Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschuß zum Kurzarbeiter- und Unterhaltsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der TV-Löhne für Berlin und Brandenburg setzt für einen Anspruch auf Zuschuß zur Vergütung voraus, daß der Arbeitnehmer auch Arbeitsentgelt bezieht oder zu beanspruchen hat. Nicht anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmer, die keinen Anspruch haben, weil sie z. B. von der Arbeit freigestellt sind und Mutterschaftsunterstützung nach dem AGB-DDR bezogen. Dies war eine Leistung der Sozialversicherung.
  • Ein Anspruch auf Leistungen zum Kurzarbeitergeld und Unterhaltsgeld entfällt nach dem TVKQ, wenn ein Sozialplan abgeschlossen wird (Bestätigung der Urteile des Senats vom 21. April 1993 – 4 AZR 541/92 – und – 4 AZR 543/92 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen).
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Tarifvertrag über Kündigungsschutz und Qualifizierung bei Umstrukturierungsmaßnahmen, Metall- und Elektroindustrie (TVKQ) § 5; Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Lehrlingsentgelte (TV-Löhne) § 2

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 28.07.1992; Aktenzeichen 1 Sa 95/92)

ArbG Brandenburg (Urteil vom 29.01.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1264/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 28. Juli 1992 – 1 Sa 95/92 – wird zurückgewiesen.
  • Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche hat aus dem Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Lehrlingsentgelte (TV-Löhne), dem Tarifvertrag über Kündigungsschutz und Qualifizierung bei Umstrukturierungsmaßnahmen (TVKQ), beide vom 13. Juli 1990, sowie aus dem Gehaltstarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie vom 10. März 1991 (TV-Gehalt). Diese Tarifverträge wurden abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall, deren Mitglied die Klägerin ist, und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. (VME), dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Akademie für Außenwirtschaftliche Fortbildung Maschinenbau (AAF), am 12. Juni 1990 beigetreten war.

Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten handelte es sich um die Betriebsakademie des Ministeriums für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau der früheren DDR. Sie unterhielt einen Lehr- und Fortbildungsbetrieb in enger Anlehnung an den metallverarbeitenden Wirtschaftsbereich.

Durch ersten Gesellschaftsvertrag vom 18. Juni 1990 wurde die Beklagte gegründet und beim Handelsregister zur Eintragung angemeldet. Nach den einige Monate später erfolgten Eintragungen im Handelsregister ist Gegenstand des gegründeten Unternehmens die Erbringung und der Vertrieb von Ausbildungs- und Fortbildungsleistungen für Führungskräfte und Personal mit den Schwerpunkten Marketing, Management, Fremdsprachen, EDV und schließt darüber hinaus Leistungen auf den Gebieten Gastronomie, Hotelwesen und Freizeitgestaltung ein.

Die Klägerin war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit dem Jahre 1984 als Fremdsprachenlehrerin für Französisch und Arabisch tätig. Bis zum 3. Oktober 1990 befand sie sich im Babyjahr und bezog von der Beklagten Mütterunterstützung in Höhe von 70 % des letzten Nettoverdienstes. Vom 4. Oktober bis zum 30. November 1990 war die Klägerin in Kurzarbeit Null Stunden und erhielt Kurzarbeitergeld in Höhe von 68 % des Nettoverdienstes. Im Anschluß daran nahm die Klägerin bis Ende Januar 1992 an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung teil und erhielt von der Bundesanstalt für Arbeit Unterhaltsgeld. Während dieser Fortbildungsmaßnahme schied die Klägerin zum 30. Juni 1991 aufgrund betriebsbedingter Kündigung bei der Beklagten aus. Sie erhielt nach dem bei der Beklagten abgeschlossenen Sozialplan eine Abfindung in Höhe von 3.000,00 DM.

Auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wandte die Beklagte aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag den Rahmenkollektivvertrag und die Vereinbarung über die Vergütung der Tätigkeit der Lehrer vom 20. März 1970 an.

