1 Einleitung

Erst die auf einer Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers löst Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall aus. Für den Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist daher zunächst der Krankheitsbegriff im arbeitsrechtlichen Sinn von Bedeutung.[1] Danach liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitnehmer die ihm vertragsmäßig obliegende Arbeit infolge Krankheit nicht erfüllen kann oder ihm diese nicht zugemutet werden kann. Welche Leistung arbeitsvertraglich geschuldet ist, ergibt sich zunächst aus der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, weiterhin aus einer beiderseits akzeptierten Stellenbeschreibung sowie aus dem schlüssigen Verhalten der Vertragsparteien, aus dem sich eine Konkretisierung auf eine bestimmte Tätigkeit entnehmen lässt.

Krankheit und damit Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer aus ärztlicher Sicht im Interesse der Gesunderhaltung oder zur Abwehr drohender Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsleistung nicht erbringen darf oder kann. Arbeitsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nur halbe Tage arbeiten kann. Lässt der Arbeitnehmer auf Empfehlung der Berufsgenossenschaft eine Operation durchführen, gilt dies auch dann als Arbeitsunfähigkeit, wenn er die Arbeit ohne Operation weiterführen könnte.[2] Das Gleiche gilt bei der operativen Behebung eines angeborenen Leidens, Einleitung einer künstlichen Befruchtung oder Erneuerung eines technischen Hilfsmittels (Prothese).

2 AU-Richtlinien

Von Bedeutung sind ferner die für alle Arbeitnehmer geltenden Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien (AU-Richtlinien), die auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Nr. 7 SGB V erlassen worden und für alle Kassenärzte nach § 81 Abs. 3 Nr. 2 SGB V verbindlich sind. Nach Ziff. 1 dieser Richtlinien liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen. Ist eine Dialysebehandlung lediglich während der vereinbarten Arbeitszeit möglich, besteht nach Ziff. 8 der AU-Richtlinien für die Dauer der Behandlung, für die Zeit der Anfahrt zur Dialyseeinrichtung und für die nach der Behandlung erforderliche Ruhenszeit Arbeitsunfähigkeit. Ist ein für die Ausübung der Tätigkeit oder das Erreichen des Arbeitsplatzes erforderliches Hilfsmittel (z. B. Körperersatzstück) defekt, besteht nach Ziff. 9 der Richtlinien Arbeitsunfähigkeit so lange, bis die Reparatur des Hilfsmittels beendet oder ein Ersatz des defekten Hilfsmittels erfolgt ist.

3 Arztbesuch

Der Arztbesuch zu Untersuchungs- oder Behandlungszwecken löst nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus, wenn anschließend eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers attestiert wird (vgl. Arztbesuch).

Keine Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn dem Arbeitnehmer zur Festigung der Gesundheit oder zur Vorbeugung vor zu befürchtender Krankheit eine Badekur verordnet wird oder der Arbeitnehmer eine Schönheitsoperation durchführen lässt.[1] Eine andere Beurteilung kann dann geboten sein, wenn die Schönheitsoperation medizinisch notwendig ist.[2]

4 Schwangerschaftsabbruch

Nach § 3 Abs. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) steht eine Arbeitsunfähigkeit, die auf eine nichtrechtswidrige Sterilisation oder auf einen nichtrechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt zurückzuführen ist, einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gleich.

5 Teilarbeitsfähigkeit

Eine Teilarbeitsfähigkeit oder begrenzte Arbeitsfähigkeit kennt das deutsche Arbeitsrecht nicht. Kann der Arbeitnehmer infolge Erkrankung nicht mehr die volle vertraglich geschuldete Arbeitsleistung bringen, liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gleichwohl Arbeitsunfähigkeit in vollem Umfange vor, auch wenn der Arbeitnehmer zu einer teilweisen Arbeitsleistung in der Lage ist. Nach dieser Entscheidung soll der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sein, die ihm an sich mögliche teilweise Arbeitsleistung zu erbringen. Erbringt der Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber teilweise seine Arbeitsleistung, kann der Angestellte neben dem Teilgehalt Krankenbezüge bis zum vollen Gehaltsanspruch verlangen. Ohne Zustimmung des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, diesen zu einer anderen Arbeit heranzuziehen, die er möglicherweise ausüben könnte.

Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Ausführung einer anderen Arbeit, hinsichtlich derer er arbeitsfähig wäre, besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit bereits aufgrund arbeitsvertraglichen Vorbehalt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge