Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergangenheitsbezogenes Feststellungsinteresse

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; Berlinförderungsgesetz 1990 § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1; BAT § 59 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 08.09.1993; Aktenzeichen 15 Sa 69/93)

ArbG Berlin (Urteil vom 17.02.1993; Aktenzeichen 17 Ca 22166/92)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 8. September 1993 – 15 Sa 69/93 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, nachdem dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden ist.

Der 1943 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1976 bei der Beklagten als Referent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarif (BAT) Anwendung. Der Kläger war nach § 53 Abs. 4 BAT auf Grund seines Lebensalters und Dauer seiner Betriebszugehörigkeit unkündbar. Für ihn besteht eine zusätzliche Versorgung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung, zu welcher die Beklagte Mittel beisteuerte.

Auf einen Rehabilitationsantrag vom August 1991, den die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Zustimmung des Klägers als Rentenantrag behandelte, wurde ihm durch Bescheid vom 1. November 1991 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer beginnend mit dem 1. Juli 1991 gewährt. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit begehrte. Den Dauerrentenbescheid übersandte er im Dezember 1991 zusammen mit dem Widerspruchsschreiben an die Beklagte. Mit Bescheid vom 2. April 1992 half die BfA dem Widerspruch ab und gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Oktober 1993 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit. Nach Auffassung der Beklagten hatte das Arbeitsverhältnis mit Zugang des Dauerrentenbescheides nach Maßgabe des § 59 Abs. 1 BAT mit dem 30. November 1991 geendet.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis habe nicht geendet, sondern ruhe für die Dauer der Zeitrente. Auf den Bestand des Dauerrentenbescheides habe die Beklagte nicht vertrauen dürfen. Er habe sie rechtzeitig von seinem fristgerechten Widerspruch in Kenntnis gesetzt. Zum Rechtsschutzinteresse trägt er vor, auch wenn ihm zwischenzeitlich durch Bescheid vom 1. November 1993 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer gewährt worden sei, habe er ein fortbestehendes Interesse an der begehrten Feststellung. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 1. November 1991 bis zum 30. Oktober 1993 verlängere seine Beschäftigungszeit. Davon sei sein tarifvertraglicher Einstellungsanspruch bei Wiederherstellung der Berufsfähigkeit abhängig. Im übrigen sei der Zeitraum auch in renten- bzw. versorgungsrechtlicher – Hinsicht von Bedeutung. Außerdem bestehe ein Anspruch auf passive Berlinzulage.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht mit Ablauf des 30. November 1991 geendet hat, sondern unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Zustellung des Dauerrentenbescheides berufen. Auf dessen Bestandskraft komme es nicht an.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Feststellungsklage ist mit der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer beginnend mit dem 1. November 1993 und der damit einhergehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig geworden.

1. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis nicht mit dem 30. November 1991 geendet hat sondern unbefristet fortbesteht. Mit der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer ab 1. November 1993 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT geendet. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Für den in die Zukunft gerichteten Teil der Klage fehlt es damit an einem Rechtsschutzinteresse.

2. Das gilt auch, soweit der Kläger den Fortbestand eines (ruhenden) Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 1. November 1991 bis zum 31. Oktober 1993 festgestellt haben will.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat. Die auf die Feststellung eines vergangenheitsbezogenen Rechtsverhältnisses gerichtete Klage ist dagegen nur zulässig, wenn sich aus der beantragten Feststellung Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – AP Nr. 3 zu § 52 BAT; Urteil vom 22. September 1992 – 9 AZR 404/90 – AP Nr. 17 zu § 256 ZPO 1977). Das gilt auch für eine Klage, die zunächst auf die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet war. Wird nach Erlöschen des Rechtsverhältnisses die Klage fortgeführt, bedarf es der Ableitung konkreter gegenwärtiger oder zukünftiger Rechtsfolgen (BAG Urteil vom 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – NZA 1994, 859; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rz 47).

b) An einem Feststellungsinteresse fehlt es jedoch, wenn nach dem Vortrag des Klägers rechtlich erhebliche Auswirkungen lediglich möglich erscheinen und konkrete Rechtsfolgen weder feststehen noch ersichtlich sind.

