Mit der Regelung des § 29 Abs. 1 TVöD erhält der Beschäftigte aus den dort aufgezählten Anlässen Arbeitsbefreiung nach Arbeitstagen. Bei Vorliegen eines derartigen Anlasses ist der Beschäftigte jedoch nicht frei in seiner Wahl, wann er den bzw. die Freistellungstage beanspruchen will. Zwar kann der Tarifnorm nicht entnommen werden, dass die Freistellung genau am Ereignistag erfolgen muss, jedoch muss der Anlass- bzw. Ereignistag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitsfreistellung stehen.[1] Dadurch soll vermieden werden, dass durch die Freistellungsregelung die Zahl der Urlaubstage vermehrt wird.

Arbeitsbefreiung kann nur gewährt werden, wenn der Beschäftigte zur Ableistung seiner Arbeitsleistung verpflichtet ist. Die Formulierung der Arbeitsbefreiung regelt zwar die Tatbestände, die als Verhinderungsgrund anzusehen sind, nimmt damit aber zugleich Bezug auf die in § 616 BGB enthaltene Bedingung, dass der Beschäftigte durch einen der Tatbestände an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist. Als echter Ausnahmetatbestand gibt es Arbeitsbefreiung nur, wenn diese erforderlich ist. Befindet sich der Arbeitnehmer ohnedies im Urlaub, hat er dienstplanmäßig frei oder kann er Gleitzeit in Anspruch nehmen, geht dies vor. Aus diesem Grunde kann eine tatsächlich nicht benötigte Arbeitsbefreiung während eines Urlaubs, Sonderurlaubs oder einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für einen an sich gegebenen Befreiungstatbestand nach § 29 TVöD nicht nachträglich geltend gemacht werden.

 
Praxis-Beispiel

Der Beschäftigte beantragt 3 Wochen Urlaub und erhält diesen antragsgemäß. Im Urlaub stirbt dessen Vater und der Angestellte beantragt nun die Freistellung gemäß § 29 Abs. 1 Buchst. b TVöD. Dieser Antrag ist abzulehnen, da für den Zeitraum keine Arbeitspflicht bestand, von der der Beschäftigte freigestellt werden kann.[2]

Soweit die vorgesehenen Freistellungstage nicht ausreichen, hat der Beschäftigte nur die Möglichkeit, Erholungsurlaub zu nehmen oder unbezahlte Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 3 Satz 2 zu beantragen. Ein Anspruch aus Abs. 1 besteht darüber hinaus nicht (s. unter Punkt 5 und 6).

Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach Abs. 1 beinhaltet grundsätzlich eine Freistellung für volle Arbeitstage. Wenn der Freistellungsanlass in den Lauf eines Arbeitstages fällt und der Beschäftigte noch während der Arbeitszeit dieses Tages Arbeitsbefreiung beantragt und erhält, ist damit der Anspruch auf einen freien Arbeitstag verbraucht.

Nicht erforderlich ist, dass in den Fällen, in denen eine Freistellung über mehrere Tage erfolgt, diese Tage am Stück genommen werden. Zulässig ist auch eine Aufteilung, soweit der zeitliche Zusammenhang noch besteht.

[1] Vgl. hierzu auch BAG, Urteil v. 27.4.1983, 5 AZR 506/80 (Freistellung anlässlich Eheschließung).
[2] Vgl. hierzu auch LAG Niedersachsen, Urteil v. 24.8.1983, 5 Sa 61/83.

3.1 Niederkunft der Ehefrau/Lebenspartnerin (§ 29 Abs. 1 Buchst. a TVöD)

Der Freistellungsanspruch beschränkt sich auf die Niederkunft der Ehefrau sowie der Lebenspartnerin i. S. d. Lebenspartnerschaftsgesetzes. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin des Beschäftigten findet nicht statt[1]; hier besteht nur die Möglichkeit, Urlaub oder unbezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen.[2]

Niederkunft i. S. der Vorschrift ist auch die Totgeburt, nicht jedoch die Fehlgeburt.[3] Ohne Bedeutung für den Anspruch ist, ob es sich um eine Mehrlingsgeburt handelt.

Entgegen der bisherigen Regelung ist es nicht mehr erforderlich, dass der Beschäftigte in häuslicher Gemeinschaft mit der Ehefrau/Lebenspartnerin lebt. Auch ein Getrenntleben steht dem Anspruch nicht entgegen. Nicht eindeutig geregelt ist die Frage, ob der Anspruch auf Arbeitsbefreiung nur für den Tag der Niederkunft besteht oder ob der Anspruch auch für einen Tag in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Niederkunft geltend gemacht werden kann. Für die zweite Variante spricht, dass nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 ein bestimmter "Anlass" vorliegen muss, ohne zugleich festzulegen, dass die Arbeitsbefreiung nur am Tage dieses Anlasses zu gewähren ist.[4] Im Regelfall wird auch von einer Arbeitsbefreiung von 1 (ganzen) Arbeitstag ausgegangen. Im Übrigen hat das BAG zu einer inhaltsgleichen Regelung eines anderen Tarifvertrags entschieden, dass ein Gastarbeiter, dessen Ehefrau in Spanien niederkam, Anspruch auf Arbeitsbefreiung hat, selbst wenn er seine Frau in Spanien nicht besuchte.[5]

Als Resümee ist sonach festzuhalten: Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung für einen Arbeitstag in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Niederkunft seiner Ehefrau/Lebenspartnerin, unabhängig davon, ob die Niederkunft an einem Arbeitstag erfolgt oder nicht und unabhängig davon, ob er von seiner Ehefrau/Lebenspartnerin getrennt lebt. Daher kann der Beschäftigte den Freistellungsanspruch auch für den Tag der Rückkehr der Ehefrau/Lebenspartnerin aus dem Krankenhaus geltend machen.

[1] Nach der Rechtsprechung verstößt dies auch nicht gegen Art. 3 oder 6 GG, da verheiratet...

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