Erstmals mit ihrer am 31. Juli 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 12. September 1991 zugestellten Klage hat die Klägerin Zulagen nach dem TV-Löhne und Zuschüsse zum Kurzarbeiter- und Unterhaltsgeld nach dem TVKQ verlangt. Weiterhin hat sie geltend gemacht, sie sei ab dem 1. April 1991 in die Gehaltsgruppe M 3 TV-Gehalt eingruppiert. Sie hat zuletzt für sich Zulagen nach dem TV-Löhne in Höhe von insgesamt 784,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Juli bis zum 3. Oktober 1990 sowie Zuschüsse nach dem TVKQ für die Zeit danach bis Februar 1992 in Höhe von insgesamt 5.421,47 DM netto beansprucht. Bei der Berechnung der Zuschüsse bis zum 31. März 1991 hat die Klägerin ein um die Zulage nach dem TV-Löhne erhöhtes Bruttomonatsgehalt zugrunde gelegt. Ab dem 1. April 1991 hat die Klägerin die Zuschüsse nach dem sich aus der Gehaltsgruppe M 3 Gehalts-TV ergebenden Bruttomonatsgehalt errechnet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von ihr in Anspruch genommenen Tarifverträge seien auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden. Beide Prozeßparteien seien Mitglieder der tarifschließenden Verbände. Die Beklagte falle auch in den betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge. Ihr Betriebszweck habe sich nach der Neugründung nicht geändert. Lediglich der Wirkungsbereich sei weiter ausgedehnt worden. Im übrigen stehe spätestens mit Inkrafttreten des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarif-gebiet II, am 1. April 1991 fest, daß die Tarifvertragsparteien die streitbefangenen Tarifverträge bewußt und befugt unter Berücksichtigung der besonderen wirtschaftlichen Umstände in den neuen Bundesländern auf Betriebe wie den der Beklagten erstreckt hätten. Die Klägerin hat Bezug genommen auf eine Regelung im Manteltarifvertrag, nach der in dessen Geltungsbereich auch solche Betriebe fallen, die zwar nicht der Metall- und Elektroindustrie angehören, jedoch Mitglieder des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie sind.

Gehalt nach der Gehaltsgruppe M 3 Gehalts-TV stehe der Klägerin zu, weil dieser Tarifvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar sei und diese Gehaltsgruppe als einzige auch Lehrtätigkeiten mit umfasse, wie sie von ihr arbeitsvertraglich zu erbringen gewesen seien.

Die Klägerin hat schließlich den Standpunkt vertreten, die von ihr geltend gemachten Ansprüche seien nicht verfallen. Die Beklagte könne sich jedenfalls nicht auf einen etwaigen Verfall berufen, weil sie eine frühere Geltendmachung der tariflichen Ansprüche verhindert habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt. 784,00 DM brutto und 5.421,47 DM netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die streitbefangenen Tarifverträge seien auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht anzuwenden. Sie hat behauptet, zum Zeitpunkt des Beitritts ihrer Rechtsvorgängerin zur VME habe noch ein Verbund mit metallverarbeitenden Betrieben bestanden. Seit der Gründung der Beklagten gäbe es diesen Verbund nicht mehr. Es würden vielmehr von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierte unterschiedlichste Fortbildungsmaßnahmen angeboten. Die Verbindung zu dem früheren Ministerium der DDR bestehe bereits seit dessen Auflösung im Frühjahr 1990 nicht mehr. Mit der Änderung des Betriebszweckes sei die Tarifbindung der Beklagten zum Metall-Arbeitgeberverband erloschen.

Die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Manteltarifvertrages unter Verletzung des Industrieverbandsprinzips sei unverbindlich, weil die Tarifvertragsparteien hierfür keine Tarifzuständigkeit besäßen.

