BGH: Umfassende Modernisierung im Sinne der Mietpreisbremse

Eine umfassende Modernisierung, die die Anwendbarkeit der Mietpreisbremse ausschließt, erfordert einen Bauaufwand von einem Drittel der Neubaukosten. Kosten für Erhaltungsmaßnahmen bleiben unberücksichtigt. Zudem muss die Wohnung in wesentlichen Bereichen qualitativ einem Neubau entsprechen.

Hintergrund: Zahlreiche Arbeiten vor Neuvermietung

Die Mieter einer Wohnung in Berlin verlangen von der Vermieterin die Rückzahlung von Miete. Sie meinen, die vereinbarte Miethöhe verstoße gegen die Mietpreisbremse.

Das Mietverhältnis besteht seit 2016. Im Mietvertrag über die knapp 86 Quadratmeter große Wohnung ist eine Nettokaltmiete von 1.199 Euro vereinbart. Dies entspricht 13,99 Euro je Quadratmeter.

Nach Ende des vorangegangenen Mietverhältnisses ließ die Vermieterin zahlreiche Arbeiten an der Wohnung durchführen. So wurde die Elektrik erneuert, die zuvor über dem Putz gelegenen Heizungsrohre in den Fußboden verlegt sowie in Küche und Bad Fliesen und in den übrigen Räumen Parkett verlegt. Schließlich wurden die sanitären Anlagen im Bad erneuert, und erstmals eine Küche eingebaut. 

Im Mai 2016 rügten die Mieter einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Es sei lediglich eine Miete von 823,44 Euro zulässig, was 9,61 Euro je Quadratmeter entspricht. Sie verlangen Rückzahlung der diesen Betrag übersteigenden Miete für die Monate Juni bis November 2016 und Feststellung, dass sie keine höhere Miete schulden.

Die Vermieterin meint, die Mietpreisbremse sei gemäß § 556f Satz 2 BGB nicht anwendbar, da vor der Vermietung eine umfassende Modernisierung stattgefunden habe.

Das Landgericht folgte der Auffassung der Vermieterin. Es hat wesentlich darauf abgestellt, dass die für die Wohnung aufgewandten Gesamtkosten von 58.500 Euro ein Drittel der Neubaukosten erreichten.

Entscheidung: Genaue Betrachtung der Baukosten

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Bei der Prüfung, ob eine umfassende Modernisierung im Sinne von § 556f Abs. 2 BGB vorliegt, dürfen nicht ohne Weiteres alle Kosten berücksichtigt werden. Finanzieller Aufwand für Instandsetzung oder Instandhaltung zählt nicht zu den zu berücksichtigenden Modernisierungskosten.

Nach § 556f Satz 2 BGB greift die Mietpreisbremse nicht bei der ersten Vermietung einer Wohnung nach umfassender Modernisierung. Eine Modernisierung ist umfassend, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lässt. Eine solche Gleichstellung ist anzunehmen, wenn die Modernisierung 

  • im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und 
  • zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht.

Dabei haben beide Aspekte das gleiche Gewicht.

Modernisierungsaufwand mindestens ein Drittel der Neubaukosten

Ein Bauaufwand ist finanziell dann als wesentlich anzusehen, wenn er mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands (ohne Grundstücksanteil) erreicht. Dabei sind regionale Unterschiede zu berücksichtigen.

In den Kostenvergleich sind allerdings nur solche Kosten aufzunehmen, die auf im Katalog des § 555b BGB genannten Modernisierungsmaßnahmen beruhen. Hingegen sind Kosten, die keinen Bezug zu einer solchen Modernisierungsmaßnahme aufweisen, sondern allein auf Erhaltungsmaßnahmen entfallen, nicht zu berücksichtigen.

Dasselbe gilt auch, soweit ältere Bauteile und Einrichtungen modernisiert werden, unabhängig davon, ob diese mangelhaft sind oder zwar abgenutzt, aber noch funktionsfähig. Auch insoweit ist ein Teil der Kosten nicht der Modernisierung, sondern der bloßen Instandhaltung zuzuordnen und deshalb beim Kostenvergleich nicht zu berücksichtigen. In einem früheren Urteil hat der BGH bereits für den Fall einer Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB klargestellt, dass nicht nur Kosten für fällige Instandsetzungsmaßnahmen unberücksichtigt bleiben, sondern auch beim Austausch abgenutzter, aber noch intakter Teile ein Instandhaltungsanteil herausgerechnet werden muss.

Wesentliche qualitative Verbesserung

Neben dem finanziellen Aufwand erfordert eine umfassende Modernisierung, dass die Wohnung durch die Modernisierungsmaßnahmen in mehreren, nicht notwendig allen, wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen beziehungsweise energetische Eigenschaften) qualitativ so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist.

In die diesbezügliche Beurteilung sind wiederum nur die Maßnahmen einzubeziehen, die als Modernisierung zu qualifizieren sind, und auch diese nur unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem aktuellen Mietverhältnis um die erste Neuvermietung nach Ausführung der Maßnahmen handelt. Maßnahmen, die noch während des vorigen Mietverhältnisses durchgeführt wurden, bleiben außer Betracht.

Landgericht muss Maßnahmen genauer prüfen

Das Landgericht muss nun die Baumaßnahmen näher betrachten und prüfen, inwieweit die Kosten als Modernisierungskosten einzuordnen sind. Wenn die danach festgestellten Modernisierungskosten sich auf mindestens ein Drittel der Neubaukosten belaufen, kommt es weiter darauf an, ob durch die Modernisierung ein Zustand erreicht worden ist, der in wesentlichen Teilen demjenigen eines Neubaus entspricht.

Sollten die Maßnahmen nicht als umfassende Modernisierung zu qualifizieren sein, kommt eine Berücksichtigung nach § 556e Abs. 2 BGB in Betracht. Demnach können Modernisierungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses bei der Bemessung der zulässigen Miethöhe berücksichtigt werden. Auf den Betrag von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete kann dann noch der bei einer Modernisierungsmieterhöhung mögliche Betrag aufgeschlagen werden.

(BGH, Urteil v. 11.11.2020, VIII ZR 369/18)


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Schlagworte zum Thema:  Mietpreisbremse, Modernisierung, Mietrecht