Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz

 

Leitsatz (amtlich)

Ausführungen in den Entscheidungsgründen, die sich auf die sinngemäße Wiedergabe des Inhalts einer Tarifnorm beschränken, ohne dazu eine weitere Aussage zu machen, enthalten keinen abstrakten Rechtssatz; auf sie kann eine Divergenzbeschwerde nicht gestützt werden.

 

Normenkette

ArbGG § 72a

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 16.12.1996; Aktenzeichen 7 Sa 508/96)

ArbG Leipzig (Urteil vom 02.02.1996; Aktenzeichen 15 Ca 8498/95)

 

Tenor

  • Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 1996 – 7 Sa 508/96 – wird als unzulässig verworfen.
  • Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
  • Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.720,94 DM festgesetzt.
 

Tatbestand

I. Der Streit der Parteien geht nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung des Beklagten noch um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin, während dieser das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses der Parteien über den 31. Juli 1995 hinaus nicht mehr in Zweifel zieht.

Die am 13. Dezember 1944 geborene Klägerin wird seit dem 1. Februar 1972 im Schuldienst, zuletzt als Erzieherin in unterrichtsbegleitender Funktion an der Förderschule für geistig behinderte Kinder in der L… in Leipzig beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der BAT-O Anwendung. Die Klägerin wird gemäß dem Arbeitsvertrag in der Fassung vom 7. April 1995 rückwirkend seit 1. Dezember 1991 nach der VergGr. Vb BAT-O nebst einer Erzieherzulage vergütet.

Pädagogische Unterrichtshilfen gibt es in den Diensten des Beklagten seit dem 1. August 1995. Dabei handelt es sich nicht um einen Ausbildungsberuf. Vielmehr werden dazu ausgebildete Erzieher und Personen mit Erziehungsaufgaben herangezogen.

Auf der Grundlage der Änderung des Schulgesetzes für den Beklagten vom 15. Juli 1994 wurde der Klägerin Anfang 1995 durch das Oberschulamt nahegelegt, sich auf die ab 1. August 1995 neu zu schaffenden Stellen von “pädagogischen Unterrichtshilfen” zu bewerben, wenn sie beabsichtige, ihre bisherige Tätigkeit beim Beklagten unverändert fortzusetzen. Zunächst weigerte sich die Klägerin am 26. Juli 1995, einen Änderungsvertrag zu unterzeichnen, der hinsichtlich ihrer Eingruppierung und der Regelung der Arbeitszeit Änderungen zum bisherigen Arbeitsvertrag enthielt. Da ihr angedroht wurde, ihr Arbeitsverhältnis wäre dann am 31. Juli 1995 beendet, wenn sie den ihr angebotenen Arbeitsvertrag nicht vorbehaltlos annehme, unterzeichnete sie, nachdem sie von der Schulleiterin an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert worden war, den Änderungsvertrag am 8. August 1995 unter dem Datum 31. Juli 1995 unter Vorbehalt der Überprüfung der Eingruppierung und der zu leistenden Stunden. Der neue Vertrag sieht ab 1. August 1995 ihren Einsatz als pädagogische Unterrichtshilfe und Vergütung nach der VergGr. Vc BAT-O vor. An der Förderschule für geistig behinderte Kinder in der L… in Leipzig werden vom Schulträger keine Erzieher beschäftigt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung erstrebt, daß sie über den 31. Juli 1995 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit unterrichtsbegleitender Funktion an einer Förderschule für geistig Behinderte unter Zahlung einer Vergütung entsprechend VergGr. Vb BAT-O und Erzieherzulage beschäftigt ist.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis bestehe zum Beklagten zu unveränderten Bedingungen über den 31. Juli 1995 hinaus fort, denn sie gehöre nicht zu dem Personenkreis, dessen Arbeitsverhältnis durch das Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 15. Juli 1994 auf den Schulträger übergegangen sei. Sie sei nämlich überwiegend unterrichtsbegleitend tätig gewesen. Daran habe sich auch ab 1. August 1995 nichts geändert.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei auf der Grundlage der Änderung des § 64 SächsSchulG mit Wirkung vom 1. August 1995 auf den Schulträger übergegangen. Dieser sei daher in die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers eingetreten. Im übrigen bestehe ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen nicht, da das Arbeitsverhältnis durch den Änderungsvertrag auf eine neue Grundlage gestellt worden sei. Darüber hinaus arbeitet die Klägerin seit 1. August 1995 auch tatsächlich als pädagogische Unterrichtshilfe.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner auf Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu dem Urteil des Senats vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 126/92 – (AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wegen angeblicher Divergenz ist unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

  • Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist dahin auszulegen, daß er lediglich die Zulassung der Revision hinsichtlich des Streits der Parteien um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin beantragt.

