Baden-Württemberg: Bildungszeit auf dem Prüfstand

Baden-Württembergs neue Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) will das unter Grün-Rot eingeführte Bildungszeitgesetz wieder ändern - die Reaktionen sind durchwachsen.

«Die fünf Tage Bildungsurlaub können für Fortbildungen aller Art genutzt werden», sagte sie den «Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung». «Wir wollen erreichen, dass sich der Bildungsurlaub auf betriebsbezogene Fortbildungen konzentriert.» In Baden-Württemberg können Beschäftigte seit Juli fünf Tage für Weiterbildung einsetzen.

Kritik von Arbeitgeberseite

Arbeitgebervertreter hatten das Gesetz vor der Landtagswahl kritisiert und hoffen jetzt auf eine Abschaffung. Sie monieren vor allem, dass sich Arbeitnehmer dabei auch privat weiterbilden können. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, das Gesetz noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

«Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Mitarbeiter die Bildungszeit bezuschusst, wenn er komplett frei ist bei der Wahl der Fortbildung», sagte Hoffmeister-Kraut. Die CDU-Politikerin ist die große Überraschung im neuen grün-schwarzen Kabinett in Baden-Württemberg. Die Ökonomin kommt vom Waagenhersteller Bizerba, der seit drei Generationen im Besitz ihrer Familie ist, und wo sie zuletzt auch im Aufsichtsrat saß.

Mit Hoffmeister-Kraut habe man nun eine Wirtschaftsministerin, die «aus dem Stall» der Arbeitnehmer komme, sagte die Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Eine Änderung des Bildungszeitgesetzes halte sie für einen «außerordentlichen Rückschritt», betonte sie.

«Ich glaube, solche engagierten Menschen tun auch den Betrieben gut», sagte die Gewerkschafterin mit Blick auf umstrittene Fortbildungen im ehrenamtlichen Bereich. Auch die politische Weiterbildung sei in Zeiten der rechtspopulistischen AfD und von Politikverdrossenheit besonders wichtig.

SPD möchte Gesetz beibehalten

Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Landtagsabgeordnete und frühere Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hofelich. «Das Gesetz ist mit sozialdemokratischer Handschrift in einem zeitgemäßen Sinne für die betriebliche Realität geschaffen. Es macht eine fachliche Weiterbildung für die Arbeitnehmer über den Tellerrand des rein betrieblichen Zweckes hinaus möglich», betonte er. «Ein Zurück von diesem Anspruch ist nicht nur politisch kontrovers, sondern auch gesellschaftlich von gestern.»

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigte sich hingegen erfreut über die Ankündigung der Ministerin. «Die Abschaffung des Gesetzes wäre am besten», betonte der Oppositionspolitiker. «Ihre Pläne, die Bildungszeit für betriebsbezogene Fortbildungen zu nutzen oder die Möglichkeit zu schaffen, dass Mitarbeiter die Bildungszeit bezuschussen, wenn sie komplett frei bei der Wahl der Fortbildung sind, sind aber schon ein wesentlicher Fortschritt.»

Weiterbildungsanspruch auf bis zu 5 Tage im Jahr

Arbeitnehmer in Baden-Württemberg haben derzeit einen Rechtsanspruch auf bis zu fünf Tage im Jahr, an denen sie sich weiterbilden können. Dazu zählt neben der beruflichen auch die politische Weiterbildung - ebenso wie die Qualifikation für ein Ehrenamt. Das Thema Bildungszeit regeln die Bundesländer selbst. Baden-Württemberg war damals aber eines der letzten Länder, das einen Bildungsurlaub einführte.

dpa