Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks. Bodenbeschichtung. Bodenbeschichtungen aus Kunststoff als bauliche Leistungen: Abgrenzung in Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks (vgl. auch Senatsurteil vom 7. April 1993 – 10 AZR 696/92 – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen)

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Betrieb, der ausschließlich eine Tätigkeit verrichtet, die auch zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks gehört – hier die Beschichtung von Böden mit einem Kunststoffbelag –, ist nicht schon allein deswegen ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks.

Ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks muß zumindest auch die typischen Tätigkeiten dieses Handwerks ausführen, also Farb- und Lackanstriche aufbringen und Tapezierarbeiten verrichten.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 i.d.F. vom 6. Januar 1989 § 1 Abs. 2, § 27

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 27.08.1990; Aktenzeichen 16 Sa 426/90)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 06.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1104/89)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 1990 – 16 Sa 426/90 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Klägerin (ZVK) ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Auskunftserteilung für die Monate Februar bis Oktober 1989 in Anspruch.

Die Beklagte unterhält einen Betrieb, in dem Bodenbeschichtungen ausgeführt werden. Dabei wird auf bereits vorhandenen Unterböden, die überwiegend aus Beton bestehen, flüssiger Kunststoff aus ein oder zwei Komponenten aufgeschüttet, der mit einem Zahnspachtel oder einer Rolle verstrichen wird. Im Zuge der Erhärtung verbindet sich der Kunststoffauftrag fest mit dem Unterboden. Der Geschäftsführer der Beklagten ist gelernter Feinoptiker und hat bei einer anderen Firma eine Prüfung als “Oberbelagsleger” abgelegt. Die Beklagte ist mit ihrem Betrieb nicht in eine Handwerksrolle eingetragen. Wie viele Arbeitnehmer die Beklagte beschäftigt und welche Ausbildung diese Arbeitnehmer haben, ist nicht vorgetragen worden.

Die Beklagte hat im Jahre 1988 Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes an die ZVK auf entsprechende Aufforderung hin gezahlt. Sie hat dann die Zahlung der Beiträge eingestellt, als ihr Antrag auf Winterbauförderung durch das Arbeitsamt nach einer Betriebsprüfung abgelehnt worden war.

Die ZVK ist der Ansicht, die Beklagte erbringe durch das Beschichten von Böden mit Kunstharz eine bauliche Leistung. Sie sei daher ein Baubetrieb, der dem betrieblichen Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 i.d.F. vom 6. Januar 1989 unterfällt. Sie verlangt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten Auskunft auf vorgeschriebenem Formular über die Zahl der von Februar bis Oktober 1989 beschäftigten Arbeiter und Angestellten, die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme und die Höhe der abzuführenden Sozialkassenbeiträge und für den Fall der nicht fristgemäßen Auskunftserteilung eine Entschädigung in Höhe von 18.270,-- DM.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Beschichten von Böden stelle keine bauliche Leistung i.S. des VTV dar. Das Auftragen der Kunststoffschicht erfolge aus optischen Gründen und aus Gründen der Pflegeleichtigkeit des Bodens. Mit der aufgetragenen Kunststoffschicht werde der Raum wohnlicher. Ihre Tätigkeit sei daher am ehesten zu vergleichen mit der Verlegung von Teppichböden oder Kunststoffplanen- oder Platten. Auch diese würden mit dem Unterboden fest verbunden. Es könne keinen Unterschied machen, ob der zu verlegende Boden an anderer Stelle hergestellt und erst an Ort und Stelle aufgebracht und mit dem Unterboden fest verbunden werde, oder ob der Oberboden in einem Arbeitsgang an Ort und Stelle hergestellt und mit dem Unterboden fest verbunden werde. Auch mache es keinen Unterschied, mit welchem Verfahren und mit welchem Aufwand ein solcher Boden jeweils vom Unterboden wieder getrennt werden könne.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiter ihren Antrag auf Abweisung der Klage, während die ZVK um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu Recht erkannt, daß die Beklagte dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfällt und daher zur Erteilung der begehrten Auskünfte verpflichtet ist.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte nach § 27 VTV zur Erteilung der begehrten Auskünfte verpflichtet ist, wenn ihr Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Das ist dann der Fall, wenn im Betrieb der Beklagten im Anspruchszeitraum Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV genannt sind. Da die Beklagte ausschließlich Bodenbeschichtungen der genannten Art aufbringt, kommt es auf den Anteil dieser Betätigung an ihrer Gesamttätigkeit nicht an.

2. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung, daß der Betrieb der Beklagten ein “Baubetrieb” im tariflichen Sinne sei, damit begründet, daß die Beschichtung fertiger Unterböden mit einer Kunststoffschicht, so wie sie von der Beklagten aufgebracht wird, eine “sonstige bauliche Leistung” i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV darstellt. Bei dieser Tätigkeit handele es sich weder um Estricharbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 10 VTV noch um das Verlegen von Bodenbelägen i.S.v. Nr. 37, das nur dann erfaßt würde, wenn es in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen geschehe, was bei der Beklagten nicht der Fall sei. Obwohl das Beschichten von Unterböden mit Kunststoffschichten auch eine Tätigkeit des Maler- und Lackiererhandwerkes sei, sei der Betrieb der Beklagten doch nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Der Betrieb der Beklagten sei kein solcher des Maler- und Lackiererhandwerkes, da er nicht als solcher in die Handwerksrolle eingetragen sei.

3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Beschichtung von Unterböden, die meist aus Beton bestehen, mit einer Kunststoffschicht als das Erbringen einer baulichen Leistung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV gewertet. Unter einer baulichen Leistung i.S. dieser Bestimmung ist eine Leistung zu verstehen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient. Die Tätigkeit der Beklagten dient der Erstellung von Bauwerken. Damit sind alle Arbeiten gemeint, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind. Dabei ist ein Bauwerk erst dann erstellt und damit baulich vollendet, wenn es im vollen Umfange seine bestimmungsgemäßen Zwecke zu erfüllen in der Lage ist (BAG Urteil vom 18. Januar 1984 – 4 AZR 13/82 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Ein Bauwerk ist daher nicht schon dann bestimmungsgemäß erstellt, wenn es überhaupt genutzt werden kann. Es ist deshalb unerheblich, wenn die Beklagte vorträgt, schon der aus Beton bestehende Unterboden könne begangen werden, das Aufbringen der Kunststoffschicht erfolge lediglich aus optischen Gründen, zur Verbesserung der Pflegeleichtigkeit und um den Raum wohnlicher zu machen. Zur Erstellung eines Bauwerkes gehört nicht nur die Fertigstellung eines Rohbaus, sondern auch der vollständige Ausbau eines Bauwerkes. Von daher erstreckt sich der betriebliche Geltungsbereich des VTV auch grundsätzlich auf das gesamte Bauausbaugewerbe und nimmt dabei nur die in Abschn. VII erfaßten Betriebe des Ausbaugewerbes von seinem Geltungsbereich aus, was überflüssig wäre, wenn das Bauausbaugewerbe schon deswegen nicht vom betrieblichen Geltungsbereich erfaßt würde, weil es keine “bauliche Leistungen erbringt, die zur Erstellung eines Bauwerkes bestimmt sind” (BAG Urteil vom 5. September 1990 – 4 AZR 82/90 – NZA 1991, 241). Seinen bestimmungsgemäßen Zweck erfüllt ein Bauwerk bzw. ein Boden in einem Bauwerk auch erst dann, wenn er den geforderten optischen Eindruck vermittelt oder die erstrebte Pflegeleichtigkeit aufweist.

Die Argumentation der Beklagten stellt darüber hinaus im Grunde nur auf das Erstellen von Böden in Wohngebäuden ab. Die Beklagte firmiert als “Industrie-Fußbodensanierung”. In welchem Umfange sie überhaupt Böden in Wohnbauten beschichtet und damit deren “Wohnlichkeit” steigert, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Beschichtet sie aber überwiegend oder ausschließlich Industrieböden, so liegt auf der Hand, daß die aufgebrachte Kunststoffbeschichtung von der späteren Nutzung der Industriebauten her bestimmt wird und damit offensichtlich der Fertigstellung des Bauwerkes zu seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch dient.

4. Das Beschichten von Unterböden mit einer Kunststoffschicht stellt auch kein “Verlegen von Bodenbelägen” i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV dar, das nur dann als bauliche Leistung anzusehen ist, wenn es i.V. mit anderen baulichen Leistungen erfolgt. Schon der Wortlaut der Vorschrift schließt eine solche Annahme aus. Die Worte “Verlegen” und “Legen” bringen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Tätigkeit zum Ausdruck, durch die ein Gegenstand oder Körper, auf einem anderen Gegenstand oder Körper verbracht, “gelegt wird”. Ein “Belag” ist daher gerade ein Körper, der auf einen anderen Körper “gelegt wird”. Eine flüssige Masse, die auf einen Körper aufgegossen wird, ist nach dem Sprachgebrauch kein Körper, der auf einen anderen gelegt wird, ebensowenig wie das Aufbringen eines Anstriches auf einen Körper als das “Belegen” des Körpers mit einem “Farbbelag” verstanden und bezeichnet wird. Daß eine aufgetragene Kunststoffschicht eine gleiche oder ähnliche Funktion haben kann wie ein verlegter Bodenbelag, ist insoweit unerheblich, da es bei den in Abschn. V des § 1 Abs. 2 VTV aufgeführten Arbeiten auf die jeweilige Tätigkeit, nicht aber auf die spezielle Funktion des Arbeitsergebnisses ankommt.

