Die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl am Sonntag, 26. September, liegen vor. Für die HR-Fachleute ist vor allem spannend, was sich die Parteien dabei arbeitsrechtlich auf die Fahnen geschrieben haben. Wo liegen die Unterschiede? Eine Einordnung und Bewertung.

Die Bandbreite arbeitsrechtlicher Versprechen reicht von der 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich (die Linke wäre nicht die Linke, wenn sich das nicht in ihrem Programm zu finden wäre) bis hin zu maximaler Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes (auch die FDP bleibt sich treu). Alles in allem ist das Spektrum an Themen, bei denen die Positionen konfrontativ hart aufeinanderprallen, jedoch überschaubar.

Tipp: Eine Übersicht aller arbeitsrechtlichen Aspekte in den einzelnen Wahlprogrammen 2021 können Sie der oben stehenden Bilderserie entnehmen sowie hier als PDF herunterladen.

Homeoffice in den Wahlprogrammen 2021

Beim Thema Homeoffice liegen die Positionen zwischen einem durchsetzbaren gesetzlichen Rechtsanspruch der Beschäftigten auf 24 Tage pro Jahr (das fordert die SPD) und der Auffassung, dass man die Ausgestaltung des Homeoffice doch besser den Tarifvertrags- und Betriebsparteien überlassen solle (das möchte die CDU). Die FDP konterkariert ihr Ziel, maximale unternehmerische Freiheit zu gewährleisten, mit der Forderung nach einem "Erörterungsanspruch", hinter dem wohl die Idee steckt, das sei gegenüber einem verbindlichen Rechtsanspruch das kleinere Übel, was aber außer Acht lässt, welchen bürokratischen Aufwand das für die Unternehmen mit sich brächte. Windelweich auch die Grünen, die gut klingend eine moderne Arbeitswelt beschwören, um letztlich doch einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten zu fordern. Den möchte auch die Linke, die jedoch die genauen Bedingungen nicht in ein Gesetz schreiben will, sondern sie den Tarif- und Betriebsparteien überlassen möchte. Manch ein CHRO wird feststellen, dass er mit der bereits existierenden Regelung in seinem Unternehmen den Plänen der Parteien weit voraus ist.

Arbeitszeit

Vielfach verbunden mit der neuen Normalität im Homeoffice sind Fragen der Arbeitszeit. Hier sucht man vergebens nach Vorschlägen, mit denen es gelingen würde, ein Mehr an Flexibilität zu schaffen, ohne dabei bestehende Schutzrechte der Beschäftigten auszuhöhlen.

Die CDU und die FDP wollen anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einführen. Das hieße, dass künftig an einzelnen Tagen länger gearbeitet werden könnte. Dabei möchte man "Missbrauch verhindern" (CDU) oder die "täglich notwendige Ruhezeit bestehen lassen" (FDP). Da bleiben hinsichtlich des Arbeitsschutzes einige Fragen offen. Die Grünen "begrüßen" kürzere Arbeitszeiten, ohne dabei irgendetwas zu versprechen, und sprechen von Umgestaltung der starren Vollzeit hin zu flexiblen Arbeitszeitkorridoren. Sie möchten die Sozialpartner unterstützen, "flexible Arbeitszeitmodelle zum Vorteil der Arbeitnehmenden" zu ermöglichen. Dabei dürfe das Arbeitszeitgesetz aber nicht zum Nachteil der Beschäftigten aufgeweicht werden. Damit überlässt man die Ideenfindung den Sozialpartnern, ohne dass sich an den Rahmenbedingungen etwas ändern soll.

