Entscheidungsstichwort (Thema)

Einseitige Erledigungserklärung im Beschlußverfahren

 

Normenkette

ArbGG § 83a Abs. 2-3, § 95

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 13.07.1987; Aktenzeichen 17 TaBV 56/87)

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 25.03.1987; Aktenzeichen 10 BV 10/87)

 

Tenor

Das Verfahren ist erledigt. Es wird eingestellt. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Juli 1987 – 17 TaBV 56/87 – und der Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. März 1987 – 10 BV 10/87 –, soweit er nicht rechtskräftig geworden ist, sind gegenstandslos.

 

Tatbestand

A. Die beteiligte Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen und betreibt u.a. in H ein Warenhaus. Der Antragsteller ist der Betriebsrat dieses Warenhauses. In dem Unternehmen besteht ein Wirtschaftsausschuß.

Am 10. März 1986 beschloß der Vorstand der Arbeitgeberin, vorbehaltlich der Beratungen mit den betriebsverfassungsrechtlich berufenen Organen und vorbehaltlich des abzuschließenden Interessenausgleichs das Warenhaus in H zu schließen. Zur Vorbereitung von Verhandlungen über einen Interessenausgleich stellte die Arbeitgeberin im Verlaufe des Jahres 1986 dem antragstellenden Betriebsrat umfangreiches, von der Unternehmensberatungsfirma B erarbeitetes Zahlenmaterial über die betriebswirtschaftliche Situation des Kaufhauses H zur Verfügung. Außerdem erhielt der Antragsteller die von der Arbeitgeberin aufgestellten Kalkulationen sowie die Deckungsbeitragsrechnungen für die Jahre 1983, 1984 und 1985 sowie eine Vorausplanung für die Jahre 1987 bis 1990.

Der antragstellende Betriebsrat sah sich angeblich nicht in der Lage, in das ihm überreichte Zahlenmaterial Ordnung zu bringen und die unternehmerisch-wirtschaftliche Entscheidung hinsichtlich der geplanten Betriebsschließung mit der Arbeitgeberin zu beraten. Er beschloß daher, zwei seiner Mitglieder, Frau M und Herrn W, an dem vom P -Institut in W durchgeführten, für Betriebsratsmitglieder und Wirtschaftsausschußmitglieder ausgeschriebenen dreitägigen Seminar „KuR (Kommunikation und Recht) Wirtschaftsausschuß” teilnehmen zu lassen.

Die beteiligte Arbeitgeberin hielt die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an dem Seminar nicht für erforderlich und verweigerte deren Freistellung für diese Schulungsveranstaltung.

Daraufhin hat der antragstellende Betriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen:

Wegen der geplanten Stillegung des Betriebs H sei es dringend erforderlich, daß er über Mitglieder verfüge, die in der Lage seien, die wirtschaftliche Situation in diesem Betrieb richtig einzuschätzen. Mangels vorhandener einschlägiger Kenntnisse müsse er sich zur Überprüfung der ihm überreichten Unterlagen erst einmal schulen lassen. Die Kenntnisse, die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Rahmen der anstehenden Betriebsstillegung benötige, würden durch die Schulungsveranstaltung „Wirtschaftsausschuß” vermittelt. Die Entsendung von zwei seiner Mitglieder sei erforderlich, weil wegen der Schwierigkeit der anstehenden Verhandlungen und des Umfangs der zu erteilenden Auskünfte die Schulung nur eines seiner Mitglieder nicht ausreiche.

Der Antragsteller hat in erster Instanz zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Arbeitgeberin verpflichtet ist, zwei Betriebsratsmitglieder zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung „Wirtschaftsausschuß” vom 3. Juni bis 5. Juni 1987 unter Kostenübernahme nach § 37 Abs. 6 BetrVG freizustellen.

Die beteiligte Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat entgegnet:

Nach dem Programm der Schulungsveranstaltung würden dort Themen behandelt, die für die konkrete Betriebsratsarbeit des Antragstellers nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG seien. Die einzelnen Programmpunkte seien eindeutig auf die Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern im Wirtschaftsausschuß und/ oder auf Mitglieder im Aufsichtsrat zugeschnitten. Insbesondere der Geschäftsbericht, den es bei ihr nur auf Unternehmensebene gebe, weise auf Mitglieder des Wirtschaftsausschusses als Adressaten der Schulungsveranstaltung hin. Da ihr Geschäftsbericht keinen konkreten Bezug zum Hause H habe, sei es nicht erkennbar, wie für den Antragsteller die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung über einen Geschäftsbericht ihres Unternehmens begründet werden könne. Ihr unter Vorbehalt gefaßter Stillegungsbeschluß sei nur in begrenztem Maße von Unternehmensdaten abhängig gewesen. Ausschlaggebend seien die Unwirtschaftlichkeit des Hauses H in der Vergangenheit und eine ungünstige Prognose für die Zukunft gewesen. Sollte einmal hinsichtlich des Betriebes H eine betriebswirtschaftliche Frage auftauchen, könne der Antragsteller auf die Information und Kenntnisse der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses zurückgreifen und notfalls sogar nach § 80 Abs. 3 BetrVG einen Sachverständigen hinzuziehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 25. März 1987 festgestellt, daß die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ein Mitglied des Betriebsrats zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung „Wirtschaftsausschuß” vom 3. bis zum 5. Juni 1987 unter Kostenübernahme freizustellen. Den weitergehenden Antrag des Betriebsrats hat es zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß des Arbeitsgerichts hat nur die beteiligte Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt, mit der sie die völlige Zurückweisung des Begehrens des Antragstellers erstrebt hat.

