Energieversorgung im Wohnquartier: Für wen lohnt sich was?

Offener Stromaustausch zwischen Gebäuden, zentrale Wärmeerzeugung – laut einer Dena-Studie könnten mit einer quartiersoptimierten Energieversorgung gegenüber dezentralen Lösungen bis zu 45 Prozent der Kosten gespart werden. Rechtlich ist aber vieles noch Utopie. Welches Modell lohnt sich für wen?

Die Optimierung von Energiesystemen auf Quartiersebene wäre deutlich kosteneffizienter als eine Optimierung nur auf (Wohn-)Gebäudeebene. Das ist das Kernergebnis der Studie "Modellierung sektorintegrierter Energieversorgung im Quartier", die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur (Dena) erarbeitet hat. Die Wissenschaftler haben für ihre Modellrechnungen verschiedene Quartiers­typen – Bestandsimmobilien und Neubauten mit unterschiedlichen Nutzungsarten in urbanen und ländlichen Gebieten – unter die Lupe genommen.

Demnach könnten mit dem Quartiersansatz zirka 30 bis 45 Prozent der Kosten gespart werden, die bei der Versorgung von Einzelgebäuden anfallen. Die Ursachen für den deutlichen Kostenvorteil, insbesondere in dicht bebauten urbanen Gebieten, sehen die Studienautoren im hohen Selbstversorgungsgrad mit kostengünstigen, lokal erzeugten erneuerbaren Energien. Auch der Zugang zu zusätzlichen Versorgungsoptionen wie der Nutzung von lokaler Abwärme spielt in die Rechnung.

"Vorhandene erneuerbare Stromerzeugungspotenziale werden besser genutzt. Zudem können innerhalb der zentralen Wärmeversorgung weitere Energiequellen und Abwärmepotenziale besser erschlossen und eingebunden werden", erklärt Nicole Pillen, Bereichsleiterin Urbane Energiewende der Dena.

Solarstrom bald auf allen Dächern?

Bislang dominiert der Studie zufolge mit einem Anteil von 80 Prozent die fossile Wärmeversorgung, wobei die Wärme vornehmlich dezentral in den Gebäuden erzeugt wird. Nah- und Fernwärme oder die strombasierte Wärmeversorgung spielen demnach nur eine untergeordnete Rolle. Noch liegen Planung, Investition und Betrieb von Wärmeerzeugungsanlagen vornehmlich in der Verantwortung der einzelnen Gebäudeeigentümer.

Im Stromsektor erwarten die Studienautoren, dass in Zukunft auf den meisten Gebäudedächern Solarstrom erzeugt wird, die Selbstversorgung dank Batteriespeicher wächst, das gesteuerte Be- und Entladen von Elektrofahrzeugen ein relevanter Faktor im Betrieb der Verteilnetze wird, die Umwandlung von Stromüberschüssen in Wärme die Systemeffizienz zusätzlich steigert – und dass die Nachfrage an die Stromverfügbarkeit umgesetzt wird. Und "dies erfordert die Weiterentwicklung des heutigen lokalen Stromverteilsystems zu einem lokalen Marktplatz zum Austausch von Strom mit dem Ziel einer hohen Selbstversorgung und geringer Kosten, verbunden mit neuen Geschäftsmodellen, wie sie auch lokale Energiegemeinschaften künftig bieten werden", heißt es in der Studie.

Quartiersansatz: Die Regulatorik steht (noch) im Weg

Die Studie betont auch die Vorteile, die ein offener Stromaustausch zwischen den einzelnen (Wohn-)Gebäuden eines Quartiers hätte. Die gemeinsame Nutzung von Photovoltaik und anderer Stromerzeugungspotenziale – gerade in Quartieren mit hohem Energiebedarf bei gleichzeitig geringerem Selbstversorgungsgrad der Einzel­gebäude – könnte zur Senkung der Energiekosten führen und gleichzeitig den Selbstversorgungsgrad erhöhen, heißt es in dem Papier. Auch in ländlichen Gebieten biete die quartiersoptimierte Stromversorgung Vorteile.

Doch eine Quartiersoptimierung, bei der innerhalb des Quartiers Strom und Wärme zwischen den Gebäuden ausgetauscht werden und bei der das Strom- und Wärmesystem gekoppelt betrachtet wird, ist bislang nicht möglich. Die aktuelle Rechtslage erlaubt es den lokalen Akteuren nicht, Versorgungsstrukturen aufzubauen, die einen derart niederschwelligen Austausch von Energie zur Folge hätten. Der regulative Rahmen müsse daher dringend weiterentwickelt werden, um die Optimierung von Energiesystemen auf Quartiersebene möglich zu machen, teilt die Dena mit.

Optimierte Energiesysteme auf Quartiersebene: Die Technologie ist da

Die Regelungen zu Kundenanlagen nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) könnten zum Beispiel auf Quartiere ausgeweitet werden. Zudem stelle die EU-Richtlinie RED II eine Beteiligung an Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sicher, die berechtigt sind, erneuerbare Energie zu produzieren, zu verbrauchen, zu speichern, zu verkaufen und innerhalb der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft die mit eigenen Produktionseinheiten produzierte erneuerbare Energie gemeinsam zu nutzen. Hier käme es auf die Gestaltung des rechtlichen Rahmens bei Einführung der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften an.

Die Technologien zur lokalen Kopplung der Sektoren wie Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Wallboxen, Speicher, lokale Energiemanagementsysteme oder digitale Steuerung und Zählerinfrastruktur stünden bereit und eine Vor-Ort-Versorgung wäre technisch längst möglich und auch bezahlbar.

Die Veröffentlichung der Studie erfolgt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Zusammenhang mit dem Dena-Projekt "Gebäudeforum klimaneutral". Sie ist Teil einer Reihe von Publikationen zum Thema Quartier.

Dena-Studie "Modellierung sektorintegrierter Energieversorgung im Quartier"


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