Die SPD schließt eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit aus und lässt nicht erkennen, am Arbeitszeitgesetz in seiner derzeitigen Fassung etwas ändern zu wollen. Das ist für eine Arbeitnehmerpartei zwar konsequent, aber wie die neuen hybriden betrieblichen Wirklichkeiten mit dem bestehenden Arbeitszeitgesetz in Einklang zu bringen sind, erfährt man leider nicht. Auch nicht von der Linken, die eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich an die Wand malt (sind dafür nicht die Tarifpartner zuständig?), eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche und eine maximale Arbeitszeit von acht Stunden am Tag in ihr Programm hineingeschrieben hat und zahlreiche weitere Wohltaten für die Beschäftigten vorsieht, wie etwa ein Recht auf ein Sabbatjahr und ein Recht auf vorübergehende Arbeitszeitverkürzung. Ein enger gesetzlicher Rahmen von fünf Achtstundentagen pro Woche ohne jegliche Flexibilität dürfte nicht nur den Unternehmen und Personalverantwortlichen missfallen, sondern tatsächlich auch an den Bedürfnissen vieler Beschäftigter vorbeigehen. Bei einem in vielen Branchen herrschenden Fachkräftemangel würde eine flächendeckende Reduzierung individueller Arbeitszeit bestehende Probleme noch verschärfen.

Leiharbeit

Größer wiederum ist die Bandbreite der Wahlprogrammpläne zur Leiharbeit. Von "wollen wir verbieten" (die Linke) bis "unnötige gesetzliche Sondervorschriften aufheben" (gemeint ist hier wohl das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischwirtschaft) und "Höchstüberlassungsdauer aufheben" (beides von der FDP) bildet die Leiharbeit noch eines der strittigsten Themen.

Die CDU hält sich bedeckt ("wollen wir erhalten") und verweist auf die nahezu vollständige tarifvertragliche Regelung der Zeitarbeit. SPD, die Grünen und die Linke (letztere natürlich nur bis zum Verbot) wollen Equal Pay ab dem ersten Tag einführen und die SPD und die Linke wollen darüber hinaus den Betriebsräten mehr Mitbestimmung beim Thema Zeitarbeit einräumen.

Minijobs

Zurück zur betrieblichen Wirklichkeit: Die Minijobs sind ein Thema, dem sich ebenfalls alle Parteien widmen – mit weit weniger Gleichklang. Die CDU will im Prinzip alles so lassen, wie es ist, lediglich eine Erhöhung der Verdienstgrenze von 450 auf 550 Euro ist geplant.

Die FDP möchte die Minijob- und Midijob-Grenze erhöhen und sie dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn koppeln. Damit bildet sie mit der CDU den einen Pol, den anderen – wie bei Polen so üblich – komplett entgegengesetzten Pol bilden Grüne, SPD und die Linke. Hier will man die Minijobs in der bisherigen Form abschaffen und sie in voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführen. Lediglich für bestimmte Gruppen, wie etwa die Rentner, soll es Ausnahmen geben. Sollte dieses Thema in einem Koalitionsvertrag landen, an dem Parteien beider Pole mitwirken, könnte es spannend werden.

Betriebliche Weiterbildung / Aufstiegs-BAföG

Weiterbildung ist in Zeiten des Umbruchs sowie von Transformation und Digitalisierung ein wichtiges Feld. Wie stellt man sicher, dass die Beschäftigten von heute auch den Anforderungen von morgen gewachsen sind? Wie eröffnet man der Belegschaft Chancen, neue Wege mitgehen zu können und sich selbst im beruflichen Umfeld vielleicht sogar ganz neu erfinden zu können? Ein Thema, bei dem gerade die Personalentwickler genau hinschauen werden, welches Wahlprogramm hier gute Ideen aufzuweisen hat.

Die CDU will den Strukturwandel und den dadurch notwendigen Erwerb von Zukunftskompetenzen mit einer Bildungsprämie bewältigen, mit der Weiterbildung während der bezahlten Arbeitszeit ermöglicht werden soll. Das Aufstiegs-BAföG soll fortentwickelt werden, um lebensbegleitendes Lernen zu ermöglichen. Man kann dem CDU-Wahlprogramm an dieser Stelle aber nicht vorwerfen, sich zu sehr in Details zu verlieren. Es wird eher eine grobe Richtung skizziert.

Schon etwas konkreter geht die FDP zu Werke. 1.000 Euro Midlife-BAföG pro Jahr wollen die Freien Demokraten gewähren. In einem "persönlichen Freiraumkonto" soll unabhängig vom Arbeitgeber das steuer- und abgabenfreie Ansparen für Weiterbildungsangebote und Bildungsauszeiten ermöglicht werden. Bildungsangebote sollen auf einer zentralen digitalen Plattform gebündelt werden. Der Weiterbildungsarbeitsgruppe der FDP ist es gelungen, Ideen zu entwickeln und sie in ein Programm zu gießen. Das hätte man sich auch bei anderen Themen gewünscht.

Die SPD bleibt auch hier ihrem Ansatz treu, verbindliche Arbeitnehmerrechte zu schaffen und diese mit erweiterten Mitbestimmungsrechten zu unterfüttern. Nach den Vorstellungen der SPD soll es in allen Lebensphasen ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart geben. Die SPD will geförderte Bildungszeit und Bildungsteilzeit mit Freistellungs- oder Arbeitszeitreduzierungsanspruch einführen. Bildungszeiten sollen finanziell gefördert und etwaige Lohneinbußen finanziell kompensiert werden. Für Qualifizierung von Beschäftigten in den Betrieben soll es ein Transformationskurzarbeitergeld geben. Mit einem Neustart-BAföG sollen auch im Erwachsenenalter neue berufliche Wege eröffnet werden.

Wie bei etlichen anderen Themenblöcken im Bereich Arbeit auch, sind die Grünen auch bei der Weiterbildung nicht weit weg von der SPD. Auch hier möchte man einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung und Qualifizierung schaffen, den man mit einem Weiterbildungsgeld verbinden will. Für Qualifizierung soll es einen Freistellungsanspruch mit Rückkehrrecht zum vorherigen Stundenumfang geben. Statt der digitalen Plattform wie bei der FDP soll es bei den Grünen Bildungsagenturen geben, die gebündelt beraten und unterstützen sollen.

Den Weiterbildungsanspruch für alle mit Einkommenssicherung durch ein Weiterbildungsgeld hat auch die Linke in ihrem Programm. Allerdings sieht die Linke die Unternehmen viel stärker in der Pflicht bei der Weiterbildungsfinanzierung. In Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten soll eine "qualifizierte Personalplanung" Pflicht werden, was eine Weiterbildungsplanung miteinschließt. Arbeitszeitreduzierung und Freistellung für Weiterbildung mit mindesten 70 Prozent Lohnausgleich (der von den Arbeitgebern zu zahlen ist) sind ebenso vorgesehen. Fast zuckt man zusammen und fragt sich, ob die Linke hier tatsächlich 30 Prozent Lohnverlust zum Programm macht, aber bei genauerem Lesen findet sich der vollständige Lohnausgleich durch staatliche Zuschüsse für Geringverdiener. Eine weitere Idee bei den Linken sind branchenspezifische Weiterbildungsfonds, in die alle Unternehmen einer Branche einbezahlen müssen.

Schon aus den Wahlprogrammen wird deutlich, dass Qualifikation und Weiterbildung ein zentrales Thema der nächsten Legislaturperiode werden wird, bei dem jede Partei, die in Regierungsverantwortung gelangt, eine Idee haben muss, wie sie diese Themenfelder organisieren und finanzieren möchte.

Wenig Inhalt bei der AFD

Falls jemand die AFD in diesem Vergleich vermissen sollte, so sei ihm empfohlen, sich die wenigen Seiten, welche die AFD der Arbeits- und Sozialpolitik einräumt, doch einmal anzusehen. Gefordert wird ein Arbeitsgesetzbuch, das alle Einzelgesetze zusammenfasst. Mindestlohn ja. Kein Lohndumping in der Leiharbeit. Das war es auch schon. Genügend inhaltliche Positionen zu Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht, die das Programm vergleichstauglich gemacht hätten, waren nicht zu finden.


Tipp: Eine Übersicht aller arbeitsrechtlichen Aspekte in den einzelnen Wahlprogrammen 2021 können Sie der oben stehenden Bilderserie entnehmen sowie hier als PDF herunterladen.


Dieser Artikel ist in voller Länge in Personalmagazin 09/2021 zu lesen. Lesen Sie die Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.

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