Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassen des Baugewerbes. Sanierung von eigenen Gebäuden zum Zwecke der Vermietung. Tarifauslegung

 

Orientierungssatz

  • Ein Betrieb, in dem mit durchschnittlich 41 gewerblichen Arbeitnehmern über mehrere Jahre hinweg Gebäude saniert werden, um sie anschließend zu vermieten und zu verwalten, ist ein baugewerblicher Betrieb iSv. § 1 Abs. 2 VTV.
  • Ob auch Leistungen für Dritte angeboten oder erbracht werden, ist unerheblich.
 

Normenkette

Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 §§ 24-25; Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 §§ 18-19; ZPO § 551 Abs. 3 Nr. 2b, § 561

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 20.08.2002; Aktenzeichen 5 Sa 2469/01)

ArbG Berlin (Urteil vom 24.10.2001; Aktenzeichen 97 Ca 61050/01)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in der Zeit von Januar 1996 bis einschließlich Januar 2000 einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassen-Tarifverträge des Baugewerbes geführt hat und deshalb zur Beitragszahlung an die Klägerin verpflichtet war.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Maßgeblich ist der jeweils gültige, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Die Beklagte wurde mit Datum vom 1. November 1994 in das Gewerberegister der R… eingetragen. Als ausgeübte Tätigkeit weist das Register die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung sowie wirtschaftliche Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung, Hausverwaltung aus.

Bei der Beklagten waren 1997 und 1998 42, 1999 45 und im Jahre 2000 34 gewerbliche Arbeitnehmer Maurer, Bauhelfer, Trockenbauer, Tischler, Maler und Reinigungsaushilfen sowie im gesamten Zeitraum eine Verwaltungsangestellte tätig.

Ausweislich einer Prüfungsniederschrift des Landesarbeitsamtes R-Nord vom 14. Juni 2000 wurden im streitbefangenen Zeitraum von der Beklagten zu ca. 70 – 80 % der Arbeitszeit allgemeine Hochbau- und Maurerarbeiten, Arbeiten des Trockenbaus und Fliesenlegerarbeiten ausgeführt.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten die Zahlung der Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum von Januar 1996 bis einschließlich Januar 2000.

Sie meint, dass die Beklagte im Streitzeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen sei, da sie gewerbliche Bauleistungen erbracht habe. Die Beschäftigung einer großen Anzahl von Arbeitnehmern zur Sanierung von Wohngebäuden über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg mit dem Ziel, diese Wohnungen nach der Sanierung zu vermieten, habe nicht einem rein privaten Zweck gedient, sondern demjenigen, durch die baulichen Leistungen der Beklagten bzw. deren Geschäftsführer eine berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung ausgerichtete Erwerbsquelle zu schaffen. Dies gehe auch aus der im Gewerberegister beschriebenen Tätigkeit hervor.

Die Wohngebäude seien zum Zwecke des Verkaufs, der Vermietung und der Verpachtung durch baugewerbliche Tätigkeiten restauriert und instand gesetzt worden. Die Arbeitnehmer der Beklagten hätten nach den zutreffenden Angaben in der Prüfungsniederschrift des Arbeitsamtes R-Nord im streitigen Zeitraum zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die auch mehr als 50 % der betrieblichen Arbeitszeit ausgemacht habe, bauliche Leistungen wie Maurertätigkeiten, Trockenbau- und Hochbautätigkeiten sowie Fliesenlegerarbeiten und Malerarbeiten erbracht. Die überwiegende Erbringung baulicher Leistungen in diesem Umfang ergebe sich auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, das sich die Klägerin hilfsweise zu eigen mache. Danach seien durch die Arbeitnehmer der Beklagten Arbeitsleistungen wie folgt erbracht worden:

baugewerblicheLeistungen (1))

Tischlerarbeiten

Malerarbeiten

(1)) allgemeine Hochbau- u. Maurerarbeiten, Arbeiten des Trockenbaus und Fliesenlegerarbeiten

