BGH: Schimmelgefahr allein rechtfertigt keine Mietminderung

Die bloße Gefahr, dass in einer Wohnung aufgrund einer bei Errichtung üblichen, aber heute nicht mehr zeitgemäßen Bausubstanz Schimmel auftreten kann, stellt keinen Mangel dar, der zu einer Mietminderung berechtigt.

Hintergrund

Die Mieter zweier Wohnungen machen unter Berufung auf Mängel Gewährleistungsansprüche gegen den Vermieter geltend.

Die Wohnungen wurden 1968 beziehungsweise 1971 erbaut und haben Wohnflächen von 61 beziehungsweise 73 Quadratmetern. Die monatlichen Mieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen betragen 490 Euro beziehungsweise 620 Euro.

Die Mieter bemängeln, aufgrund der Bauweise der Wohnungen gebe es Wärmebrücken. Deshalb bestehe insbesondere an den Außenwänden in den Monaten Oktober bis März eines jeden Jahres die Gefahr der Schimmelpilzbildung. Sie verlangen deshalb jeweils eine näher bezifferte Minderung und in einem der beiden Fälle Kostenvorschuss für eine Mängelbeseitigung.

Vor dem Landgericht hatten die Klagen Erfolg. Zwar hätten die Wohnungen bei ihrer Errichtung den geltenden Bauvorschriften sowie DIN-Vorgaben und den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen. Ein Mieter dürfe allerdings ohne besondere Absprache einen Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. In beiden Wohnungen bestehe aufgrund der baulichen Gegebenheiten ein konkretes Risiko der Schimmelbildung, die mit dem üblichen Lüftungs- und Heizverhalten nicht zu verhindern sei. Bereits dies sei ein bauseits bedingter Mangel. Es komme nicht darauf an, ob tatsächlich Schimmel auftrete. Für einen Mangel reiche es aus, wenn die Wohnung aufgrund einer bestimmten Beschaffenheit jederzeit beeinträchtigt werden könnte, sogenannte Mangelgefahr.

Entscheidung

Der BGH hebt die Entscheidungen des Landgerichts auf. Wärmebrücken in den Außenwänden sind kein Sachmangel einer Mietwohnung, wenn dieser Zustand mit den Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht, die bei der Errichtung des Gebäudes gegolten haben.

Ein Mangel, der den Mieter zur Minderung berechtigt und diesem einen Anspruch auf Mangelbeseitigung gibt, setzt eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand voraus. Wenn nichts anderes vereinbart ist, kann der Mieter erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Soweit es technische Normen gibt, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Hierbei ist grundsätzlich der Maßstab entscheidend, der bei der Errichtung des Gebäudes gültig war. Da 1968 beziehungsweise 1971 eine Wärmedämmung noch nicht vorgeschrieben war, waren Wärmebrücken ein allgemein üblicher Bauzustand. Die Wärmebrücken der Wohnungen sind daher hier kein Sachmangel.

Der Auffassung des Landgerichts, dass Mieter einen Standard erwarten dürfen, der „Grundsätzen zeitgemäßen Wohnens“ entspricht, erteilt der BGH eine klare Absage. Diese Ansicht liefe darauf hinaus, einen neuen Mangelbegriff zu schaffen und bei älteren und unsanierten Wohnungen einen Neubaustandard als geschuldete Beschaffenheit zugrunde zu legen.

Mehrmals täglich Lüften ist nicht unzumutbar

Wie häufiges Lüften einem Mieter zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Fall hielt der vom Gericht bestellte Sachverständige täglich zweimaliges Stoßlüften von je 15 Minuten oder dreimal je 10 Minuten für ausreichend. Bei Querlüften, also dem gleichzeitigen Öffnen mehrerer Fenster, lasse sich die Lüftungszeit auf ein Drittel reduzieren. Solche Lüftungsintervalle sind Mietern jedenfalls nicht unzumutbar.

(BGH, Urteile v. 5.12.2018, VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18)

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Schlagworte zum Thema:  Mietmangel, Mietminderung, Mietrecht