WEG-Verwalter muss Weg zur Schadensbeseitigung ebnen
Hintergrund: Sanierung in Etappen statt Gesamtmaßnahme
Wohnungseigentümer verlangen von der ehemaligen Verwalterin Schadensersatz wegen unzureichender Sanierungsmaßnahmen. Die Wohnanlage mit 334 Wohnungen wurde in den 1960er-Jahren errichtet. Die vier Wohngebäude haben an der Fassade Balkone aus auskragenden Betonplatten mit Brüstungen aus einer Stahlkonstruktion mit Betonumwehrung.
Im Jahr 2000 wiesen Wohnungseigentümer die Verwalterin auf Schäden an den Balkonen hin. Daraufhin beauftragte die Verwalterin ein Sachverständigenbüro mit der Erstellung eines Gutachtens zum Zustand der Balkone und zu einer eventuellen Sanierung. Ob und mit welchen Empfehlungen seinerzeit ein schriftliches Gutachten erstellt wurde, ist strittig.
In einer Eigentümerversammlung im Jahr 2001 wurde protokolliert, dass eine einfache Betonsanierung mit Epoxidharz ausreiche. Bis 2009 war das Thema Balkonsanierung nicht mehr Gegenstand von Eigentümerversammlungen.
Zwischen 2001 und 2010 ließ die Verwalterin jeweils aufgrund von Meldungen von Schäden an einzelnen Balkonen Sanierungsarbeiten für insgesamt 200.000 Euro durchführen. Im Jahr 2004 informierte ein Eigentümer die Verwalterin darüber, dass von mehreren Balkonen Betonbrocken heruntergefallen waren. Im Februar 2011 wurde die Verwalterin abberufen.
Die Wohnungseigentümer verlangen nun von der ehemaligen Verwalterin Schadensersatz von 219.000 Euro. Sie meinen, die Verwalterin hätte schon 2001 erkennen und darüber informieren müssen, dass eine Gesamtsanierung der Balkone erforderlich gewesen sei. Die nun anstehende Gesamtsanierung sei deutlich teurer als sie 2001 gewesen wäre.
Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen, weil die Verwalterin nicht gegen Pflichten aus dem Verwaltervertrag verstoßen habe. Die Eigentümer hätten hinsichtlich des Zustandes der Balkone denselben Kenntnisstand gehabt wie die Verwalterin. Es sei in erster Linie Sache der Eigentümer, über Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden. Einen von den Wohnungseigentümern als Zeugen benannten Mitarbeiter des Sachverständigenbüros, der 2001 das Gutachten verfasst haben und daher imstande sein soll, nähere Angaben zu seinerzeit ausgesprochenen Empfehlungen zu machen, haben Amts- und Landgericht nicht vernommen.
Entscheidung: Verwalter muss sich um Mängel kümmern
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht muss den als Zeugen benannten Mitarbeiter des Sachverständigenbüros anhören, um aufzuklären, welche Empfehlung im Jahr 2001 gegeben wurde.
Sollte sich herausstellen, dass das Sachverständigenbüro seinerzeit eine umfassende Balkonsanierung empfohlen hat, kann der Verwalterin ein Verstoß gegen ihre Verwalterpflichten vorzuwerfen sein, weil sie den Wohnungseigentümern weder das Gutachten selbst noch die Sanierungsempfehlung mitgeteilt hat.
Sollte die Verwalterin die Wohnungseigentümer nicht über die im Lauf der Jahre bei ihr eingegangenen Meldungen zu Schäden an den Balkonen informiert haben, kann auch hierin ein Pflichtverstoß bestehen.
Aber auch wenn die Eigentümer eine sachverständige Empfehlung für eine Gesamtsanierung nicht nachweisen können und die Verwalterin ihnen alle Schadensmeldungen mitgeteilt haben sollte, kommt eine Haftung der Verwalterin in Betracht. Möglicherweise hätte die Verwalterin aus Umfang und Häufigkeit der Schäden darauf schließen müssen, dass eine tiefergehende Ursache für die Schäden vorliegt. Dann hätte sie die Eigentümer informieren und eine Beschlussfassung über eine nähere Untersuchung der Schadensursache vorbereiten müssen.
Eine Haftung der Verwalterin kann nicht mit der Begründung verneint werden, diese habe keinen Wissensvorsprung gegenüber den Wohnungseigentümern gehabt und sei deswegen nicht zum Tätigwerden verpflichtet gewesen. Selbst wenn die Wohnungseigentümer den baulichen Zustand der Anlage kennen und weitere Maßnahmen treffen könnten und müssten, obliegt es dem Verwalter, die Eigentümer über die Mängel und eine mögliche weitere Vorgehensweise zu informieren. Es ist nicht Aufgabe der Wohnungseigentümer, sondern des Verwalters zu überprüfen, ob ein Mangel vorliegt und wie dieser zu beseitigen ist. Die Eigentümer dürfen sich darauf verlassen, dass der Verwalter die Prüfung vornimmt, sie informiert und eine sachgerechte Beschlussfassung vorbereitet.
(BGH, Beschluss v. 21.11.2019, V ZR 101/19)
Lesen Sie auch:
-
Balkonkraftwerke: Das gilt für WEG & Vermieter
2.120
-
Vermieter muss Heizkosten korrekt verteilen
1.881
-
Form der Betriebskostenabrechnung und Mindestangaben
1.748
-
Befristeter Mietvertrag: Darauf sollten Vermieter beim Zeitmietvertrag achten
1.489
-
Schönheitsreparaturen: Zulässige und unzulässige Klauseln für Renovierungen im Mietvertrag
1.372
-
Rückforderung von Betriebskostenvorauszahlungen hat Grenzen
1.131
-
Verwaltungskostenpauschale 2023: Kostenmiete steigt mit Tabelle
1.116
-
Umsatzsteuer in der Nebenkostenabrechnung bei Gewerbemiete
1.077
-
Rechtsfolgen des Eigentümerwechsels
1.072
-
Wertsicherungsklausel im Gewerbemietvertrag
1.044
-
Gedenkstein darf im WEG-Ziergarten stehen
11.12.2024
-
Anfechtungskläger muss bei langsamem Gericht nachhaken
04.12.20241
-
Verwalter muss Hybridversammlung nicht aktiv anbieten
27.11.2024
-
Weihnachtsdekoration und Lichterketten: Das gilt rechtlich
26.11.2024
-
Verkehrssicherungspflicht bei Eis und Schnee
22.11.2024
-
Info-Portal für die Heizungswahl
20.11.2024
-
Energiewende – (Wie) macht das der Verwalter?
19.11.2024
-
BGH bleibt dabei: Schonfristzahlung heilt nur fristlose Kündigung
18.11.2024
-
Heizkosten 2023 um rund 31 Prozent gestiegen
06.11.20242
-
Mietminderung bei Legionellen: Urteile im Überblick
04.11.2024