1996

39,99 %

15,78 %

8,08 %

1997

45,52 %

16,34 %

16,67 %

1998

34,39 %

18,47 %

14,82 %

1999

37,73 %

15,91 %

16,32 %

2000

38,21 %

23,59 %

15,28 %

Auch die Tischler- und Malerarbeiten seien bauliche Leistungen, da sie der Fertigstellung und Vollendung von Gebäuden dienten und deshalb als Arbeiten des Ausbau- und Bauhilfsgewerbes anzusehen seien, die ebenfalls vom Geltungsbereich des VTV erfasst würden. Die Ausnahmeregelungen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Ziff. 6 und 11 VTV griffen nicht ein, weil weder Maler- noch Tischlerarbeiten jeweils mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätten. Von den Arbeitnehmern der Beklagten seien im Jahre 1996 zu 63,85 %, 1997 zu 78,53 %, 1998 zu 67,68 %, 1999 zu 69,96 % und 2000 zu 77,08 % der Gesamtarbeitszeit bauliche Leistungen erbracht worden, so dass der Betrieb der Beklagten als Ganzes unter den Geltungsbereich des VTV falle.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

die Beklagte zu verurteilen, an sie 323.327,16 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt zu ihrem Klageabweisungsantrag vor, im streitigen Zeitraum seien keine gewerblichen Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht worden. Als Regiebetrieb habe sie nur an eigenen Immobilien und nicht für Dritte bauliche Leistungen ausgeführt, insbesondere keine Bauleistungen für Dritte zum Zwecke der Gewinnerzielung. Der Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit habe darin bestanden, eigenes Vermögen zu verwalten, also den Eigenbedarf zu befriedigen. Die Beklagte verschaffe sich zwar ihr Vermögen durch Instandsetzung von Gebäuden, übe sodann allerdings ausschließlich die übliche Verwaltungstätigkeit eines Hauseigentümers aus. Diese bestehe in der Vereinnahmung des Mietzinses und der Abrechnung der Nebenkosten. Mit diesen Einnahmen würden die Ankauf- und Instandsetzungskosten finanziert. Zweck dieser Tätigkeit sei der Aufbau einer Alterssicherung für den Geschäftsführer der Beklagten. Das Immobiliengeschäft und die damit einhergehende Verwaltungstätigkeit überwiege. Damit sei die Beklagte ihrem Gepräge nach kein Betrieb des Baugewerbes.

Es seien zudem im streitigen Zeitraum zum weit überwiegenden Teil Arbeitnehmer beschäftigt worden, die sich nicht mit Bauleistungen befasst hätten, nämlich zu einem ganz erheblichen Teil mit Arbeiten im Rahmen der Hausverwaltung. Im Ergebnis der Auswertung der Stundenzettel stelle sich dies wie folgt dar:

Berufsgruppe

1996

1997

1998

1999

2000

Bauarbeiter

5,38 %

7,67 %

4,03 %

2,57 %

2,08 %

Bauhelfer

15,38 %

12,86 %

2,07 %

1,74 %

2,78 %

Bauleiter

3,85 %

2,27 %

2,17 %

2,78 %

Maurer

15,38 %

20,45 %

11,36 %

19,57 %

16,67 %

Trockenbau

2,27 %

7,84 %

5,17 %

5,56 %

Fliesenleger

2,27 %

2,17 %

2,78 %

Verwaltung

2,27 %

4,55 %

4,34 %

5,56 %

39,99 %

45,52 %

34,39 %

37,73 %

38,21 %

Außenanlagen

5,38 %

1,01 %

0,50 %

1,78 %

0,69 %

Hausmeister

11,54 %

4,55 %

6,82 %

4,35 %

5,56 %

Tischler

15,78 %

16,34 %

18,47 %

15,91 %

23,59 %

Reinigung

15,38 %

13,64 %

20,45 %

19,57 %

11,11 %

Maler

8,08 %

16,67 %

14,82 %

16,32 %

15,28 %

Hausverwaltung

3,85 %

2,27 %

4,55 %

2,17 %

2,78 %

Azubi

2,17 %

2,78 %

100,00 %

100,00 %

100,00 %

100,00 %

100,00 %

Der Anteil baulicher Tätigkeiten am Gesamtumfang der betrieblichen Gesamtarbeitszeit habe 1995 23,07 %, 1996 39,99 %, 1997 45,52 %, 1998 34,39 %, 1999 37,73 % und 2000 38,21 %, mithin stets weniger als 50 % der Gesamtarbeitszeit betragen.