In Einzelfällen hat es das Bundesarbeitsgericht zur Begründung eines vergangenheitsbezogenen Feststellungsinteresses für ausreichend gehalten, wenn dargelegt worden ist, daß von der begehrten Feststellung konkrete sozialversicherungsrechtliche oder steuerrechtliche Ansprüche abhängig sind (BAG Urteil vom 10. Mai 1974 – 3 AZR 523/73 – AP Nr. 48 zu § 256 ZPO). Ein so begründetes Rechtsschutzinteresse verlangt aber einen Vortrag, der erkennen läßt, daß der Kläger die Durchsetzung finanz- oder sozialrechtlicher Ansprüche bereits in die Wege geleitet hat und deren Realisierung letztlich entscheidend von der begehrten arbeitsgerichtlichen Feststellung abhängt. Nur für diesen Fall ist die beantragte Feststellung nicht nur von theoretischem Interesse sondern von praktischer Relevanz und läuft damit nicht auf eine – den Gerichten versagte – Erstattung eines Gutachtens hinaus.

3. Gemessen daran fehlt es im Ausgangsfall an einem schutzwürdigen Interesse an der begehrten Feststellung, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Zeit vom 1. Dezember 1991 bis zum 31. Oktober 1993 (als ruhendes) fortbestanden hat. Soweit der Kläger vorgetragen hat, während dieses Zeitraums habe ein Anspruch auf passive Berlinzulage bestanden, ist seinem Vorbringen schon nicht zu entnehmen, ob er eine Realisierung dieses Steuervergütungsanspruchs (§ 28 Abs. 1 in Verb. mit § 29 Abs. 1 Berlinförderungsgesetz 1990 – BGBl I, 173 –) überhaupt in Angriff genommen hat, in dem er etwa von seinem Antragsrecht auf Festsetzung der Zulage nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 und 3 Berlinförderungsgesetz 1990 Gebrauch gemacht hat und abzusehen ist, daß dessen Feststellung allein von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses für den fraglichen Zeitraum abhängig ist. Ob dem Kläger überhaupt ein solcher Anspruch zusteht, ist ohnehin zweifelhaft. § 28 Abs. 1 Berlinförderungsgesetz 1990 knüpft den Steuervergütungsanspruch an den Erhalt unterschiedlicher Lohnersatzleistungen, einer Entschädigung nach dem Bundesseuchengesetz oder die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz. Während des fraglichen Streitraums hat der Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Zeiten des Rentenbezugs berechtigen jedoch nicht zum Erhalt der passiven Berlinzulage.

Die begehrte Feststellung ist auch nicht geeignet, einen künftigen Streit über einen Wiedereinstellungsanspruch nach § 59 Abs. 4 BAT zu vermeiden. Entgegen dem Vortrag des Klägers kommt es auf eine Verlängerung der Dienstzeit bei positivem Ausgang der Feststellungsklage nicht an. Der Einstellungsanspruch bei Wiederherstellung der Berufsfähigkeit und Vorhandensein eines geeigneten Arbeitsplatzes setzt voraus, daß der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des Bezuges einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente unkündbar war. Diese Voraussetzung hatte er bereits vor dem 1. November 1991 erfüllt.

4. Schließlich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche rentenrechtlichen oder versorgungsrechtlichen Vorteile die beantragte Feststellung zur Folge haben könnte. Denn die dem Kläger gewährte Zeitrente wirkt sich ohnehin als Rentenbezugszeit anspruchserhaltend aus.

Zur Prüfung aller sonstigen in Frage kommenden materiellrechtlichen Folgewirkungen, die sich aus der Feststellung eines im Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis 30. Oktober 1993 ruhenden Arbeitsverhältnisses ergeben könnten, ist der Senat nicht verpflichtet. Auch wenn das Revisionsgericht das Vorliegen des Feststellungsinteresses von Amts wegen zu prüfen hat, bleibt es bei der Verpflichtung des Klägers, zu den prozessualen Voraussetzungen seine Klage vorzutragen.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Weller, Steckhan, Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093300

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