Der Klägerin stehe selbst bei Anwendbarkeit der Tarifverträge keiner der geltend gemachten Ansprüche zu. Ein Anspruch auf Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und zum Unterhaltsgeld scheitere daran, daß es im Betrieb der Beklagten einen Sozialplan gebe, der auch zugunsten der Klägerin angewendet worden sei. Gegenüber den von der Klägerin geltend gemachten Zulagen nach dem TV-Löhne seien Teuerungszuschläge zu berücksichtigen, die die Beklagte von sich aus gezahlt habe. Die Klägerin sei auch nicht in die Vergütungsgruppe M 3 Gehalts-TV einzugruppieren. Die dort genannten Tarifmerkmale für Werkmeister paßten auf eine Fremdsprachenlehrerin wie die Klägerin nicht.

Zumindest seien etwaige Ansprüche nach den Verfallfristen des Manteltarifvertrages verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den zuletzt gestellten Antrag in Abänderung des zu zahlenden Nettobetrages (jetzt 5.447,00 DM) weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt selbst dann nicht zu, wenn die Tarifverträge, auf die sie ihren Antrag stützt, nach § 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 TVG auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar sind.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt aufgrund des Verbandsbeitritts ihrer Rechtsvorgängerin tarifgebunden ist und ihr Unternehmen in den betrieblichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge fällt. Auf die Berechtigung der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Klägerin kommt es nicht an.

A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf tarifliche Zulagen in Höhe von insgesamt 784,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Juli bis zum 3. Oktober 1990. Sie erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des TV-Löhne nicht.

I. Der TV-Löhne vom 13. Juli 1990 lautet im hier wesentlichen wie folgt:

§ 2

Pauschale

  • Ab Juli 1990 erhalten zusätzlich zu den sich aus dem RKV einschließlich aller Nachträge und betrieblichen Ergänzungsvereinbarungen sowie den Vereinbarungen zur Weiterführung der Produktivlöhne ergebenden Entgelten

    • die Arbeiter und Angestellten je Kalendermonat einen monatlichen Pauschalbetrag von DM 250,00 brutto, ab Oktober 1990 von DM 300,00 brutto,
    • die Lehrlinge je Kalendermonat einen monatlichen Pauschalbetrag von DM 125,00 brutto, ab Oktober 1990 von DM 150,00 brutto.
  • Für die Pauschalbeträge gemäß Ziffer 1 gilt folgendes:

    • Den jeweiligen Betrag erhalten die Arbeitnehmer, wenn sie in dem betreffenden Monat einen vollen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts haben. Soweit kein voller Anspruch auf Arbeitsentgelt oder auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht, ist der jeweilige Betrag anteilig zu kürzen.
    • Teilzeitbeschäftigte erhalten den Betrag nach Maßgabe des tatsächlichen Umfangs ihrer Beschäftigung im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit.
    • Arbeitnehmer, die während des jeweiligen Monats eingetreten oder ausgeschieden sind, erhalten den jeweiligen Betrag anteilig entsprechend der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses.

II. Nach diesen Bestimmungen hat die Klägerin schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf die tarifliche Pauschale.

1. Der Anspruch auf die pauschale Zulage hängt nach § 2 Nr. 2a TV-Löhne davon ab, daß der Arbeitnehmer im Geltendmachungszeitraum einen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Fortzahlung von Arbeitsentgelt hat. Dabei ist unter einem Anspruch auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt ein gegen den Arbeitgeber gerichteter gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder vertraglicher Anspruch auf Arbeitsentgelt auch ohne Arbeit zu verstehen. Dies folgt aus der Wortwahl der Tarifvertragsparteien. Arbeitsentgelt wird innerhalb des arbeitsvertraglich begründeten Austauschverhältnisses geschuldet. Daß die pauschale Zulage nur dann zustehen soll, wenn auch ein Anspruch auf die Hauptleistung, das Arbeitsentgelt, besteht, haben die Tarifvertragsparteien in § 2 Nr. 1 TV-Löhne (“zusätzlich zu den … Entgelten”) und in den Kürzungsbestimmungen des § 2 Nr. 2a Satz 2, b und c TV-Löhne klargestellt.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Zulage nach § 2 Nr. 1 TV-Löhne, weil sie im Geltendmachungszeitraum keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Fortzahlung von Arbeitsentgelt in diesem tarifvertraglichen Sinne hatte.

Die Klägerin war nach der Geburt ihres Kindes bis zum 3. Oktober 1990 gemäß § 246 Abs. 1 AGB-DDR 1990 von der Arbeit freigestellt und erhielt Mütterunterstützung. Bei der Zahlung von Mütterunterstützung handelt es sich nach § 246 Abs. 4 AGB-DDR 1990 um eine Leistung der Sozialversicherung und nicht um eine Fortzahlung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hatte zwar in der früheren DDR ursprünglich nach §§ 46, 47, 79, 92 der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl I DDR S. 373, 381 f., 386, 388) die Mütterunterstützung zu errechnen und auszuzahlen. Sie war aber von der unter der Leitung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes der früheren DDR stehenden Sozialversicherung aus dem Beitragsaufkommen aufzubringen (vgl. §§ 13 f. SVO). Diese Rechtslage änderte sich mit dem 1. Juli 1990 durch das Gesetz über die Sozialversicherung (SVG) vom 28. Juni 1990 (GBl I DDR S. 486) nur insofern, als die Mütterunterstützung nunmehr in den Katalog der Leistungen der Krankenversicherung aufgenommen wurde (§ 25 Abs. 3b SVG), und dem Träger der Krankenversicherung nach § 78 SVG vom Staat zu erstatten war.

B. Die Klägerin hat auch bereits dem Grunde nach keinen Anspruch aus dem TVKQ auf Zuschüsse zum Kurzarbeiter- und Unterhaltsgeld für die Zeit vom 4. Oktober 1990 bis Februar 1992.

I. Ein nach § 4 TVKQ an sich in Betracht kommender Anspruch auf Zuschüsse scheitert an § 5 TVKQ. Diese Vorschrift lautet:

§ 5

Ausschluß von Doppelbelastungen

Die vorstehenden Regelungen in den §§ 1, 3 und 4 stellen einen Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Sinne des § 112 BetrVG dar, die dem Arbeitnehmer entstehen können.

Alle Rechte und Ansprüche aus diesem Abkommen entfallen, wenn betrieblich eine andere Regelung über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile getroffen wird$ [1]. Bereits erbrachte betriebliche Leistungen sind in diesem Falle zurückzugewähren.

II. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 21. April 1993 (– 4 AZR 541/92 – und – 4 AZR 543/92 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen) festgestellt, daß durch diese Regelung jeder Anspruch auf einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld und Unterhaltsgeld nach § 4 TVKQ ausgeschlossen wird, wenn ein betrieblicher Sozialplan abgeschlossen wurde, der mit den während der Laufzeit des TVKQ erfolgten oder eingeleiteten betrieblichen Strukturveränderungen im Zusammenhang steht. Dabei kommt es weder darauf an, ob das Sozialplanvolumen insgesamt größer ist als die Belastungen des Arbeitgebers aus dem TVKQ, noch ob dies im Verhältnis der Leistungen für den einzelnen Arbeitnehmer zueinander der Fall ist. § 5 Abs. 2 TVKQ enthält vielmehr eine Einschränkung des betrieblichen Geltungsbereichs seiner Regelungen über den Zuschuß zum Kurzarbeitergeld und zum Unterhaltsgeld. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

1. Der Regelungsinhalt des § 5 Abs. 2 TVKQ erschließt sich bereits aus dessen Wortlaut.

Die Vorschrift ordnet an, daß die tariflichen Rechte und Pflichten entfallen, “wenn” betrieblich eine andere Regelung über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, also ein Sozialplan, getroffen wurde, nicht etwa nur, “soweit” ein Sozialplan reicht. Für den Wegfall der Zuschußansprüche wird auch nur eine “andere” Regelung vorausgesetzt; Mindestanforderungen an eine solche Regelung, die einen Bezug zu den tariflich eingeräumten Rechten haben, stellen die Tarifvertragsparteien nicht auf und knüpfen gleichwohl hieran den Wegfall aller tariflichen Ansprüche. Schließlich sieht auch § 5 Abs. 2 Satz 2 TVKQ die Rückerstattung der betrieblich aufgrund des TVKQ erhaltenen Leistungen durch den Arbeitnehmer vor, unabhängig von deren Höhe und der Höhe der Ansprüche aus einem Sozialplan.

2. Der sich aus dem Wortlaut ergebende Norminhalt wird durch den Zweck der Regelung bestätigt, wie er sich aus der Tarifgeschichte erschließen läßt.

Wie die Regelungen des TVKQ selbst zeigen, rechneten die Tarifvertragsparteien damit, daß es infolge des Übergangs der DDR in eine marktwirtschaftliche Ordnung zu Massenentlassungen kommen würde. Gleichzeitig war für die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des TVKQ offenbar, daß es nur relativ wenige demokratisch legitimierte betriebliche Arbeitnehmervertretungen gab, die Sozialpläne zur betrieblichen Abmilderung der Folgen von Massenentlassungen abschließen konnten. Die hiernach vorhersehbare Regelungslücke sollte mit dem TVKQ geschlossen werden. Dann ist es aber auch nur folgerichtig, wenn die dort getroffene Regelung dann zurücktreten muß, wenn die Betriebspartner eine den betrieblichen Erfordernissen und Möglichkeiten angepaßte Sozialplanregelung schaffen oder geschaffen haben.

3. Dieser Auslegung steht weder die Überschrift des § 5 noch die Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ entgegen.

Daß es in § 5 TVKQ um den Ausschluß von “Doppelbelastungen” des Arbeitgebers geht, heißt nicht, daß nur solche Sozialpläne die tariflichen Ansprüche verdrängen, die nach dem Kreis der Begünstigten, den auszugleichenden Nachteilen und der Art und dem Umfang der Ausgleichsleistungen mit der tariflichen Regelung im wesentlichen übereinstimmen. In § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ ist ausdrücklich von “anderen” betrieblichen Regelungen die Rede, was ohne eine nähere tarifliche Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen an einen Sozialplan bedeutet, daß betriebliche Ausgleichsregelungen unabhängig von ihrem Inhalt verdrängend wirken können. Es geht in § 5 TVKQ darum, jede Doppelbelastung aus Tarifvertrag und Sozialplan auszuschließen.

Auch die Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ reicht nicht aus, eine Beschränkung des § 5 Abs. 2 TVKQ auf solche betrieblichen Sozialpläne zu rechtfertigen, deren Leistungsumfang denjenigen des TVKQ übersteigt. Die Fußnote kann zwar so verstanden werden, daß damit eine Begrenzung der Höhe der vom Arbeitgeber zu tragenden Belastung angesprochen wird. Das Gewicht der Fußnote wird aber dadurch entscheidend gemindert, daß sie zu der Bestimmung, die sie erläutern soll, im Widerspruch steht. Nach der Fußnote soll eine Begrenzung der Belastung des Arbeitgebers auf die tariflichen Ansprüche Zweck der Regelung sein, was ein Zurücktreten des Sozialplanes hinter den TVKQ zur Folge haben müßte. Im Gegensatz dazu läßt § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ die tariflichen Ansprüche zugunsten solcher aus dem Sozialplan zurücktreten. Darüber hinaus wäre eine Beschränkung von § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ auf solche betrieblichen Regelungen, die mindestens eine gleich hohe Belastung des Arbeitgebers vorsehen wie der TVKQ, im Rechtsstreit nicht handhabbar. Die in Betracht kommenden Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers wären nicht miteinander zu vergleichen, weil sich aus deren Höhe nicht die Gesamtbelastung des Arbeitgebers errechnen läßt. Auch wenn dem Arbeitnehmer im Einzelfall nach dem TVKQ ein höherer Anspruch zusteht als nach dem betrieblichen Sozialplan, kann dennoch die Gesamtbelastung aus dem Sozialplan diejenige durch den Tarifvertrag bei weitem übersteigen. Nur die Gesamtbelastung kann aber der entscheidende Maßstab sein, wenn überhaupt aufgrund der Fußnote eine einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ geboten sein sollte. Hinzu kommt, daß die Gesamtbelastung, die sich aus dem TVKQ für den Arbeitgeber ergibt, aufgrund der dort festgelegten Zuschußansprüche erst nach längerer Zeit festgestellt werden kann. Vor einer solchen Feststellung könnte nicht entschieden werden, welche der konkurrierenden Regelungen letztlich gilt.

