Geförderter Wohnungsbau: rechtssicher Kosten senken

Wenn Deutschland bezahlbaren Wohnungsbau möglich machen will, braucht es mehr als Förderung. Für Wohnungsunternehmen zählt vor allem die Rechtssicherheit für neue, vereinfachte Bauformen – schon aus Kostengründen.

Die Kosten für Neubauten haben sich seit 2020 nahezu verdoppelt, während die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum steigt. Besonders betroffen sind kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen. Sie sind mit ihren Beständen und Durchschnittsmieten ein Garant für bezahlbaren Wohnraum in Deutschland, können aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen den Bedarf kaum noch realisieren.

Die Baupraxis muss entschlackt, die Genehmigungspraxis beschleunigt und die DIN-Standards entideologisiert werden. Wie das konkret, juristisch sicher und bundesweit übertragbar gelingen kann.

Mehr Spielraum durch die BauGB-Novelle 2024

Die von der Ampel-Regierung im September 2024 auf den Weg gebrachte große Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) kann bei konsequenter Umsetzung mehrere zentrale Erleichterungen im Gepäck haben:

  • Erweiterte Möglichkeiten zur Nachverdichtung und Aufstockung (§ 34 BauGB)
  • Einführung einer Zwölf-Monats-Frist für Bebauungspläne (§ 4b BauGB)
  • Ausweitung kommunaler Vorkaufsrechte auf Share Deals
  • Sozialer Flächenbeitrag bei Umlegungen (§ 58a BauGB)

Zusätzlich fordern viele Akteure eine Entrümpelung der technischen Anforderungen und eine flexiblere Auslegung der Landesbauordnungen – etwa bei Stellplätzen oder Barrierefreiheit. Länder wie Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Hessen haben erste Pilotprojekte mit reduzierten Standards gestartet.

Geförderter Wohnungsbau: Zehn Hebel zur Kostensenkung

Es braucht flankierende Strukturreformen im Bauordnungs-, Planungs- und Vertragsrecht sowie eine Baupraxis, die Qualität und Kostenbewusstsein in Einklang bringt. Zehn-Punkte-Plan für kostengünstigeres Bauen im geförderten Sektor:

  1. Persönlicher Ansprechpartner in der Baubehörde: Für Wohnungsbauprojekte sollte die kommunale Bauaufsicht einen festen Ansprechpartner benennen, der die Wohnungsunternehmen  durch das Verfahren begleitet. Diese Person fungiert als Koordinationsstelle für Rückfragen, Antragsnachforderungen und Fachabstimmungen und sorgt dafür, dass Prozesse nicht zwischen verschiedenen Stellen verloren gehen. Gerade für kleinere Genossenschaften und nicht-profitorientierte Träger ist ein verlässlicher Draht zur Verwaltung oft entscheidend.
  2. Verbindliche Genehmigungsfristen: Genehmigungsverfahren dauern in vielen Städten bis zu einem Jahr oder länger, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Eine gesetzlich verankerte Frist von sechs Wochen mit optionaler einmaliger Verlängerung um weitere sechs Wochen, wie sie nun über § 4b BauGB angedacht ist, könnte zum bundesweiten Standard werden. Wichtig ist eine automatische Genehmigungsfiktion nach Ablauf, um echten Handlungsdruck zu erzeugen. Nur so lassen sich Vorlaufzeiten planbar halten.
  3. Digitalisierung der Bauanträge und Bauplanung: Die Umsetzung digitaler Baugenehmigungsverfahren ist uneinheitlich. Der Bund sollte über das Onlinezugangsgesetz (OZG) Mindeststandards setzen, damit Kommunen digitale Anträge, Prüfprozesse und Rückläufe einheitlich abbilden können. Integrierte BIM-Systeme könnten Planungen frühzeitig auf Genehmigungsfähigkeit prüfen. Auch projektbezogene Dashboards für Bauherren und Behörden könnten helfen, Transparenz und Fortschritt zu sichern.
  4. Serielles und modulares Bauen fördern: Die Wiederholung von Planungs- und Ausführungsprozessen spart Kosten. Damit ergibt es Sinn, wenn der Bund Modellregionen fördert, in denen Typengenehmigungen, Modulbauweise und industrielle Fertigung im größeren Maßstab ausprobiert und validiert werden. Eine zentrale Typenbibliothek mit genehmigten Wohngebäuden nach Förderweg würde Planungskosten und Risiko senken. Das Ergebnis: mehr Wohneinheiten zum gleichen Preis.
  5. Planung nach Maß statt Übererfüllung: Nicht jeder Bauherr muss maximal schallgeschützte, hochgradig technisierte oder luxuriös ausgestattete Gebäude errichten. Vielmehr sollte geförderter Wohnungsbau sich an wirtschaftlich sinnvollen Mindeststandards orientieren. Tiefgaragenplätze oder maximale Fahrradstellplatzanforderungen treiben die Baukosten enorm. Die Fördergeber, also sowohl Bund als auch Länder, sollten diese Standards überdenken und nur das bezuschussen, was funktional erforderlich ist.
  6. Verzicht auf übermäßige DIN-Verweise in Verträgen: Eine zentrale Ursache für unklare Baukosten sind weitreichende vertragliche Verpflichtungen auf DIN-Normen, die über das gesetzliche Maß hinausgehen. Insbesondere beim Schallschutz entstehen so erhebliche Mehrkosten, die mit rechtlichen Unsicherheiten einhergehen. Genossenschaften und Kommunen sollten künftig auf klar formulierte funktionale Leistungsbeschreibungen setzen. Der Bund könnte hierfür Standardvertragsmuster bereitstellen.
  7. Begrenzung technischer Standards: In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden die Bauordnungen und technischen Regelwerke schrittweise verschärft. Barrierefreiheit, Energieeffizienz, Brandschutz sind wichtige Ziele, aber nicht jedes Vorhaben braucht die volle Anforderungstiefe. Eine bundesweite Harmonisierung, verbunden mit sektorenspezifischen Ausnahmen, zum Beispiel für geförderten Wohnungsbau, könnte helfen, die Baukosten besser in den Griff zu bekommen, ohne Schutzinteressen aufzugeben.
  8. Frühe Abstimmung aller Projektbeteiligten: Die sogenannte "Phase 0", also die strukturierte Vorabstimmung zwischen Bauherr, Baurechtsanwalt, Planer, Behörden und Förderstelle, sollte bundesweit zum Standard erklärt werden. Diese Projektstrukturierung vor Antragstellung hilft, Fehler zu vermeiden, unnötige Nachforderungen zu reduzieren und realistische Zeit- und Kostenpläne zu erstellen. Kommunale Förderstellen sollten diese Phase durch Moderation und verbindliche Fahrpläne unterstützen.
  9. Kommunale Kooperation stärken: Kommunen können durch Konzeptvergaben, reduzierte Erbbauzinsen oder Vorzugsbedingungen bei Grundstücksverkäufen erheblich zur Kostensenkung beitragen. Viele Städte verfügen über Liegenschaften, die gemeinwohlorientierten Trägern zu planbaren Konditionen überlassen werden könnten. Gleichzeitig sollten Stellplatzsatzungen, Gestaltungsvorgaben oder Satzungsregelungen flexibilisiert werden, wenn damit bezahlbarer Wohnraum möglich wird.
  10. Politische Rückendeckung sichern: Projekte des geförderten Wohnungsbaus stehen zunehmend im Fokus lokaler Konflikte. Frühzeitige Absichtserklärungen oder Kooperationsvereinbarungen zwischen Projektträgern und der lokalen Politik können helfen, Rückhalt insbesondere bei kontroversen Vorhaben zu organisieren. Auch für die Investoren- und Bankenlandschaft ist ein solcher politischer Schulterschluss ein Signal für Stabilität und Förderwürdigkeit.

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Wohnungsbau: Förderung allein reicht nicht

Laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) sind die durchschnittlichen Baukosten in deutschen Großstädten zwischen 2020 und 2024 um knapp 50 Prozent von rund 3.000 Euro pro Quadratmeter auf mehr als 4.400 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Höhere Materialpreise, steigende Lohnkosten, aufwändige technische Standards und lange Genehmigungsprozesse sind dabei Kostentreiber.

Der Bund stellt den Ländern für den sozialen Wohnungsbau für den Zeitraum 2023 und 2027 insgesamt 20 Milliarden Euro zur Verfügung und schafft steuerliche Anreize. Nach der vorläufigen Finanzplanung des Bundes werden die Finanzhilfen bis 2028 aufgestockt. Trotzdem gelingt es vielerorts nicht, Projekte wirtschaftlich darzustellen.

Im Jahr 2024 wurden bundesweit 215.000 Wohnungen genehmigt – das ist ein Minus von knapp 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Prognosen gehen davon aus, dass der Neubau bis 2026 auf unter 180.000 Einheiten jährlich zurückfallen könnte, also weit unter dem weiterhin politisch angepeilten Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr.


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Schlagworte zum Thema:  Förderung, Wohnungsbau, Kostensenkung