Entscheidungsstichwort (Thema)

Heizungs- und Lüftungsbau als Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

§ 1 Abs 2 Abschnitt II VTV-Bau erfaßt alle Betriebe des Ausbaugewerbes. Sie werden nur dann vom Geltungsbereich des VTV-Bau ausgenommen, wenn sie in § 1 Abs 2 Abschnitt VII aufgezählt sind.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1; Verfahrenstarifverträge-Bau vom 19. Dezember 1983 i.d.F. vom 12. Dezember 1984, 17. Dezember 1985 und 12. November 1986

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.10.1989; Aktenzeichen 14 Sa 59/89)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.09.1988; Aktenzeichen 2 Ca 5334/87)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 1989 – 14 Sa 59/89 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Betrieb des Beklagten, der Lüftungskanäle aus Blech herstellt und montiert, zum Baugewerbe im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge für das Baugewerbe (VerfTV) gehört.

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Sie zieht nach näherer tariflicher Regelung die Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes ein. Im Betrieb des Beklagten werden Lüftungskanäle aus Blech für Lüftungs- und Klimaanlagen hergestellt und montiert. Hin und wieder werden auch Räucheröfen und Abgasrohre gefertigt. Der Beklagte gehört keinem Arbeitgeberverband an.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung der tariflichen Beiträge für die Zeit von Januar 1986 bis Mai 1987 sowie Auskunft über die Zahl der Beschäftigten und die Bruttolohnsumme für die Zeit von Juni bis November 1987.

Über diese Ansprüche ergingen Versäumnisurteile des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26. November 1987 – 2 Ca 5334/87 –, vom 14. Januar 1988 – 2 Ca 5733/87 – und vom 14. April 1988 – 2 Ca 62/88 –. Auf jeweils rechtzeitigen Einspruch wurden die drei Rechtsstreite durch Beschluß vom 20. September 1988 unter dem führenden Aktenzeichen – 2 Ca 5334/87 – vom Arbeitsgericht Wiesbaden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Eine Überprüfung des Betriebs des Beklagten durch das Landesarbeitsamt… kam zu dem Ergebnis, daß der Betrieb nicht zum Baugewerbe gehöre.

Die Klägerin hat zunächst behauptet, der Betrieb des Beklagten habe sich zumindest während des Klagezeitraums zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit mit der Isolierung von industriellen Fertigungs- und Verarbeitungsmaschinen sowie Rohrleitungen und der Montage von Blechummantelungen von Rohren gegen Stoß und Aufprall befaßt. In der Berufungsinstanz hat sich die Klägerin nur noch darauf berufen, das Herstellen und Montieren von Lüftungskanälen unterfalle den Bautarifverträgen, da dies als “Montagebauarbeiten” anzusehen sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Versäumnisurteile vom 26. November 1987, 14. Januar 1988 und 14. April 1988 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt, die Versäumnisurteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die in seinem Betrieb ausgeführten Arbeiten seien dem Tarifvertrag für Arbeitnehmer der metallverarbeitenden Handwerke im Land Nordrhein-Westfalen betreffend alle Betriebe der Verbandsbereiche Fachverband Sanitär, Heizung, Klima Nordrhein-Westfalen und Fachverband Metall Nordrhein-Westfalen des Maschinenbauer-, Schlosser-, Schmiede-, Werkzeugmacher-, Dreher-, Metallformer- und Metallgießerhandwerks zuzuordnen. Sein Betrieb arbeite ausschließlich mit verzinkten Blechen, aus denen Lüftungskanäle hergestellt würden. Er arbeite teilweise auch auf Vorrat. Die Kanäle würden waagerecht an Gewindestangen aufgehängt und fachgerecht befestigt. Sie seien Teile von Klimaanlagen. Bei von anderen Firmen durchgeführten Mauerdurchbrüchen würden die Kanäle isoliert.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung von acht Zeugen die Versäumnisurteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Versäumnisurteile aufrechterhalten. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Beklagte betreibt einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne von § 1 Abs. 2 VerfTV.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Herstellung und Montage von Lüftungskanälen für Klimaanlagen gehöre nach der Verkehrsauffassung und der allgemeinen Lebenserfahrung zur Erstellung eines Gebäudes für seinen bestimmungsgemäßen Zweck. Sie bildeten unter baulich technischen Gesichtspunkten mit dem Gebäude eine Einheit und seien deshalb auch wesentliche Bestandteile des Grundstücks nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB. Damit unterhalte der Beklagte aber einen Baubetrieb, der sein Gepräge durch die Arbeit am “erdverbundenen Bau” erhalte, obwohl die Lüftungskanäle aus Metall hergestellt und dementsprechend montiert würden. Darüber hinaus erfülle das Anbringen der vorgefertigten Lüftungskanäle auch das Tarifbeispiel nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziff. 36 VerfTV “Trocken- und Montagebauarbeiten”, da diese nicht auf einen bestimmten Werkstoff beschränkt seien. Ebensowenig sei es erforderlich, daß sie mit Arbeitsmethoden des Baugewerbes ausgeführt werden.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.1. Die Klägerin kann von dem Beklagten die begehrten Auskünfte und Zahlungen verlangen, da der Betrieb des Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 19. Dezember 1983 i.d.F. vom 12. Dezember 1984 und 17. Dezember 1985 und dem des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 erfaßt wird. Beide Tarifverträge sind auf die Rechtsbeziehungen der Parteien aufgrund Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung anwendbar (§ 5 Abs. 4 i.Verb.m. § 4 Abs. 2 TVG).

