Wahlprogramme mit Blick auf Arbeitsrecht

Die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar 2025, liegen vor. Ist Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr? Muss das deutsche Arbeitsrecht reformiert werden? Wie soll die Fachkräftelücke geschlossen werden? Lesen Sie, was die Parteien in Sachen Arbeitsrecht planen.

Wir alle kennen den Wahlomaten. Welche Partei welche Aussagen zu welchen Themen macht, sollte für aufgeklärte Wähler und Wählerinnen der Leitfaden für die Stimmabgabe sein. Je nachdem, wie hoch man die einzelnen Themen gewichtet, gibt man vielleicht auch einer Partei den Vorzug, die bei einem besonders wichtigen Thema voll auf der eigenen Linie liegt, obwohl sie vielleicht bei anderen Themen keine hundertprozentige Übereinstimmung mit den eigenen Standpunkten hat. Nur der informierte Wähler kann abwägen. Von daher ist es unerlässlich, sich zumindest mit jenen Themen in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl zu beschäftigen, die ausschlaggebend für die eigene Wahlentscheidung sind.

Die Bundestagswahl und das Arbeitsrecht: Wer plant was?

Manch einer guckt aber auch aus der beruflichen Perspektive neugierig auf die Bundestagswahl und ist gespannt, welche Auswirkungen der Wahlausgang möglicherweise auf die eigene Tätigkeit haben wird. Für alle Personalverantwortlichen lohnt sich insbesondere der Blick auf die Themen Arbeit und Beschäftigungspolitik. Was planen die Parteien in Sachen Arbeitsrecht und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen für die Beschäftigten in den Unternehmen gelten?

 

Wahlkkampf

Wie geht es weiter mit der Arbeitszeit?

Europäische Vorgaben und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfordern in Teilen eine Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes. Die Ampelkoalition hat sich bei diesem Thema völlig verzettelt und trotz eines zwischenzeitlich vorliegenden Referentenentwurfs keine gesetzliche Neuregelung zustande gebracht. Die neue Bundesregierung erbt dieses Thema und muss eine taugliche Lösung finden.

Der CDU ist in diesem Zusammenhang wichtig, anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einzuführen.

Die SPD bleibt hier nebulös und spricht davon, mit einer Modernisierung von Arbeitszeitmodellen eine bessere Balance zwischen Beruf und Privatleben ermöglichen zu wollen. Was auch immer das konkret bedeuten mag.

Die Grünen wollen in den Branchen, die von Schwarzarbeit betroffen sind, für eine manipulationssichere Erfassung der Arbeitszeit sorgen. Flexible Arbeitszeitmodelle stehen auch hier im Wahlprogramm. Die Grünen ergänzen dies noch durch ein garantiertes Rückkehrrecht in Vollzeit für alle, die ihre Arbeitszeit reduzieren.

Die FDP will ebenfalls eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit und spricht von der Ermöglichung neuer und flexibler Arbeitszeitmodelle. Arbeitszeit müsse grundsätzlich flexibilisiert werden, Öffnungsklauseln zu Ruhezeitregelungen müssen genutzt werden.

Die Linke hingegen fordert kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich. Eine geringere Wochenarbeitszeit oder eine Vier-Tage-Woche ermöglichen mehr Erholung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Acht Stunden sollen die Obergrenze für einen Arbeitstag sein und es darf keine Ausnahmen von der elfstündigen Ruhezeit geben. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit soll auf 40 Stunden begrenzt werden. Arbeitszeitmodelle sollen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sorgen. Es brauche eine Flexibilisierung von Arbeitszeit, die sich nicht lediglich an betrieblichen Erfordernissen orientiere, sondern den Beschäftigten mehr Zeitautonomie bringe.

BSW und AFD haben nichts zum Thema Arbeitszeit in ihren Wahlprogrammen.