    1.1 Seinem Antrag nach erstrebt der Beklagte die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts ohne gegenständliche Beschränkung. Aus der Prozeßgeschichte und dem Inhalt seiner Beschwerdebegründung folgt jedoch, daß er lediglich wegen des Streits der Parteien über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin die Zulassung der Revision erstrebt. Denn das Landesarbeitsgericht hat bereits eingangs seiner Entscheidungsgründe ausgeführt, der Beklagte bestreite nunmehr offensichtlich nicht mehr, daß zwischen ihm und der Klägerin auch über den 31. Juli 1995 hinaus ein Arbeitsverhältnis bestehe; dem ist der Beklagte in seiner Beschwerdebegründung nicht entgegengetreten. Diese befaßt sich lediglich mit der Eingruppierung der Klägerin, während der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien als solches von ihm nicht in Zweifel gezogen wird. Zur Begründung dafür, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der einzigen vom Beklagten angeführten Divergenz beruht, führt dieser denn auch aus, das Landesarbeitsgericht habe – bei Meidung der vom Beklagten gesehenen Divergenz – “zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Klägerin als pädagogische Unterrichtshilfe einzugruppieren ist”.

    1.2 Stellt man hingegen den Antrag des Beklagten in den Vordergrund und geht entgegen den vorstehenden Ausführungen davon aus, die Nichtzulassungsbeschwerde sei auf die unbeschränkte Zulassung der Revision gerichtet, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des Streits der Parteien um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 1995 unzulässig. Denn wenn mit einem unbeschränkt eingelegten Rechtsmittel eine Entscheidung über mehrere prozessuale Ansprüche angegriffen wird, muß die Rechtsmittelbegründung sich auf jeden einzelnen der entschiedenen Ansprüche beziehen. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist insoweit das Rechtsmittel als unzulässig anzusehen. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn das Landesarbeitsgericht – wie hier der Fall – über mehrere prozessuale Ansprüche entschieden hat, ohne die Revision zuzulassen und ohne Beschränkung auf einen abtrennbaren Teil der Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wird (BAG Beschluß vom 6. Dezember 1994 – 9 AZN 337/94 – AP Nr. 32 zu § 72a ArbGG 1979). Wegen des Fehlens von Ausführungen zu dem Feststellungsstreit der Parteien über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses als solches über den 31. Juli 1995 hinaus wäre die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit unzulässig.

  • Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, gerichtet auf die Zulassung der Revision über den Eingruppierungsstreit der Parteien, ist unzulässig, denn der Beklagte hat keine Divergenz i.S.v. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG dargelegt.

    2.1 Nach § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Revision vom Bundesarbeitsgericht zugelassen werden, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines der anderen in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dazu hat der Beschwerdeführer im einzelnen darzulegen, welche divergierenden abstrakten, also fallübergreifenden Rechtssätze das anzufechtende wie das angezogene Urteil aufgestellt haben und daß jedenfalls das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (BAG Beschluß vom 9. Dezember 1980 – 7 AZN 374/80 – AP Nr. 3 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).

    2.2 Diesen Ausführungen wird die Beschwerdebegründung des Beklagten nicht gerecht. Dieser hat jedenfalls keinen vom Senat in der angezogenen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz aufgezeigt, der einem vom Landesarbeitsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatz in der anzufechtenden Entscheidung entgegenstünde. Bei den vom Beklagten als Rechtssatz verstandenen, in dessen Formulierung nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 126/92 – (aaO), der Arbeitnehmer sei in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale den Arbeitsvorgängen entsprächen, die mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Arbeitsnehmers ausfüllten, handelt es sich nicht um einen vom Senat aufgestellten Rechtssatz, sondern um die sinngemäße Wiedergabe der Vorschrift des § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT. Dies hat der Senat auch in der angezogenen Entscheidung offengelegt, indem er diese Vorschrift im Anschluß an ihre sinngemäße inhaltliche Wiedergabe in Klammern als Quelle benannt hat. Eine darüber hinausgehende Aussage dazu hat der Senat in den vom Beklagten angezogenen Ausführungen nicht gemacht. Damit fehlt es insoweit an einem Rechtssatz des Senats, auf den eine Divergenzbeschwerde gestützt werden könnte. Denn die Nichtzulassungsbeschwerde rügt keine Abweichung von einem Rechtssatz des Senats in der angezogenen Entscheidung, sondern eine solche von einer vom Senat inhaltlich sinngemäß wiedergegebenen Tarifnorm.

III. Der Beklagte hat die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG. Sie entspricht dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zwischen gewährter und von der Klägerin begehrter Vergütung. Zur beabsichtigten Wertfestsetzung auf [??*]5.720,94 DM sind die Beteiligten angehört worden. Sie haben dagegen keine Einwände erhoben.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Bott

 

Fundstellen

Haufe-Index 893896

FA 1998, 19

NZA 1998, 52

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