Nach dem insoweit übereinstimmenden Wortlaut des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge werden von diesen – soweit hier von Interesse – erfaßt:

§ 1 Abs. 2

Betrieblicher Geltungsbereich

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

  • Trocken- und Monatagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fallen Betriebe, in denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten ausgeführt werden, unter den betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau und der insoweit gleichlautenden Verfahrenstarifverträge, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale des Abschnitts I bis III zu überprüfen sind (vgl. BAGE 48, 390, 394 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Vorliegend kommt allein in Betracht Abschnitt V Ziff. 36 (Trocken- und Montagebauarbeiten).

Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, das Fertigen und Anbringen von Lüftungskanälen erfülle das Tarifbeispiel.

Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien, den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und auch dem Ergebnis der Beweisaufnahme werden in dem Betrieb des Beklagten fast ausschließlich Lüftungskanäle aus Blech hergestellt und in Bauwerken montiert. Wenn diese durch vorhandene Mauerdurchbrüche geführt werden, wird Glaswolle in die Öffnungen gestopft oder die Kanäle werden an diesen Stellen mit Glaswolle ummantelt. Sämtliche Putzarbeiten pp. werden von anderen Firmen, die nicht in Verbindung mit dem Beklagten stehen, ausgeführt. Daneben werden hin und wieder Abgasrohre gefertigt und Räucheröfen gebaut.

Dies mögen zwar Montagearbeiten sein, jedoch keine Montagebauarbeiten. Wie das Tarifbeispiel “Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern” zeigt, sind hier Bauleistungen gemeint, die der unmittelbaren Herstellung des Gebäudes dienen (vgl. auch BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – AP Nr. 103 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die vom Beklagten ausgeführten Arbeiten gehören jedoch nicht hierzu, sondern zu den Aufgaben von Zentralheizungs- und Lüftungsbauern, Klempnern oder Schlossern (Blätter zur Berufskunde, Band 1 – II A 102, 301, 503). Die Tatsache, daß die Lüftungskanäle, je nach der Art des Einbaues, wesentliche Bestandteile des Gebäudes sein können, rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme von Montagebau arbeiten zur unmittelbaren Herstellung eines Gebäudes im Sinne von § 1 Abs. 2 VerfTV. Die auszuführenden Arbeiten werden auch nicht in der VO über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 8. Mai 1974 i.d.F. vom 2. August 1978 (BGBl I S. 1206) aufgeführt. Zu Unrecht beruft sich das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Senats vom 26. April 1989 (– 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau); denn dort ging es allein um die Herstellung der Außenwände von Industriehallen aus Metall. Dabei handelt es sich allerdings um “Wandeinbau” im Sinne der Nr. 36 des Abschnitts V, so daß es insoweit nicht auf das verwendete Material ankam. Es war in jenem Fall unerheblich, ob die Arbeiten als Spenglerarbeiten angesehen werden können und mit Schlosserhandwerkszeug gearbeitet wird.