Der Antragsteller hat in der Beschwerdeinstanz beantragt,

unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin festzustellen, daß die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ein Mitglied des Betriebsrats zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung „Wirtschaftsausschuß” vom 5. Oktober bis 7. Oktober 1987 unter Kostenübernahme nach § 37 Abs. 6 BetrVG freizustellen.

Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluß vom 13. Juli 1987 den Antrag des Betriebsrats unter entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses insgesamt zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 12. August 1987 zugestellten Beschluß hat der antragstellende Betriebsrat am Montag, dem 14. September 1987, die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Verlängerung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist bis 16. November 1987 hat der Antragsteller mit am 16. November 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz mitgeteilt, daß sich die Beteiligten auf einen Sozialplan geeinigt hätten, wonach der hier interessierende Betrieb am 31. August 1987 geschlossen worden sei, und die Hauptsache für erledigt erklärt, weil wegen der Betriebsschließung im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung mehr getroffen werden könne, die im Verhältnis der Beteiligten zueinander irgendeine konkrete Bedeutung haben könnte.

Die beteiligte Arbeitgeberin hat der Erledigungserklärung widersprochen und geltend gemacht, sie habe trotz der inzwischen erfolgten Schließung des Betriebes H ein großes Interesse an einer klaren Entscheidung der vorliegenden Frage.

 

Entscheidungsgründe

B. I. Die Rechtsbeschwerde des antragstellenden Betriebsrats ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden. Zwar hat der Betriebsrat innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist lediglich mitgeteilt, daß sich die Beteiligten auf einen Sozialplan und auf die Schließung des Betriebes H zum 31. August 1987 geeinigt hätten, und wegen des dadurch fortgefallenen Rechtsschutzinteresses für den bisher verfolgten Sachantrag die Hauptsache für erledigt erklärt. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluß mit der nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG erforderlichen Angabe, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Rechtsverletzung bestehen soll. Das ist aber auch nicht erforderlich, wenn – wie hier – der Rechtsbeschwerdeführer in der Rechtsbeschwerdeinstanz sein Sachbegehren, über das die Vorinstanz entschieden hat, nicht mehr weiterverfolgt und lediglich geltend machen will, die Hauptsache sei wegen eines zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisses erledigt. In einem solchen Falle muß es genügen, wenn der Rechtsbeschwerdeführer innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist darlegt, aus welchen Gründen nach seiner Meinung eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Dazu bedarf es keiner Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluß; denn die Feststellung der Erledigung der Sache aufgrund einseitiger Erledigungserklärung des Antragstellers setzt im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht voraus, daß der ursprüngliche Sachantrag des Antragstellers zulässig und begründet war.

II. Das Verfahren war aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung des Antragstellers einzustellen, weil es sich erledigt hat.

Unstreitig haben sich die Beteiligten nach der Verkündung des angefochtenen Beschlusses auf einen Interessenausgleich in Gestalt der Stillegung des Betriebes H zum 31. August 1987 und auf einen Sozialplan geeinigt. Damit entfiel das Rechtsschutzinteresse für den Sachantrag des Betriebsrats auf Feststellung der Verpflichtung der Arbeitgeberin, ein Mitglied des Betriebsrats zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung „Wirtschaftsausschuß” vom 5. bis 7. Oktober 1987 unter Kostenübernahme nach § 37 Abs. 6 BetrVG freizustellen. Das Freistellungsbegehren war gerade damit begründet worden, die Schulung sei erforderlich, um dem Betriebsrat die zur sachgerechten Führung von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan nötigen wirtschaftlichen Kenntnisse zu verschaffen. Mit der vereinbarten Betriebsstillegung und der Aufstellung eines Sozialplans sind diese Aufgaben des Betriebsrats erledigt und werden sich auch in Zukunft in gleicher oder ähnlicher Form nicht mehr stellen. Wegen des dadurch fortgefallenen Rechtsschutzinteresses ist der Antrag des Betriebsrats unzulässig geworden. Das ist auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu beachten. Eine Sachentscheidung über seinen Feststellungsantrag könnte der Betriebsrat deshalb nicht mehr erreichen; vielmehr müßte der Senat den Antrag als unzulässig zurückweisen. Hieraus hat der antragstellende Betriebsrat die richtige Konsequenz gezogen und die Hauptsache für erledigt erklärt.

Die gerichtliche Feststellung der Erledigung der Sache aufgrund einseitiger Erledigungserklärung des Antragstellers setzt im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht voraus, daß der ursprüngliche Sachantrag des Antragstellers bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Zwar hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts früher in ständiger Rechtsprechung eine andere Auffassung vertreten (vgl. etwa BAGE 52, 150 ff. = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972; BAGE 56, 108, 113 = AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972, zu 1 b der Gründe). Der erkennende Senat hatte deshalb im vorliegenden Verfahren am 30. August 1989 eine Anfrage beim Ersten Senat beschlossen, ob dieser der vom erkennenden Senat beabsichtigten Abweichung von dessen bisheriger Rechtsprechung zustimmt. Diese Anfrage ist jedoch gegenstandslos geworden, nachdem der Erste Senat in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß vom 26. April 1990 – 1 ABR 79/89 – seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat und nunmehr ebenfalls die Auffassung vertritt, daß im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren das Gericht bei einseitiger Erledigungserklärung des Antragstellers lediglich zu prüfen hat, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, daß es aber nicht darauf ankommt, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war. Entscheidend ist allein, ob nach Rechtshängigkeit des Antrages tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte. Das ist hier der Fall, so daß die Erledigung eingetreten ist.

Damit sind auch die vorinstanzlichen Beschlüsse, soweit sie noch nicht rechtskräftig sind, gegenstandslos geworden. Dies ist aus Gründen der Klarstellung im Beschlußtenor zum Ausdruck gebracht worden.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Dr. Wittek, Wagner, Seiler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969676

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