Unabhängig von der Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG sind alle Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 1a EFZG verpflichtet, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen bzw. feststellen zu lassen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage andauert (sogenannte Erstbescheinigung).

 
Praxis-Beispiel

Beschäftigte A ist arbeitsunfähig erkrankt und zeigt dies am Mittwochmorgen unverzüglich an. Am Wochenende wird beim Arbeitgeber nicht gearbeitet und am Montag erscheint A wieder zur Arbeit. Vom Wortlaut der Regelung wäre A zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verpflichtet. Es empfiehlt sich dennoch, hier von der Vorlagepflicht abzusehen. Denn bei Weigerung des Beschäftigten müsste der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass der Beschäftigte auch noch am 4. Kalendertag, also am Samstag, arbeitsunfähig erkrankt war. Dies wird ihm kaum gelingen.

Gesetzlich Versicherte

Seit dem 1.1.2023 gilt für gesetzlich versicherte Beschäftigte (auch freiwillig in der gesetzlichen Kasse Versicherte), dass sie nicht mehr selbst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen, sondern der Arbeitgeber hat die Möglichkeit diese – nach Anzeige der Arbeitsunfähigkeit durch die Beschäftigten – selbst bei der zuständigen Krankenversicherung abzurufen (elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eAU). Eine automatische Übermittlung durch die Krankenkasse erfolgt nicht.

Gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte sind nach § 5 Abs. 1a EFZG verpflichtet, bei einer länger als 3 Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer ärztlich feststellen zu lassen (Feststellungspflicht). Wie bisher kann der Arbeitgeber auch im neuen Verfahren verlangen, dass die ärztliche Feststellung (schon) ab dem ersten Krankheitstag zu erfolgen hat. Auch bei geringfügig Beschäftigten ist eine eAU-Anfrage an die Krankenkasse des Beschäftigten zu richten.

Die Neuregelung gilt nicht:

  • für privat krankenversicherte Arbeitnehmer,
  • für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, deren Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wurde, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (also bei Krankschreibung von einem Privatarzt),
  • bei Krankschreibung von einem Arzt im Ausland (insbesondere relevant bei Grenzgängern und im Urlaub),
  • bei Krankschreibung in Rehabilitationseinrichtungen,
  • bei Krankschreibung wegen Mutter-Kind-Kur,
  • bei "Krankschreibung" wegen Erkrankung des Kindes (für den Bezug von Kinderkrankengeld).

In diesen Fällen bleibt es dabei, dass der Beschäftigte verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform nachzulegen (Nachweispflicht).

Ein Abruf der Daten darf immer nur dann erfolgen, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer zuvor mitgeteilt hat, d. h., ein Abruf auf Verdacht soll nicht möglich sein.

 
Wichtig

Die Mitteilungspflicht des Beschäftigten gemäß § 5 Abs. 1 EFZG hat damit ab dem 1.1.2023 eine zentrale Bedeutung.

Ein Abruf der Daten ist sinnvoll, wenn Beschäftigte bereits verpflichtet sind, eine Arbeitsunfähigkeit nach § 5 Abs. 1a EFZG durch den Arzt feststellen zu lassen und daher diese bereits vom Arzt der Krankenkassen übermittelt wurde. Sofern der Arbeitgeber keine vorzeitige Feststellung nach § 5 Abs. 1a Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 EFZG verlangt, kann er regelmäßig erst am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit von einer ärztlichen Untersuchung ausgehen, sodass ein Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten erst ab dem 5. Tag der Arbeitsunfähigkeit realistisch ist.

Die Krankenkassen stellen den Arbeitgebern nach Eingang der digitalen Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum elektronischen Abruf bereit. Diese enthält folgende Informationen:

  • Name des Beschäftigten,
  • Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
  • Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
  • Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.

Arbeitgeber können mit gesetzlich Versicherten nicht wirksam vereinbaren, dass auch nach der obligatorischen Einführung der eAU weiterhin Bescheinigungen in Papierform vorgelegt werden müssen (§ 12 EFZG).

Nimmt der Arbeitgeber einen Abruf vor und liegt zu diesem Zeitpunkt noch kein Datensatz vor, erfolgt eine automatische Rückantwort der Krankenkasse mit einer Benachrichtigung an den Arbeitgeber, wenn anschließend innerhalb von 14 Tagen eine Meldung eingeht.

Sind die Beschäftigten ihrer Anzeigepflicht und ihrer Pflicht zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nachgekommen, haben sie ihre Pflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 1a EFZG erfüllt und es besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Sollte jedoch ein Störfall vorliegen und infolgedessen keine entsprechende Benachrichti...

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