Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsantrag auf Bestehen eines vergangenen Rechtsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses ist nur zulässig, wenn sich daraus Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (st. Rspr. zuletzt BAGE 54, 210 = AP Nr. 3 zu § 52 BAT).

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1, § 264 Nrn. 2-3; HGB § 75c Abs. 1; BGB §§ 340, 339 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.03.1990; Aktenzeichen 13 Sa 62/89)

ArbG Mannheim (Urteil vom 25.01.1989; Aktenzeichen 1 Ca 573/88)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. März 1990 – 13 Sa 62/89 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein zahntechnisches Labor, in dem der Beklagte vom 15. November 1969 bis zum 31. August 1987 als Zahntechniker beschäftigt war. Durch Dienstvertrag vom 1. April 1982 erhielt der Beklagte die Stellung eines leitenden Mitarbeiters mit einem Bruttojahresgehalt von zuletzt 70.200,-- DM.

§ 9 des Dienstvertrages enthielt eine Wettbewerbsvereinbarung, die durch Änderungsvertrag vom 12. November 1986 folgenden Wortlaut erhalten hat:

  • Der leitende Angestellte ist verpflichtet, vom Zeitpunkt seines Ausscheidens an, gleich aus welchen Gründen dies erfolgt, auf die Dauer von zwei Jahren kein Arbeitsverhältnis oder sonstiges Mitarbeiterverhältnis einzugehen, kein Unternehmen zu errichten oder zu erwerben oder sich an einem solchen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, das mit der Firma seines Arbeitgebers in Wettbewerb tritt. Hiervon berührt sind sämtliche Kunden des Arbeitgebers, die dieser jetzt und in den nächsten zwei Jahren betreut.
  • Falls der leitende Angestellte der vorstehenden Konkurrenzklausel zuwiderhandelt, hat der Arbeitgeber das Recht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Buße in Höhe des zuletzt gezahlten Halbjahresgehaltes zu verlangen. Bei Dauerverstößen ist diese Vertragsstrafe für jedes Halbjahr der Zuwiderhandlung zu zahlen. Weitere Ansprüche, insbesondere auf Unterlassung und Ersatz des durch die Verletzung obiger Konkurrenzklausel entstandenen Schadens, bleiben unberührt.”

Der Beklagte beendete sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung und eröffnete unmittelbar danach ein eigenes zahntechnisches Labor und hat für Kunden der Klägerin zahntechnische Laborarbeiten ausgeführt. Die Klägerin begehrte daraufhin mit Schreiben vom 17. September 1987 vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe i. H. v. 35.100,-- DM. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten auf, gegen Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung das Wettbewerbsverbot in Zukunft einzuhalten.

Die Klägerin hat mit ihrer zum 21. November 1988 erhobenen Klage vom Beklagten für das 1. Halbjahr 1988 zunächst die Zahlung einer Vertragsstrafe und für die weitere Karenzzeit die Unterlassung zahntechnischer Arbeiten für namentlich benannte Kunden der Klägerin verlangt. Nach Ablauf der Karenzzeit am 31. August 1989 hat die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht ihren Klageantrag umgestellt und nunmehr beantragt,

  • festzustellen, daß der Beklagte bis einschließlich 31. August 1989 verpflichtet war, es zu unterlassen gegenüber den nachfolgend genannten Kunden der Klägerin mittelbar oder unmittelbar zahntechnische Arbeiten aller Art anzubieten oder auszuführen:

    1. 

    Dr. Za. W.… A…,

    6800 Mannheim

    2.

    Dr. R.… B…,

    6800 Mannheim 81

    3.

    Dr. G.… D…,

    6950 Mosbach

    4.

    Dr. K.… E…,

    6806 Viernheim

    5.

    Dr. K.… F…,

    6805 Heddesheim

    6.

    Dr. E.… F…,

    6148 Heppenheim

    7.

    Dr. M.… G…,

    6802 Ladenburg

    8.

    Za. H.… H…,

    …,6800 Mannheim 81

    9.

    Dr. R.… H…,

    6800 Mannheim 61,

    10.

    Dr. H.… D.… J…,

    6700 Ludwigshafen/Rhein

    11.

    Klinkum L…,

    12.

    Dr. S.… K…,

    6940 Weinheim

    13.

    Dr. E.… K…,

    6800 Mannheim 1

    14.

    Za. G.… K…

    …, 6800 Mannheim 81

    15.

    Dr. P.… L…,

    6800 Mannheim 24

    16.

    Dr. I.… L…,

    6800 Mannheim 31

    17.

    Dr. B.… M…,

    6940 Weinheim

    18.

    Za. N.… O…,

    6800 Mannheim 24

    19.

    Dr. P.… R…,

    6800 Mannheim 81

    20.

    Dr. W.… Ro…,

    6800 Mannheim-Sandhofen

    21.

    Dr. W.… Sch…

    …, 6800 Mannheim-Seckenheim

    22.

    Ehel.Dr. Schm…,

    6800 Mannheim-Vogelstand

    23.

    Dr. R.… Schn…

    5, 6836 Oftersheim

    24.

    Dr. R.… W…, 6800 Mannheim 1

    25.