3. In dem Betrieb des Beklagten werden jedoch bauliche Leistungen im Sinne von Abschnitt II des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge erbracht.

Der Beklagte erstellt zwar keine Bauten im eigentlichen Sinne. Mit der Herstellung und Montage der Lüftungskanäle erbringt er jedoch “bauliche Leistungen” im Sinne der tariflichen Vorschriften. “Bauliche Leistungen” erfordern, daß die entsprechenden Arbeiten von Betrieben des Baugewerbes ausgeführt werden und daß sie der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken zu dienen bestimmt sein müssen (BAG Urteil vom 17. März 1976 – 4 AZR 188/75 – AP Nr. 28 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 11. Dezember 1974 – 4 AZR 151/74 – AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 18. Januar 1984 – 4 AZR 13/82 – AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Hierhin gehören sämtliche Bauleistungen, die der Erstellung von Bauten dienen.

a) Ein Betrieb des Baugewerbes liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 18. Januar 1984, aaO) dann vor, wenn er nach Herkommen und Üblichkeit im Hinblick auf die von ihm überwiegend ausgeführten Arbeiten als solcher angesehen wird. Dies ist für den von dem Beklagten unterhaltenen Betrieb zu bejahen. Dabei ist es unerheblich, daß das Herstellen und Anbringen von Lüftungskanälen für Klimaanlagen in Gebäuden auch den Berufsbildern eines Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnikers, eines Kachelofen- und Luftheizungsbauers oder eines Spenglers entspricht. Denn solche Betriebe gehören zumindest dem sog. Ausbaugewerbe an (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Bd. 2, S. 648). Die Tarifvertragsparteien haben aber mit ihrer weitgehenden Formulierung nicht nur das sog. Bauhauptgewerbe erfassen wollen, sondern auch das sog. Ausbaugewerbe und das Bauhilfsgewerbe. Dies wird deutlich daran, daß sie in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VerfTV eine Reihe von Betrieben des Ausbaugewerbes ausdrücklich von dem Geltungsbereich wieder ausnehmen. Dies wäre überflüssig, wenn sie schon ohne diese Ausnahmeregelung nicht unter den Geltungsbereich der VerfTV fallen würden. Damit sind alle nicht ausdrücklich in Abschnitt VII ausgenommenen Betriebe des Ausbaugewerbes, z.B. auch Betriebe der Gas-, Wasser- oder Elektroinstallation, der Ofen- und Herdsetzerei sowie des Heizungsbaus, als Betriebe des Baugewerbes im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VerfTV anzusehen.

b) Wie die Tarifvertragsparteien selbst in einer tariflichen Definition ausgeführt haben, liegen bauliche Leistungen dann vor, wenn die auszuführenden Arbeiten – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt aller BAG Urteil vom 18. Januar 1984, aaO) sind danach mit “Erstellung von Bauwerken”, alle Arbeiten gemeint, die “irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind”. Bei der Auslegung der Tarifvorschrift kann nicht übersehen werden, daß ein Bauwerk jedenfalls nach der Verkehrsauffassung und allgemeinen Lebenserfahrung nicht schon mit der Fertigstellung des Rohbaus, sondern erst dann baulich vollendet ist, wenn es bestimmungsgemäß benutzt werden kann (BAG Urteil vom 18. Januar 1984, aaO, m.w.N.). Klimaanlagen, Luftheizungen u.ä. Einrichtungen dienen aber regelmäßig der ordnungsgemäßen und verkehrsüblichen Fertigstellung von Gebäuden im räumlichen Geltungsbereich der VerfTV. Nur wenn ein Gebäude beheizt bzw. klimatisiert werden kann, ist seine Benutzung sichergestellt. Damit ist die gesamte Tätigkeit des Beklagten als bauliche Leistung im tariflichen Sinne anzusehen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Schneider, Dr. Koffka, Hauk

 

Fundstellen

RdA 1991, 61

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