Homeoffice: Kaum noch Thema

War das Homeoffice bei der letzten Bundestagswahl mitten in der Pandemie noch ein Thema, das bei den Wählern hohe Relevanz hatte, ist es mittlerweile fast aus allen Wahlprogrammen verschwunden. Nur die CDU hält das Homeoffice noch für regelungsbedürftig und will praxisnähere Vorgaben auf den Weg bringen. Mobiles Arbeiten an frei gewählten Orten soll nicht in den Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung fallen. Freiwillig gewähltes Homeoffice soll unabhängig vom zeitlichen Umfang als Unterfall des mobilen Arbeitens gelten. Grenzüberschreitende Mobilarbeit soll erleichtert werden.

Alle anderen Parteien gehen offensichtlich davon aus, dass es den Gesetzgeber für dieses Thema nicht braucht.

Wie hoch soll der Mindestlohn sein?

Die CDU bekennt sich zum gesetzlichen Mindestlohn und zu einer starken, unabhängigen Mindestlohnkommission. Lohnfindung muss Sache der Sozialpartner sein; in der unabhängigen Mindestlohnkommission soll es eine einvernehmliche Entscheidungsfindung geben. Keinesfalls soll der Gesetzgeber den Mindestlohn festlegen dürfen.

Die SPD ist der Meinung, dass sich die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns an den Empfehlungen der europäischen Richtlinie orientieren sollte. Demnach müsste der Mindestlohn bei 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland liegen. Spätestens ab 2026 soll der Mindestlohn bei 15 Euro liegen

Auch die Grünen wollen einen Mindestlohn in Höhe von 15 Euro und sich an den Vorgaben der Mindestlohnrichtlinie der Europäischen Union orientieren.

Die FDP betont ihren Respekt vor der Tarifautonomie und pocht auf die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission. Die Politik soll beim Mindestlohn nicht mitreden dürfen und auch die Dokumentationspflichten hinsichtlich der Einhaltung des Mindestlohns will die FDP vereinfachen.

Die Linke will den gesetzlichen Mindestlohn entsprechend der Mindestlohn-Richtlinie erhöhen und für 2025 auf 15 Euro festsetzen. Der Mindestlohn soll dann jährlich um die Inflationsrate steigen.

Auch das BSW will den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen, künftige Anpassungen sollen sich an der EU-Mindestlohnrichtlinie orientieren.

Die AfD legt Wert darauf, dass Arbeitnehmer immer deutlich bessergestellt sein müssen als Empfänger von Sozialleistungen. Zur Höhe des Mindestlohns oder zur Art und Weise seiner Festsetzung sagt das Wahlprogramm der AFD nichts.

Modernisierung der Mitbestimmung

Die CDU nimmt für sich in Anspruch, bereits unter Angela Merkel mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz ein Signal für die Betriebsratsarbeit der Zukunft gelegt zu haben. Nun will sie weiteren Handlungsbedarf prüfen und sicherstellen, dass Betriebsratsgründungen nicht verhindert werden. Die CDU Online-Betriebsratssitzungen möglich machen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten einführen. Zusätzlich soll die Option, online zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden.

Auch die SPD will das Betriebsverfassungsgesetz reformieren und die Mitbestimmung bei strategischer Personalplanung und -bemessung, bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz sowie bei Gesundheitsschutz und Weiterbildung im Betrieb ausbauen. Die Wahlinitiatoren von Betriebsratswahlen sollen besser geschützt werden. Die Behinderung demokratischer Mitbestimmung soll als Offizialdelikt eingestuft werden. Bestehende Schlupflöcher zur Umgehung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat will die SPD schließen, eine Aushebelung der Mitbestimmung durch europäisches Gesellschaftsrecht soll nicht mehr möglich sein.

Die Grünen haben sich ebenfalls auf die Fahnen geschrieben, die betriebliche Mitbestimmung zu stärken und Mitbestimmungsrechte in Sachen Klima- und Umweltschutz, Qualifizierungsmaßnahmen sowie Gleichstellung im Betrieb zu erweitern.

Die FDP sagt – beinahe schon Tradition in den Wahlprogrammen der FDP – nichts zum Thema Mitbestimmung.

Das BSW erinnert sich seiner linken Herkunft und will Betriebsratsgründungen erleichtern, unter anderem durch einen besseren Kündigungsschutz für die Initiatoren von Betriebsratswahlen. Schlupflöcher aus den deutschen Mitbestimmungsstandards, wie sie sich etwa aus einer Rechtsformumwandlung in eine europäische Aktiengesellschaft ergeben, will das BSW schließen.