Die von den beschäftigten Malern und Tischlern geleisteten Arbeiten könnten nicht dem Ausbaugewerbe bzw. dem Bauhilfsgewerbe zugerechnet werden. Dabei behaupte die Beklagte nicht, ein Betrieb des Maler- bzw. Tischlerhandwerks zu sein. Die durchgeführten Maler- und Tischlerarbeiten seien vielmehr fast ausschließlich im Rahmen der Hausverwaltung geleistet worden und zwar in Form der Beseitigung der während der Vermietung der Gebäude aufgetretenen Mängel. Damit lägen insoweit auch keine “sowohl-als-auch-Tätigkeiten” vor. Diese Arbeiten hätten keinesfalls den bei der Beklagten erbrachten baulichen Leistungen gedient und diese auch nicht ermöglicht und seien deshalb keine Zusammenhangstätigkeiten. Entsprechendes gelte für die bei der Beklagten beschäftigten Reinigungskräfte, das technische Personal und die Hausmeister. Auch die eingesetzten Bauhelfer hätten zu großen Teilen Maler- und Tischleraushilfsarbeiten und Reinigungsarbeiten erbracht. Die technischen Angestellten seien mit Kleinelektrikarbeiten befasst gewesen. Lediglich eine Verwaltungsangestellte habe die buchhalterische Verwaltung des Baubereichs durchgeführt. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage der Prüfbericht des Arbeitsamtes R-Nord zu dem darin dokumentierten Ergebnis hinsichtlich des prozentualen Anteils der baugewerblichen Tätigkeiten gekommen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung, soweit noch im Streit, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Beklagte vom 1. Januar 1996 bis einschließlich Januar 2000 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen sei. Die Beklagte habe Arbeitnehmer bei der Sanierung und Instandsetzung von Gebäuden beschäftigt und damit bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erbracht. Der VTV erfasse in seinem betrieblichen Geltungsbereich nicht nur das Bauhauptgewerbe, sondern auch das Ausbaugewerbe und das Bauhilfsgewerbe. Die Beklagte sei auch gewerblich tätig gewesen. Sie habe innerhalb einer Zeit von fünf Jahren fortgesetzt mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Gebäude saniert und anschließend vermietet, also nicht mehr im Rahmen einer rein privaten Zwecksetzung gehandelt. Die Klägerin habe substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt, dass im Betrieb der Beklagten zu mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit bauliche Tätigkeiten ausgeführt worden seien. Insoweit genüge die Bezugnahme auf den Inhalt der Auswertung des Arbeitsamtes und der Antrag, alle bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zur Richtigkeit dieser Behauptung als Zeugen zu vernehmen. Einer solchen Vernehmung habe es jedoch nicht bedurft. Aus dem von der Beklagten selbst vorgetragenen Zahlenwerk ergebe sich nämlich bei Zusammenrechnung der von ihr genannten baulichen Leistungen mit den angegebenen Maler- und Tischlerarbeiten, dass im fraglichen Zeitraum tatsächlich zu mehr als 50 % der Arbeitszeit bauliche Leistungen erbracht worden seien. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werde, dass in ihrem Betrieb Tätigkeiten durchgeführt worden seien, die sowohl als baugewerbliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV als auch als solche eines nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV ausgenommenen Handwerks anzusehen seien, seien diese den originären Bau- und Maurerarbeiten hinzuzurechnen. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten folge, dass nicht 20 % der betrieblichen Arbeitszeit auf Arbeiten entfielen, die ausschließlich dem ausgenommenen Gewerbe zuzuordnen seien. Zur Qualifikation der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer der auszunehmenden Gewerbe habe die Beklagte nichts vorgetragen. Deshalb liege keiner der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV vor.
  • Dem folgt der Senat. Die Klägerin kann ihre Ansprüche für die Jahre 1996 bis 1999 auf die §§ 24, 25 VTV vom 12. November 1986 in den jeweils gültigen Fassungen stützen und für das Jahr 2000 auf §§ 18, 19 VTV vom 20. Dezember 1999. Alle Tarifverträge sind für allgemeinverbindlich erklärt worden.

    1. Die für die Ansprüche maßgeblichen Vorschriften lauten:

    “§ 1

    Geltungsbereich

    (2) Betrieblicher Geltungsbereich:

    Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

    Abschnitt I

    Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

    Abschnitt II

    Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

    Abschnitt III

    Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.

    Abschnitt V

    Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

    15. Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten;

    20. Hochbauarbeiten;

    23. Maurerarbeiten;

    37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen); einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

    Abschnitt VI

    Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages. …

    Abschnitt VII

    Nicht erfaßt werden Betriebe

    6. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden;

    11. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und-verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden.”