5. Die Beklagte ist schließlich, was das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat, kein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks und als solcher nach Abschn. VII Nr. 4 vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß das Beschichten und Versiegeln von Böden auch zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks gehört. Es sei aber auch eine Tätigkeit typischer Baubetriebe, etwa der Betriebe, die Estricharbeiten verrichten. In solchen Fällen, in denen eine Tätigkeit mehreren Gewerbezweigen zugerechnet werden könne, bedürfe es schon im Interesse der Rechtssicherheit eines leicht feststellbaren Merkmales, um die Frage entscheiden zu können, ob ein Betrieb, der – wie hier – das Beschichten von Böden mit einer Kunststoffmasse ausführt, ein Baubetrieb oder ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks sei. Ein solches leicht feststellbares Merkmal sei die Eintragung in die Handwerksrolle. An dieser fehle es beim Betrieb der Beklagten, so daß diese schon deswegen nicht als Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks angesehen werden könne.

Dieser Begründung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Eintragung eines Betriebes in die Handwerksrolle mit einer näher bezeichneten betrieblichen Tätigkeit kann zwar ein Indiz dafür sein, daß es sich um einen Handwerksbetrieb der entsprechenden Fachsparte handelt (BAG Urteil vom 18. Januar 1984 – 4 AZR 13/82 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ist ein Betrieb jedoch nicht in die Handwerksrolle eingetragen, kann daraus entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht geschlossen werden, daß der Betrieb eine einem bestimmten Handwerk zuzuordnende Tätigkeit nicht ausführt.

Es braucht im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entschieden zu werden, aufgrund welcher einzelnen Kriterien die Annahme, es liege ein Handwerksbetrieb vor, gerechtfertigt ist.

Die Frage, ob ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks vorliegt, stellt sich nicht schon deswegen, weil in einem Betrieb Tätigkeiten verrichtet werden, die auch zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks gehören. Es gibt eine Vielzahl einzelner Tätigkeiten, die von Betrieben unterschiedlichster Gewerbezweige in gleicher Weise ausgeführt werden und zum Berufsbild des jeweiligen Gewerbezweiges gehören. Das ist auch, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, hinsichtlich der Beschichtung von Böden mit einem Kunststoffbelag der Fall. Wenn eine solche Tätigkeit auch zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks gehört, so wird dadurch doch ein Betrieb, der ausschließlich eine solche Tätigkeit verrichtet, noch nicht zu einem Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks. Ein Betrieb dieses Handwerkszweiges ist in erster Linie dadurch gekennzeichnet, daß in ihm Arbeiten verrichtet werden, die typischerweise den Betrieb als einen solchen des Maler- und Lackiererhandwerks ausweisen. Das aber sind schon nach dem Sprachgebrauch und der Anschauung im Wirtschaftsleben jedenfalls Betriebe, die zumindest auch Maler- und Lackierertätigkeiten ausführen, also Farb- und Lackanstriche aufbringen, und Tapezierarbeiten verrichten. Ein Betrieb, der keine dieser Arbeiten verrichtet, ist kein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks, selbst wenn die von ihm verrichteten Tätigkeiten auch in einem Maler- und Lackiererbetrieb anfallen und ausgeführt werden und daher mit zum Berufsbild dieses Handwerks gehören.

Ist daher der Betrieb der Beklagten kein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks, so ist er vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht ausgenommen. Er wird vielmehr als ein Betrieb, der bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erbringt, von dessen Geltungsbereich erfaßt. Die Beklagte ist daher zur Erteilung der geforderten Auskünfte verpflichtet.

Da das Landesarbeitsgericht dies zu Recht erkannt hat, erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet.

6. Die Kosten der Revision hat nach § 97 ZPO die Beklagte zu tragen.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Plenge, Hickler

 

Fundstellen

Haufe-Index 845816

NZA 1993, 1090

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