Wenn es nach der Linken geht, sollen Betriebsratswahlen einfacher werden, die Behinderung von Wahlen und Betriebsräten strenger verfolgt werden und Gewerkschaften verlässlich Zugang in die Betriebe bekommen, insbesondere auch digital. Die Linke will bessere Arbeitsschutzverordnungen gegen berufliche Überlastung und erzwingbare Mitbestimmung für Betriebsräte bei der Personalbemessung. Bei Betriebsschließung, Verlagerung, Investitionen, Umwelt- und Klimafragen, Weiterbildung und der Verhinderungen von Gesundheitsschäden sollen Betriebs- und Personalräte ein erzwingbares Recht auf Mitbestimmung erhalten. In allen privaten und öffentlichen Unternehmen ab 500 Beschäftigten soll eine echte paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten geschaffen werden

Bei der AfD steht nichts zu Mitbestimmung im Wahlprogramm.

Entgelttransparenz und Gender Pay Gap

Schnell zusammengefasst sind hier die Posititonen von CDU, FDP und AFD. Ihre Wahlprogramme schweigen zu diesem Thema.

Die SPD will den Gender Pay Gap mit gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit schließen. Dazu will sie die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bis 2026 in nationales Recht umsetzen und das deutsche Entgelttransparenzgesetz zu einem wirksamen Lohngerechtigkeitsgesetz weiterentwickeln.

Die Grünen fordern ebenfalls, dass die Vorgaben der EU zur Entgelttransparenz endlich umgesetzt werden. Gleichstellung möchten die Grünen wirksam voranbringen, indem sie die deutschen Regeln verbindlicher gestalten wollen und sie besser einklagbar machen. Um speziell die Gehälter am unteren Ende zu erhöhen, sollen Gehaltsangebote in Stellenausschreibungen grundsätzlich transparent gemacht werden müssen.

Das BSW verfolgt andere Ideen, um die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen zu schließen. Es soll eine gesetzliche Grundlage geben, um Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen und den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit zu beenden. Befristungen mit Sachgrund sollen deutlich reduziert, sachgrundlose Befristungen und Kettenbefristungen sogar ganz abgeschafft werden.

Die Linke will das Entgelttransparenzgesetz zu einem Entgeltgleichheitsgesetz umbauen, um gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit durchzusetzen. Arbeit mit Menschen darf nicht schlechter bewertet sein als Arbeit mit Maschinen, Berufserfahrung soll mit formalen Abschlüssen gleichgestellt werden können. Gewerkschaften sollen ein Verbandklagerecht erhalten, damit Betroffene nicht allein klagen müssen.

Tarifbindung erhöhen

Ziel der CDU ist eine höhere Tarifbindung. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen soll gestärkt werden. Es soll mehr Tariföffnungsklauseln geben, um Regelungen zu ermöglichen, die sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für Betriebe vor Ort passender sein können als unflexible Pauschalregelungen in der Fläche. Die positive und negative Koalitionsfreiheit soll geschützt werden. Änderungen im Tarifvertragsgesetz sollen die Bereitschaft erhöhen, sich an Tarifverträge zu binden.

Auch die SPD will die Tarifbindung deutlich erhöhen. Sie will mit einem Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen soll erleichtert werden und ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften soll die bessere Durchsetzung tariflicher Rechte sichern.

Die Grünen machen sich ebenfalls für eine stärkere Tarifbindung stark. Auch sie wollen die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtern. Durch ein Tariftreuegesetz soll geregelt werden, dass öffentliche Aufträge in der Regel an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen.

FDP: Obwohl der FDP die Tarifautonomie so wichtig ist (siehe Mindestlohn!), hält sie sich in ihrem Wahlprogramm bedeckt, wie sie zum Thema Tarifbindung steht. Es findet sich nichts dazu im FDP-Wahlprogramm.

