3 Fragen an Lisa Winter

Platte mit Potenzial


Großwohnsiedlungen als Zukunftsmodell? 3 Fragen an Lisa Winter

Großwohnsiedlungen linderten einst die Wohnungsnot – heute stehen Städte erneut vor Engpässen. Doch noch immer lasten Vorurteile auf diesen Quartieren. Für Lisa Winter sind sie weiterhin zeitgemäß und teilweise sogar Vorreiter. Drei Fragen an die Vorständin der Baugenossenschaft Dhu in Hamburg.

Wie geht es den Genossenschaften aktuell und welche Rolle spielen sie im Bereich der Großwohnsiedlungen?

Grundsätzlich sind Genossenschaften für mich die nachhaltigste Form des Wirtschaftens, die wir haben – ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Sie denken langfristig, handeln verantwortungsvoll und berücksichtigen heute auch stark den Klimaschutz. Darauf bin ich persönlich sehr stolz. Natürlich hängt die konkrete Situation immer auch vom Marktumfeld ab: Es gibt Regionen mit Leerstand und andere ohne, es gibt Genossenschaften, die beim Klimaschutz sehr weit sind, andere weniger. Das muss man differenziert betrachten. Auch dort, wo es keinen akuten Marktdruck gibt, sollten wir trotzdem ambitioniert bleiben.

Beim Klimaschutz und der energetischen Entwicklung sind viele Genossenschaften schon lange aktiv, das ist positiv. Wichtig ist aber, dass alles finanziell tragbar bleibt und gut kommuniziert wird – gerade gegenüber den Mitgliedern. Großwohnsiedlungen spielen dabei eine große Rolle: Rund ein Fünftel aller deutschen Mietwohnungen liegt in solchen Siedlungen. Sie sind meist einheitlich bebaut, überwiegend Mietwohnungsbestand und schon ab etwa 500 Wohnungen spricht man von einer Großsiedlung. Als Genossenschaft prägen wir solche Quartiere mit – und damit auch ihre zukünftige Entwicklung.

Die komplette L'Immo-Folge mit Gastgeber Dirk Labusch und Lisa Winter                                                              

 

Welche Rolle spielen große Wohnsiedlungen heute noch bei der Lösung des Wohnungsproblems? Früher galten sie als Lösung, heute werden sie oft mit Nachkrieg, Ghettoisierung und Problemen verbunden. Wie siehst du das?

Großwohnsiedlungen waren ursprünglich genau dafür gedacht, die Wohnungsnot zu lösen – und sie haben das auch getan. Vor allem in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren, aber teilweise schon in den 1920ern, ging es darum, schnell, günstig und zugleich guten, sicheren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu schaffen. Das hat gut funktioniert. Beim Erstbezug gab es oft ein starkes Gefühl von Nachbarschaft und Gemeinschaft, weil man viele Flächen teilte. In ihrer Entstehung waren das sehr sinnvolle Siedlungstypen.

Heute gibt es natürlich neue Herausforderungen: energetische Sanierung, soziale Veränderungen, alternde Bewohnerschaften. Gleichzeitig ist die mediale Darstellung häufig sehr einseitig negativ. Aus vielen Befragungen weiß ich, dass die meisten Menschen in Großwohnsiedlungen mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden sind. Viele Quartiere haben viel Grün, große Abstandsflächen, Spielplätze und ein lebendiges Umfeld. Es gibt aber auch eine Häufung von Armut und schwierigen Lebenslagen, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist es entscheidend, dass Städte, Eigentümer und Akteure vor Ort diese Quartiere aktiv weiterentwickeln.

Großwohnsiedlungen: Vorreiter in Sachen Serielles Sanieren

Wo liegen heute die positiven Seiten von Großwohnsiedlungen? In welchen Bereichen können sie sogar Vorreiter für gesellschaftliche Entwicklungen sein?

Wenn man zum Beispiel auf das Thema Klima und Klimaschutz schaut, steckt in Großwohnsiedlungen sehr viel Potenzial. Die Bauweise ist kompakt, gleichzeitig gibt es viel Grün und relativ wenig Versiegelung. Das macht diese Quartiere energetisch effizient und auch deutlich resilienter, etwa bei Starkregen oder Hitze. Auch wenn manche Siedlungen schon einige Jahrzehnte alt sind und auf den ersten Blick fast wie Dinosaurier wirken, steckt in ihnen großes Zukunftspotenzial.

Gerade beim Thema Sanierung zeigt sich das: Die serielle Bauweise von damals ermöglicht heute auch ein sehr rationelles, serielles Sanieren, zum Beispiel mit vorgefertigten Systemen. Mit einem investierten Euro kommt man hier oft deutlich weiter als im Einfamilienhaus. Dazu kommt die meist sehr gute Infrastruktur mit Kitas, Schulen, Quartierstreffs und kulturellen Einrichtungen. Und durch die großzügigen Grün- und Abstandsflächen gibt es sogar Spielraum für behutsame Nachverdichtung, zum Beispiel für barrierearme Wohnformen, die es im Quartier noch braucht. Das ist ein klarer Vorteil im anstehenden Transformationsprozess.

Dies ist ein redaktionell bearbeiteter Ausschnitt aus der L'Immo-Folge mit Lisa Winter. 


Schlagworte zum Thema:  Wohnungswirtschaft , Wohnungsunternehmen
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