritte übergangen worden sind. Hierbei braucht das Gericht nicht alles, was es für unerheblich hält, ausdrücklich zu erörtern, wenn sich nur ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat(vgl. zB BAG 7. Oktober 1982 – 2 AZR 455/80 – BAGE 40, 199, 212, 213). Bei dieser eingeschränkten Nachprüfung ist die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts nicht fehlerhaft.

Widersprüche in der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich und vom Kläger letztendlich auch nicht gerügt worden. Soweit er meint, das Landesarbeitsgericht habe bei der Frage des Arbeitsumfangs eines Disponenten klar stellen müssen, ob es die Behauptungen des Klägers als wahr unterstelle, es habe übersehen, daß ein größerer Arbeitsumfang keinen Einfluß auf die Arbeitsdauer hätte, betrifft dies nicht die Beweiswürdigung und ist im übrigen auch nicht berechtigt. Das Landesarbeitsgericht hat die Behauptung des Klägers nur in Bezug auf den Arbeitszeitanteil der von ihm als höherwertig eingestuften Tätigkeiten als wahr unterstellt und zur Beantwortung der Frage, ob die in diesem Zeitraum geleistete Arbeit hinsichtlich der Dispositionen so umfangreich sei wie die eines Werkstattdisponenten, das Ergebnis der Beweisaufnahme gewürdigt.

Das Landesarbeitsgericht hat das Ergebnis der Beweisaufnahme auch umfassend verwertet. Soweit es die Aussage des Zeugen F., er führe in den Zusatzschichten außerhalb der Tagschichten dieselbe Tätigkeit aus, wie sie der Werkstattdisponent tagsüber auch ausübe, unberücksichtigt gelassen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Es handelt sich hierbei nicht um eine Tatsache, sondern um eine bloße Bewertung des Zeugen. Ferner sind die Bekundungen des Zeugen betreffend den Umfang der Störmeldungen in die Beweiswürdigung eingeflossen. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich die Feststellung getroffen, daß in der Nachtschicht nur die Hälfte bis 2/3 der tagsüber zu reparierenden Fahrzeuge zu bewältigen seien. Zwar hat es den Namen des Zeugen F. als Erkenntnisquelle nicht ausdrücklich genannt. Der Anteil in Höhe von 2/3 entspricht aber im Ergebnis genau den Angaben des Zeugen F., wonach nachts durchschnittlich bis zu zwanzig Störmeldungen und tagsüber bis zu dreißig Störmeldungen eingingen. Soweit das Landesarbeitsgericht den Anteil mit der Hälfte beziffert, hat es die Angaben des Zeugen W. zugrunde gelegt. Er hat bekundet, in der Nacht würden durchschnittlich fünfzehn Züge repariert, am Sonntag könnten es auch einmal zwanzig sein. Tagsüber sei die Arbeit für insgesamt ca. dreißig bis vierzig Fahrzeuge zu disponieren.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ferner die Aussage des Zeugen B. erkennbar berücksichtigt. Seinen Bekundungen zufolge entscheidet der Werkmeister selbständig, welche Reparaturen in der Halle erledigt werden können, wie die zu reparierenden Wagen in welcher Reihenfolge abzuarbeiten sind und welches Personal eingesetzt wird.

cc) Nach alledem gehen die vom Kläger verrichteten Arbeiten nicht über das Normalmaß, also die durchschnittlichen Anforderungen, die ein Werkmeister zu erfüllen hat, hinaus. Die Tätigkeiten des Klägers heben sich in ihrem Arbeitsinhalt damit nicht von der Entgeltgruppe E 8 ab. Auf die Frage, ob die Tätigkeiten des Klägers zu ihrer Ausführung einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern oder ob der Kläger, der diese Qualifikation nicht besitzt, die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten durch langjährige Berufserfahrung in einschlägiger Vortätigkeit erworben hat, kommt es somit nicht mehr an.

III. Der Kläger hat gem. 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Breinlinger, Schömburg, Lorenz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 15.11.2001 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 707864

NZA 2002, 640

NJOZ 2002, 1348

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