Das BSW strebt eine deutlich höhere Tarifquote für Deutschland an. Um dieses Ziel zu erreichen, soll ein Bündel an Maßnahmen umgesetzt werden. Öffentliche Aufträge und Subventionen sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen. Zudem soll die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtert werden.

Die Linke will einführen, dass das Arbeitsministerium Tarifverträge auch ohne Zustimmung der Arbeitgeberseite für allgemeingültig erklären kann. Bei Auslagerungen sollen Tarifverträge unbefristet fortgelten. Öffentliche Aufträge sollen nur Unternehmen bekommen, die Tarifverträge einhalten, auch bei ihren Subunternehmen.

Die AfD hat das Thema Tarifbindung nicht auf ihrer Agenda.

Fachkräfteeinwanderung: Deutsche Auswanderer nach Hause holen?

Die CDU will für ausländische Fachkräfte eine digitale "Work-and-Stay-Agentur" einrichten. Dort sollen Anwerbung, Arbeitsplatzvermittlung, Prüfung der Einreisevoraussetzungen, Visavergabe, und Beschaffung eines Aufenthaltstitels zentral erledigt werden. Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen soll vereinfacht und beschleunigt werden.

Die SPD möchte das Fachkräfteeinwanderungsgesetz unbürokratisch umsetzen und beständig weiterentwickeln, damit qualifizierte Arbeitskräfte einfacher und schneller nach Deutschland kommen können. Die vereinfachte und schnellere Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen und faire Anwerbeabkommen sollen die Integration und Teilhabe ausländischer Fachkräfte erleichtern.

Die Grünen wollen die Visavergabe komplett digitalisieren und die langen Wartezeiten bei der Fachkräfteeinwanderung verkürzen. Mehr Berufs- und Bildungsabschlüsse sollen noch leichter anerkannt werden und die Anrechnung von Berufserfahrung soll entbürokratisiert und vereinfacht werden.

Die FDP will die Fachkräfteeinwanderung entbürokratisieren. Menschen, die in den deutschen Arbeitsmarkt einwandern wollen, sollen nur noch mit einer staatlichen Stelle zu tun haben. Dazu will die FDP den gesamten Visaprozess auf den Prüfstand stellen. Hochqualifizierte Fachkräfte sollen leichter in den Arbeitsmarkt einwandern können. Die Europäische Blue Card soll für weitere nicht-akademische Fachkräfte geöffnet werden. Das erfolgreiche Instrument der Westbalkanregelung soll ausgeweitet werden. Außerdem plant die FDP, den Absolventen der weltweit besten 200 Universitäten ein einjähriges Orientierungsvisum zur Arbeitsfindung zu ermöglichen.

Das BSW erkennt den Fachkräfte-Mangel in Deutschland zwar als großes Thema. Der Ruf nach mehr Einwanderung löse aber die Probleme nicht. Man will stattdessen die hausgemachten Ursachen thematisieren. Diese bestünden in akutem Lehrermangel, Unterrichtsausfall und falschen Lehrplänen. Immer mehr Jugendliche würden die Schule ohne elementare Kenntnisse verlassen. Sie haben später auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance. Das müsse man ändern.

Die Linke möchte in Deutschland eine gerechte Einwanderungsgesellschaft schaffen. Jeder Einwanderer soll Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Die großen Herausforderungen von mehr Personal in Gesundheit, Pflege, Bildung und Erziehung könne man nur mit Migration bewältigen. Daher will die Linke Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse unabhängig von Beschäftigungsdauer und Arbeitgeber erteilen und dafür sorgen, dass Qualifikationen und Abschlüsse auch von Nicht-EU-Bürgern schneller anerkannt werden.

Die AfD will einen völlig anderen Weg gehen. Sie plant, die Abwanderung heimischer Fachkräfte zu stoppen und Ausgewanderte zurückzuholen. Dafür wolle man attraktive Rahmenbedingungen für Arbeit, Vermögensbildung, Ausbildung und Sicherheit schaffen. Zuwanderung müsse auf qualifizierte Arbeitskräfte begrenzt werden, damit diese am Ende ihres Erwerbslebens nicht auf deutsche Sozialleistungen angewiesen sind.


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