    2. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend angenommen, dass die Beklagte als Betrieb anzusehen ist, der iSd. § 1 Abs. 2 VTV bauliche Leistungen gewerblich erbracht hat.

    a) Die Beklagte hat einen Betrieb im Sinne der tariflichen Vorschriften geführt.

    aa) Unter einem Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 VTV ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 115).

    bb) Die Beklagte hat in den Jahren 1996 bis Januar 2000 in diesem Sinne einen Betrieb geführt. Sie hat mit durchschnittlich 41 Arbeitnehmern zu dem Zweck der Vermietung Gebäude durch Instandsetzung saniert und sie sodann instand gehalten. Hierzu hat sie Maurer, Bauhelfer, Trockenbauer, Fliesenleger, Maler, Tischler, Hausmeister, Reinigungskräfte, Verwaltungsangestellte und einen technischen Angestellten beschäftigt. Innerhalb dieser Arbeitsorganisation sind damit von der Beklagten fortgesetzt arbeitstechnische Zwecke, nämlich Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten sowie weitere der Vermietung dienende Leistungen erbracht worden. Diese Betriebstätigkeit hat sich auch nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpft. Sie hatte vielmehr zum Ziel, die instand gesetzten bzw. sanierten Gebäude an Dritte auf dem Immobilienmarkt zu vermieten. Ziel war nicht, auch nicht teilweise, die Nutzung durch die Beklagte oder ihre Gesellschafter selbst. Erst recht handelte es sich nicht um einen Regiebetrieb, wie die Beklagte meint. Ein Regiebetrieb ist im weiteren Sinne ein öffentliches Unternehmen in öffentlichrechtlicher Form und ohne eigene Rechtspersönlichkeit; im engeren Sinne ein öffentlicher Betrieb ohne eigene Organe, der im Haushalt des öffentlichen Trägers mit den gesamten Einnahmen und Ausgaben erscheint (Brockhaus Enzyklopädie 20. Aufl. Band 18 Stichwort: Regiebetrieb), also ein unselbständiger Teil einer Verwaltungseinheit (vgl. BAG 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1).

    b) Die Beklagte war im Klagezeitraum auch gewerblich tätig.

    aa) Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben in den tariflichen Vorschriften den Gewerbebegriff in Bezug genommen, der dem staatlichen Gewerberecht und insbesondere der Gewerbeordnung zugrunde liegt. Dieser umfasst alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluss der Urproduktion, des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe. Festzustellen ist demnach unter Beachtung der jeweiligen subjektiven Absicht und Motivation des Betreibers, ob die betreffende Tätigkeit seitens des Unternehmers in Erwerbsabsicht erfolgt, ihr Zweck also eine nachhaltige Gewinnerzielung ist. Auch dann, wenn das Motiv der jeweiligen Tätigkeit in einer nachhaltigen Vermögensvermehrung besteht, wird angenommen, dass ein Gewerbebetrieb vorliegt (BAG 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116; 11. März 1998 – 10 AZR 220/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 204 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 88). Einen Betrieb des Baugewerbes hat das Bundesarbeitsgericht auch dann angenommen, wenn nachhaltig für mehr als zwei Jahre ein Wohnhaus für 18 Mietparteien mit einem dafür angemeldeten Gewerbe saniert wird (BAG 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 115). Ob die dazu erforderlichen baulichen Tätigkeiten auf dem freien Markt im Wettbewerb in Auftrag gegeben werden oder ob der Betrieb auch anderen Kunden gegenüber bauliche Leistungen anbietet, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.

    bb) Die Tätigkeiten der Beklagten waren im Klagezeitraum auf eine nachhaltige Vermögensvermehrung ausgerichtet. Wie die Beklagte selbst vorträgt, bestand das Ziel der unternehmerischen Tätigkeit darin, für den Geschäftsführer eine Alterssicherung aufzubauen. Dazu wurden die Gebäude instand gesetzt und instand gehalten, um sie anschließend zu vermieten und den erzielten Gewinn weiter zu investieren. Schon die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer spricht dafür, dass die Beklagte gewerblich tätig war. Dem hat die Beklagte im übrigen dadurch Rechnung getragen, dass sie den Betrieb in das Gewerberegister der Stadt R… eintragen ließ.

    3. Im Betrieb der Beklagten wurden im Klagezeitraum bauliche Leistungen erbracht.

    a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommt, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien wie zB die Eintragung in das Handelsregister oder in eine Handwerksrolle mit einem bestimmten Inhalt abzustellen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 16. Mai 2001 – 10 AZR 438/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Dachdecker Nr. 7 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 106). Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV werden Betriebe als Ganzes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen.

    b) Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht auf Grund des Vortrags der Beklagten geprüft, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat. Soweit die Beklagte darin ein verspätetes neues Angriffsmittel sieht und rügt, dies hätte nicht berücksichtigt werden dürfen, ist die Rüge unbeachtlich. Grundsätzlich kann nämlich die Zulassung verspäteten Vorbringens durch das Berufungsgericht nicht mit der Revision angegriffen werden (BAG 20. April 1983 – 4 AZR 497/80 – BAGE 42, 244; 31. Oktober 1984 – 4 AZR 604/82 – AP TVAL II § 42 Nr. 3; BGH 26. Februar 1991 – XI ZR 163/90 – LM ZPO § 528 Nr. 43). Im übrigen handelte es sich auch nicht um neues Tatsachenvorbringen, sondern um die rechtliche Bewertung der von der Beklagten selbst vorgetragenen Behauptungen. Die Klägerin hätte diese auch zugestehen können (§ 288 ZPO). Dies wäre ebenfalls kein neues Angriffsmittel.

    c) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tätigkeiten der Fliesenleger, der Maurer, der Trockenbauer und des Hochbaus vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden. Für die Fliesenlegerarbeiten folgt dies aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 15, für die Maurerarbeiten aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 23, für die Trockenbauarbeiten aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 37 und für die Hochbauarbeiten aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 20 des VTV. Der Anteil dieser Leistungen lag in den streitigen Jahren jeweils unter 50 % der Gesamtarbeitszeit.

    d) Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht ferner darin, dass diesen Tätigkeiten die Maler- und Tischlerarbeiten hinzuzurechnen sind, denn es handelt sich dabei ebenfalls um bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt I – III VTV. Die Tarifvertragsparteien haben nicht nur das sog. Bauhauptgewerbe erfassen wollen, sondern auch das sog. Baunebengewerbe (BAG 5. September 1990 – 4 AZR 82/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 135). Der betriebliche Geltungsbereich des VTV erstreckt sich danach grundsätzlich auch auf das gesamte Ausbaugewerbe und nimmt nur dessen in Abschnitt VII des § 1 Abs. 2 VTV genannte Betriebe von seinem Geltungsbereich aus (vgl. BAG 7. April 1993 – 10 AZR 618/90 – AP TVG Tarifverträge: Maler Nr. 7 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 67; 18. August 1993 – 10 AZR 177/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 166). Auch die Maler- und Tischlerarbeiten dienen der vollständigen Fertigstellung eines Gebäudes. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und so zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass für den Zeitraum 1996 bis Januar 2000 von den Arbeitnehmern der Beklagten im arbeitszeitlich überwiegenden Umfang bauliche Tätigkeiten erbracht worden sind.

    e) Soweit die Arbeitnehmer der Beklagten Maler- und Tischlerarbeiten im Rahmen der Hausverwaltung zum Zwecke der Beseitigung der bei der Vermietung aufgetretenen Mängel ausgeführt haben, dienten diese ebenfalls der Instandsetzung und Instandhaltung der vermieteten Gebäude. Unter Instandsetzung ist dabei die Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Benutzbarkeit des Bauwerkes zu verstehen. Diese Tätigkeiten sind nach ihrer Zwecksetzung ebenfalls bauliche Leistungen im Sinne des VTV (BAG 11. Juni 1997 – 10 AZR 525/96 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 200 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 85). Als Tätigkeiten des Ausbaugewerbes sind die Maler- und Tischlerarbeiten auch baulich geprägt.

    Im Ergebnis beträgt der Anteil der im Betrieb erbrachten baulichen Leistungen an der Gesamtarbeitszeit nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten allein bei Berücksichtigung der Arbeitszeitanteile der Tischlerarbeiten 1996 55,77 %, 1997 61,86 %, 1998 52,86 %, 1999 53,64 % und 2000 66,80 %, so dass es auf die Malerarbeiten nicht einmal ankommt.