III. Der Anspruchsausschluß aus § 5 Abs. 2 TVKQ greift zugunsten der Beklagten. In ihrem Betrieb wurde während der Laufzeit des TVKQ ein Sozialplan abgeschlossen, der im Zusammenhang mit einer in dieser Zeit eingeleiteten betrieblichen Strukturveränderung stand.

Bereits am 6. Juli 1990 wurde ein erster Sozialplan vereinbart, der auf die bevorstehende Strukturveränderung einschließlich gravierender Veränderungen der Bedarfsstruktur und Rationalisierungsmaßnahmen zugeschnitten war. Dieser bis zum 15. Februar 1991 befristete Sozialplan ist am letzten Tag seiner Geltung, also noch innerhalb der bis zum 30. Juni 1991 dauernden Laufzeit des TVKQ, bis zum 31. Dezember 1991 fortgeschrieben worden. Er enthielt nunmehr erstmals auch Abfindungsregelungen, die sich auf alle Arbeitnehmer erstreckten, die von den 1990/1991 eingeleiteten Strukturmaßnahmen betroffen waren.

IV. Die Existenz des Ansprüche aus dem TVKQ ausschließenden Sozialplanes im Betrieb der Beklagten gehört zu den nach § 561 ZPO in der Revisionsinstanz zu berücksichtigenden Tatsachen.

Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil die Schriftsätze der Parteien in Bezug genommen. Dort hat die Beklagte mehrfach darauf hingewiesen, daß bei ihr ein Sozialplan abgeschlossen worden sei, und die Klägerin daraus Ansprüche habe. Die Klägerin hat diesem Vortrag ausdrücklich nicht widersprochen, sondern eine Stellungnahme angekündigt, die bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung unterblieben ist.

Hierauf ist die Klägerin in der Revisionsinstanz schriftlich hingewiesen worden. Sie ist dem nicht entgegengetreten.

V. Da die Klägerin bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und Unterhaltsgeld hat, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr darauf an, ob sie ab dem 1. April 1991 in die Gehaltsgruppe M 3 Gehalts-TV einzugruppieren war.

Die Klägerin bezog bereits seit dem 1. Dezember 1990 Unterhaltsgeld nach § 44 AFG. Seit dieser Zeit hatte sie keine Gehaltsansprüche mehr gegen die Beklagte. Das der Klägerin nach ihrer Auffassung seit dem 1. April 1991 zustehende höhere Tarifgehalt, das aufgrund der in § 44 Abs. 3 AFG, § 112 Abs. 2 AFG angeordneten Berechnungsmethode keinen Einfluß auf die Höhe des Unterhaltsgeldes haben konnte, hätte sich nur bei der Berechnung der Höhe der Zuschüsse zum Unterhaltsgeld auswirken können. Da die Klägerin diese Zuschüsse aber bereits dem Grunde nach nicht beanspruchen kann, kommt es auf deren Höhe nicht mehr an.

C. Die in den Vorinstanzen erörterte Frage, inwieweit Ansprüche verfallen sind, bedarf ebenfalls keiner Behandlung mehr. Die Klägerin erfüllt bereits die Voraussetzungen für die geltend gemachten tariflichen Ansprüche nicht.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bepler, Bruse, Dr. Reinfeld

Für Richter am BAG Schneider, der sich im Urlaub befindet.

Schaub

 

Fundstellen

Haufe-Index 845962

BB 1994, 364

NZA 1994, 467

[1] Hiermit soll eine zusätzliche Belastung des Arbeitgebers über die tariflichen Regelungen hinaus ausgeschlossen werden.

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