Wie können die etablierte Wohnungswirtschaft und junge PropTechs zusammenarbeiten? Eine Antwort darauf gibt die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte / Wohnstadt mit dem Programm "Hubitation". Dritter und letzter Teil der Serie über die Gewinner des DW-Zukunftspreises 2019.

"Wenn Innovation auf Erfahrung trifft, nennen wir das 'Hubitation'", sagt Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte / Wohnstadt. Damit spricht er ein Thema an, das die gesamte Branche umtreibt: Die Zusammenarbeit zwischen etablierten Immobilienunternehmen und innovativen, digitalisierungsgetriebenen Startups, die unter der Bezeichnung PropTechs seit einigen Jahren die Branche "aufmischen".

DW-Zukunftspreis 2019 Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Konservative Wohnungswirtschaft trifft auf unkonventionelle Startups: Geht das?

Hier die als konservativ und traditionsbewusst geltende Wohnungswirtschaft mit ihrem langfristigen Geschäftsmodell, dort die agile PropTech-Szene mit ihrer Krawattenaversion und ihrer "Duzpflicht" – kann das überhaupt zusammenpassen? Ja, es kann, finden die Verantwortlichen von Nassauische Heimstätte/Wohnstadt. Den Beweis dafür liefern sie mit dem als Marke der Unternehmensgruppe firmierenden Projekt "hubitation", das im März 2018 gestartet wurde und das jetzt mit dem DW-Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft ausgezeichnet worden ist.

Bei "Hubitation" handelt es sich um einen Startup-Accelerator, der PropTechs bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen rund um die Wohnungswirtschaft unterstützt – egal, ob es sich dabei um Dienstleistungen, Technologien oder Produkte handelt.

Förderung und Kooperation: Auch ein Contest gehört zu "hubitation"

Das Programm umfasst verschiedene Unterstützungs- und Kooperationsstufen. Relativ niedigschwellig ist das Angebot an Startups, sich zum Business-Lunch mit einem Mitglied der Geschäftsführung der Unternehmensgruppe zu treffen. Die Bewerbung läuft über einen kurzen Videoclip, den die Startups auf der Website von "hubitation" hochladen können und mit dem sie im Erfolgsfall die Verantwortlichen überzeugen, dass ihre Idee zur Unternehmensgruppe passt.

Darüber hinaus gibt es einen Wettbewerb. Bei diesem Contest bewerben sich PropTechs um die Teilnahme an einem einwöchigen Programm (Startup-Week), in dem sie ihre Geschäftsidee in intensivem Austausch mit Sparringpartnern der Unternehmensgruppe weiter konkretisieren können. Bei der ersten Auflage des Contests im vergangenen Jahr beteiligten sich knapp 30 junge Unternehmen, von denen es sieben in die Endrunde schafften. Aus ihnen wählte eine Jury zwei Unternehmen aus, die als Lohn mit der Unternehmensgruppe zur Expo Real 2018 nach München gefahren sind und dort ihr Geschäftsmodell präsentieren durften. In diesem Jahr war die Resonanz auf die Ausschreibung noch größer.

"Wir haben knapp 60 Bewerbungen erhalten – das bestätigt uns natürlich enorm", sagt Dr. Simone Planinsek, Leiterin des Bereichs Projekt-/ Innovationsmanagement bei der Unternehmensgruppe und Head of Hubitation. Die Entscheidung wird am 12.9.2019 fallen: Dann findet im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main eine öffentliche Veranstaltung statt, auf der die Finalisten ihre Projekte pitchen werden. Auch dieses Jahr wird der Gewinner auf die Expo Real eingeladen. Darüber hinaus erhalten wieder drei junge Unternehmen die Gelegenheit, sich auf dem Wohnzukunftstag 2020 des GdW zu präsentieren.

 Co-Working Spaces

Visionäre Themen rund ums Wohnen: Konkrete Projekte in der Pipeline

Wie breit gefächert die Geschäftsmodelle der PropTechs sind, zeigt ein Blick auf die Finalisten des Contests 2018. In die Endrunde schafften es unter anderem das Startup Fresh Energy, das den Energieverbrauch mithilfe von Smart Metern senkt, und das junge Unternehmen Smartivate, das einen Konfigurator für die Steuerung von Geräten in der Wohnung entwickelt hat. Mit dabei waren aber auch Talentz (eine Talentbörse für Unternehmen nicht nur in der Immobilienbranche) und Aridgreen (ein Anbieter von Urban-Gardening-Lösungen). Dass das Modell bei den Jungunternehmern gut ankommt, belegen Aussagen, die sich auf der Website des Programms finden.

"Mit 'Hubitation' konnten wir die Nachfrage der Wohnungswirtschaft genau identifizieren. Das Expertenwissen der Sparringpartner hat uns entscheidend dabei geholfen, unser Produkt auf die speziellen Bedürfnisse der Branche zuzuschneiden." Sebastian Dahnert, Mitbegründer von Smartivate

Ähnlich positiv äußert sich auf der anderen Seite Dr. Planinsek: "Wir verstehen unseren Accelerator als Ort, an dem wir die Ideen von Gründungsinteressierten mit unserem Know-how zusammenbringen." Deshalb vereinbart die Unternehmensgruppe mit ausgewählten Startups konkrete Pilotprojekte – bisher mit Fresh Energy, Smartivate, Talentz und dem Vermietungsdienstleister Wohnungshelden.

Warum gibt sich die Unternhemensgruppe so viel Mühe? "Als eines der zehn größten Wohnungsunternehmen Deutschlands sehen wir uns verpflichtet, visionären Themen rund ums Wohnen eine Heimat zu bieten", erklärte Dr. Hain beim Start des Programms im März 2018. Die Unternehmensgruppe verspricht sich auch Vorteile durch die Zusammenarbeit mit Startups. Die Wohnungswirtschaft werde durch "Think-Big-Lösungen" dominiert, stellt Planinsek fest.

"Von Startups kann man kleine, schnelle, flexible Lösungen erwarten. Das ist eine Frischzellenkur für Unternehmen." Dr. Simone Planinsek, Leiterin des Bereichs Projekt-/ Innovationsmanagement bei der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt und Head of Hubitation

Unterschiedliche Innovationszyklen beachten: Vom "Aufspringen auf den richtigen Zug"

Grundsätzlich habe man es mit "ganz unterschiedlichen Innovationszyklen" zu tun, erklärt Planinsek. "Während sich die Branche freut, wenn zum Beispiel ein Projekt in einem Jahr über alle Hierarchieebenen hinweg beschlossen worden ist, ist das Startup womöglich nach einem Jahr bereits pleite", bringt sie den Unterschied auf den Punkt. "Insofern haben es Startups mit unserer Branche besonders schwer. Hier vermittelt 'Hubitation' und bringt Menschen zusammen."

Dabei sei aber eines klar, betont die Innovationsexpertin: "Man muss sicherlich nicht auf jeden Zug aufspringen. Aber man muss als Unternehmen in der Lage sein, den Überblick zu behalten, welche Züge fahren, um auf den richtigen aufzuspringen." Ein Angebot hat Planinsek auch für Wohnungsunternehmen, die zu klein sind, um ein ähnlich aufwändiges Programm auf die Beine zu stellen, die aber trotzdem am Austausch mit den "jungen Wilden" interessiert sind.

"Wir teilen unser Wissen nicht nur gerne mit Startups, sondern auch mit anderen Wohnungsunternehmen, die unsere Werte teilen. Bei Interesse kann man sich gerne bei uns melden", so Planinsek abschließend.


Dieser Artikel erschien im Magazin "DW Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 08/2019.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Innovation, Startup, PropTech