    4. Unabhängig davon, dass sich die Beklagte auf das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV nicht berufen hat, greifen diese auch nicht ein. In Frage kommen die Nr. 6 und 11 des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV. Aus den von der Beklagten gemachten Angaben zu den Arbeitszeitanteilen der einzelnen Tätigkeiten lässt sich nicht erkennen, dass zu mehr als der Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Arbeiten des Maler- oder Tischlerhandwerks einschließlich sog. “sowohl-als-auch-Tätigkeiten” ausgeführt wurden, erst recht nicht, dass zu mindestens 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Arbeiten, die für das jeweilige Handwerk typisch sind, ausgeführt bzw. von Fachkräften des jeweiligen Handwerks wahrgenommen oder beaufsichtigt worden wären (BAG 11. Dezember 1996 – 10 AZR 376/96 – BAGE 85, 15; 19. Juli 2000 – 10 AZR 918/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 232 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 98).

    5. Die von der Beklagten vorgebrachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie hat gerügt, dass das Landesarbeitsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und es in diesem Zusammenhang unterlassen habe, zur Sachaufklärung Fragen zu stellen.

    a) Im Falle der Rüge der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 Abs. 2 ZPO) und der unterlassenen Fragestellung (§ 139 Abs. 1 ZPO) muss die Revisionsbegründung gem. § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben. Der Revisionskläger hat anzugeben, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Dabei ist der unterbliebene Vortrag vollständig nachzuholen und darzulegen, dass hierdurch die Entscheidung beeinflusst worden wäre (BAG 12. April 2000 – 5 AZR 704/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72 mwN).

    b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Sie hat vorgetragen, sie hätte im Falle eines Hinweises im einzelnen dargestellt, dass nach genauer Auswertung jeder einzelnen Tätigkeit mindestens im Jahr 2000, aber auch 1996 bis 1999 unter Hinzurechnung der “sowohl-als-auch-Tätigkeiten” zu über 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten iSd. Abschnitts VII Nr. 11 des § 1 Abs. 2 VTV ausgeübt und die Tischlerarbeiten im Jahr 2000 von gelernten Arbeitnehmern des Tischlerhandwerks ausgeführt worden seien. Zudem hätten bei der Beklagten beschäftigte Tischlergesellen Hilfskräfte angelernt. Ebenfalls hätte sie dargelegt, dass sie dritte Unternehmen im Rahmen der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen beauftragt habe und die bei ihr beschäftigten Maler und Tischler zu diesen Tätigkeiten nicht eingesetzt worden seien.

    Auch bei Zugrundelegung dieses Vortrages unterfällt die Beklagte dem VTV. Auf die Tatsache, dass die Beklagte ggf. dritte Unternehmen zur Durchführung der Sanierungsarbeiten eingesetzt hat, kommt es nicht an. Auch für diesen Fall sind die von den Malern und Tischlern erbrachten Leistungen in dem dargestellten Umfang bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, weil sie der Instandhaltung von Bauwerken dienten und der Tätigkeit der Beklagten zugerechnet werden (BAG 20. September 2000 – 4 ABR 63/98 – BAGE 95, 339 mwN). Das weitere Vorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, schlüssig die Erfüllung der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 oder 11 darzulegen. Der Vortrag enthält keine konkreten Tatsachen zu den tatsächlich ausgeübten handwerkstypischen Tätigkeiten.

    c) Erfolglos rügt die Beklagte des weiteren, dass ihr durch die Zustellung des vollständig abgefassten Urteils nach Ablauf von drei Monaten seit der Urteilsverkündung die Möglichkeit genommen worden sei, innerhalb der dreimonatigen Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO mittels eines Berichtigungsantrages die unrichtige Feststellung des Landesarbeitsgerichts zu beseitigen, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe im Termin der mündlichen Verhandlung erklärt, die Beklagte erbringe bauliche Leistungen auch für Dritte.

    Die erhobene Rüge unrichtiger Tatsachenfeststellung bildet nur dann einen Revisionsgrund, wenn sie entscheidungserheblich ist (§ 561 ZPO). Das ist nicht der Fall. Die Beklagte unterfällt dem VTV unabhängig davon, ob sie Bauleistungen für Dritte erbracht hat oder nicht.

    6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Lindemann, Petri

 

Fundstellen

Haufe-Index 1120374

IBR 2004, 286

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge