Baden-Württemberg: Arbeitgeber wollen Bildungsurlaub stoppen

Unmittelbar vor der Abstimmung im Stuttgarter Landtag über eine Bildungszeit in Baden-Württemberg haben die Arbeitgeber im Südwesten die Abgeordneten aufgefordert, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

«Mit dem derzeitigen Entwurf des dafür verantwortlichen Wirtschaftsministeriums droht die versprochene Anrechnung betriebsinterner Weiterbildung wirkungslos zu verpuffen», sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er warnte Grün-Rot vor einem Wortbruch. Die Landregierung habe zugesagt, mit dieser Möglichkeit eine Überlastung einzelner Betriebe zu verhindern.

Kritik von Arbeitgeberseite am geplanten Freistellungsanspruch

Auch das Handwerk sowie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) äußerten ihren Unmut über die Bildungszeit. «Das Plenum sollte sich fragen, wozu wir dieses Gesetz so dringend brauchen, wenn es in anderen Ländern fast nicht in Anspruch genommen wird», riet Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags. Die Gewerkschaft Verdi reagierte mit Unverständnis auf die Kritik der Arbeitgeber.

Baden-Württemberg will als eines der letzten Länder den Arbeitnehmern das Recht einräumen, sich an bis zu fünf Tagen im Jahr weiterzubilden. Der baden-württembergische Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) lehnt einen gesetzlichen Zwang für Weiterbildung ab. Schon jetzt stellten Betriebe Arbeitnehmer an durchschnittlich drei Tagen pro Jahr frei. Pro Jahr nehmen laut VDMA in Baden-Württemberg 57 Prozent der Beschäftigten an einer Weiterbildung teil, deutschlandweit nur 49 Prozent, obwohl in zwölf Bundesländern teilweise seit Jahren ein entsprechendes Gesetz in Kraft ist.

Verdi-Landeschefin Leni Breymaier betonte, betrieblich notwendige Weiterbildungen dürften nicht auf einen individuellen Rechtsanspruch auf politische, berufliche oder Weiterbildung fürs Ehrenamt angerechnet werden. «Es ist ein guter Tag für die Arbeitnehmer Baden-Württembergs, weil mündige Arbeitnehmer selber entscheiden sollen, welche inhaltlichen Fortbildungen sie machen», sagte die Gewerkschafter. Grün-Rot setze nur um, was im Koalitionsvertrag festgeschrieben sei. «Würde es die Koalition nicht machen, wäre sie wortbrüchig.»

Streit um Anrechnung von Weiterbildung durch den Arbeitgeber

Die Arbeitgeber verwiesen auf Details des Regelwerks, die letztlich jene Betriebe bestraften, die sich bereits in der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter engagieren. Der Gesetzentwurf sehe zwar vor, dass in den Betrieben bereits stattfindende Weiterbildung, die den Zielen des Gesetzes entspricht, grundsätzlich auf den Anspruch von maximal zehn Prozent der Beschäftigten angerechnet werden kann. «Jetzt stellt sich aber heraus, dass ein Unternehmen, das beispielsweise aus eigener Initiative bereits 90 Prozent seiner Belegschaft betrieblich im Sinne des Gesetzes qualifiziert hat, trotzdem den verbleibenden 10 Prozent der Beschäftigten den Anspruch gewähren muss», erläuterte Dulger.

Genauso kritisch sei der Fall, wenn zu Jahresbeginn zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebs einen Bildungsurlaub beantragen, obwohl der Arbeitgeber bereits für das Frühjahr eine umfangreiche Weiterbildung für zehn oder mehr Prozent seiner Mitarbeiter geplant hat. «Auch hier scheint die zugesagte Anrechnungsmöglichkeit wirkungslos zu bleiben», monierte Dulger. Auf diese Punkte sei Grün-Rot hingewiesen worden - bislang vergebens. «Jetzt zeigt sich, dass das ganze Gerede vom wirtschaftsfreundlichen Bildungsurlaubsgesetz keinen Pfifferling wert war», resümierte Dulger, Chef eines Zusammenschlusses von 42 Mitgliedsverbänden aus Industrie, Dienstleistungen, Handel, Handwerk und Landwirtschaft.

Nach Angaben von Verdi kann ein Arbeitgeber den Antrag eines Mitarbeiters auf Weiterbildung ablehnen, wenn «dringende betriebliche Belange» dagegen stehen. Bei Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten kann der Chef allein mit Verweis auf die dünne Personaldecke das Anliegen des Mitarbeiters ablehnen.

dpa
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