    Za. R.… Z…,

    6800 Mannheim-Käfertal;

  • den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Vertragsstrafe i. H. v. 35.100,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprechend den zunächst gestellten Anträgen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den nunmehr von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen und im übrigen die Berufung zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Feststellung, daß der Beklagte zur Unterlassung verpflichtet war, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der zuletzt gestellte Feststellungsantrag der Klägerin nicht unbegründet, sondern unzulässig. Die Revision ist schon aus Verfahrensgründen zurückzuweisen.

Auf die Rechtsprobleme zu einem möglichen Wahlrecht des Arbeitsgebers zwischen Vertragsstrafe und Erfüllung des Wettbewerbsverbots, die den materiellen Verfahrensgegenstand des Rechtsstreits bilden, kommt es daher nicht an. Der Senat kann deshalb nicht zur Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Stellung nehmen, die mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht übereinstimmt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, infolge Ablaufs der Karenzzeit habe die Klägerin nicht mehr Unterlassung des Wettbewerbs verlangen können. Sie müsse jedoch die Möglichkeit haben, nachträglich klären zu lassen, ob sie Unterlassung verlangen durfte oder nicht.

2. Dem folgt der Senat nicht. Für die Klage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

a) Nach § 264 Nr. 2 ZPO war die Klägerin zwar berechtigt, in der Berufungsinstanz vom Unterlassungsantrag auf einen Feststellungsantrag überzugehen. Für den von ihr zuletzt gestellten Antrag fehlt indessen das Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ist die Klage auf Feststellung des Bestehens eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, so ist sie nur zulässig, wenn sich Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAGE 4, 114 = AP Nr. 1 zu § 20 MietSchG; BAGE 54, 210 = AP Nr. 3 zu § 52 BAT; BGHZ 27, 190, 196; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 256 Anm. 3 D; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rz 47; MünchKomm-Lüke, ZPO, § 256 Rz 28). Nach dem Vortrag der Klägerin ergeben sich aus der Feststellung, daß der Beklagte zur Unterlassung für die Dauer der Karenzzeit verpflichtet war, keine Rechtsfolgen. Soweit der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts das Feststellungsinteresse in Fällen bejaht hat, in denen der Arbeitgeber nach Ablauf der Karenzzeit seinen Antrag im Revisionsverfahren von Unterlassung auf Feststellung umgestellt hatte (BAGE 19, 130, 144 = AP Nr. 1 zu § 268 ZPO; BAGE 22, 215, 218 = AP Nr. 10 zu § 75b HGB; BAG Urteil vom 26. Januar 1973 – 3 AZR 233/72 – AP Nr. 4 zu § 75 HGB), ging es dort darum, dem Arbeitgeber eine Grundlage für spätere Ansprüche auf Schadenersatz zu verschaffen. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die Klägerin hat, nachdem der Senat auf Bedenken gegen die Zulässigkeit hingewiesen hat, mit Schriftsatz vom 14. September 1992 erstmalig mögliche Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten angedeutet und im übrigen ausgeführt, es widerspreche dem Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit, ihr zuzumuten, ineinem Folgerechtsstreit nochmals klären zu lassen, ob zwischen den Parteien ein wirksames Wettbewerbsverbot bestanden habe. Damit ist ein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Feststellungsantrag nicht dargelegt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Zulässigkeit einer Klage mit prozeßwirtschaftlichen Erwägungen begründet werden kann. Auch wenn davon mit der Klägerin ausgegangen wird, führt das hier nicht zur Zulässigkeit der Klage. Die Klägerin hält selbst einen Folgeprozeß für erforderlich, um ihre bisher nicht näher beschriebenen Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten durchzusetzen. Ihr Festhalten an einer auf die Vergangenheit bezogenen Feststellung kann deshalb nicht prozeßwirtschaftlich sein. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. November 1966 (BAGE 19, 130, 144 = AP Nr. 1 zu § 268 ZPO) ist nur über einen Antrag auf Unterlassung von Wettbewerb gestritten worden. Die Klägerin übersieht, daß der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, an sie eine Vertragsstrafe von 35.100,00 DM zu zahlen. Damit ist geklärt, daß die Wettbewerbsabrede, die bei Verstößen des Beklagten auch die Zahlung einer Vertragsstrafe vorsieht, rechtswirksam ist. Das Begehren der Klägerin läuft auf die Bitte zur Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Dafür sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.

b) Die Klägerin hätte im übrigen statt des Feststellungsantrags einen Leistungsantrag stellen können. Auch deswegen ist das Feststellungsinteresse zu verneinen. Die Klägerin hätte noch in der Berufungsinstanz nach § 264 Nr. 3 ZPO anstelle von Wettbewerbsunterlassung vom Beklagten Schadenersatz oder eine weitere Vertragsstrafe verlangen können. Soweit die Schadenshöhe noch nicht zu beziffern war, hätte sie eine Stufenklage (§ 254 ZPO) erheben können. Damit wäre der Klägerin möglich gewesen, den Rechtsstreit durch eine Leistungsklage umfassend zu erledigen, ohne eine neue Klage erheben zu müssen. Auch aus diesem Grund ist ein Feststellungsinteresse zu verneinen.

3. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dörner, Dr. Lipke, Schulze, Dr. Kirchner

 

Fundstellen

Haufe-Index 846794

BAGE, 176

NZA 1993, 429

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