BGH: Kein Pardon für bauliche Veränderungen ohne Beschluss

Führt ein Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum aus, ohne durch Beschluss ermächtigt zu sein, kann er einem Beseitigungsverlangen nicht entgegenhalten, einen Anspruch auf Gestattung zu haben. Ein vermietender Eigentümer muss für bauliche Veränderungen durch seinen Mieter einstehen, wenn er diese erlaubt oder duldet.

Hintergrund: Pächter führt bauliche Veränderungen durch

Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) verlangt von der Teileigentümerin einer verpachteten Gewerbeeinheit, bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen.

Im Oktober 2020 entfernte die Pächterin, die in den Räumen eine Shisha-Bar eröffnen wollte, ohne statische Berechnung eine tragende Wand. Im Juli 2021 ließ die Pächterin die Deckenplatte zwischen der Gewerbeeinheit und dem Keller sowie mehrfach die Fassade durchbohren, um eine Lüftungsanlage zu installieren; diese wurde im Februar 2022 eingebaut. Im April 2022 eröffnete die Pächterin die Shisha-Bar.

Im Juli 2022 erhob die GdWE Klage gegen die Teileigentümerin auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands des Gemeinschaftseigentums. In einer danach durchgeführten Eigentümerversammlung lehnten die Eigentümer die Genehmigung der baulichen Maßnahmen ab.

Das Amtsgericht verurteilte die Teileigentümerin zum Rückbau. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts blieb erfolglos.

Während des Berufungsverfahrens erhob die Teileigentümerin ihrerseits beim Amtsgericht Beschlussersetzungsklage, um einen Gestattungsbeschluss ersetzen zu lassen. Dieses Verfahren ruht.

Entscheidung: Anspruch auf Rückbau, wenn Gestattung fehlt

Der BGH bestätigt das Berufungsurteil teilweise.

Die GdWE kann von der Teileigentümerin die Beseitigung der von der Pächterin ab Juli 2021 ohne Gestattung durchgeführten Um- und Einbauten verlangen. Die Teileigentümerin ist für die Baumaßnahmen der Pächterin verantwortlich.

Soweit die Gemeinschaft die Wiederherstellung der im Oktober 2020 entfernten tragenden Wand verlangt, muss das Berufungsgericht nochmals entscheiden. 

Rechtslage seit der WEG-Reform

Ansprüche wegen der ab Juli 2021 durchgeführten Um- und Einbauten richten sich nach dem zum 1.12.2020 reformierten Wohnungseigentumsrecht.

Gemäß § 20 Abs. 1 WEG in der seit der WEG-Reform geltenden Fassung bedarf jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen einzelnen Wohnungseigentümer eines gestattenden Beschlusses. Ein Wohnungseigentümer, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche Veränderung plant, muss einen Gestattungsbeschluss herbeiführen, bevor er mit der Baumaßnahme beginnt.

Der Beschlusszwang gilt auch dann, wenn kein anderer Wohnungseigentümer durch die Maßnahme beeinträchtigt wird. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Für einen bauwilligen Eigentümer hat ein Gestattungsbeschluss den Vorteil der Rechtssicherheit.

Hat ein Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommen, kann die GdWE Beseitigung verlangen. Dem Beseitigungsanspruch kann der Eigentümer nicht entgegenhalten, dass ihm ein Anspruch auf Gestattung nach § 20 Abs. 3 WEG zusteht.

Teileigentümer haftet für Pächter

Der Teileigentümer ist für die Beseitigung der baulichen Veränderungen verantwortlich, auch wenn diese von der Pächterin durchgeführt worden waren. Ein vermietender Wohnungseigentümer haftet als mittelbarer Handlungsstörer für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums durch Mieter oder Pächter, die ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommen wurden, wenn:

  • er die baulichen Veränderungen erlaubt hat
  • er mit baulichen Veränderungen aufgrund einer angekündigten Nutzungsabsicht des Mieters rechnen musste und diesen nicht auf das Erfordernis eines vorherigen Gestattungsbeschlusses hingewiesen hat oder
  • er es unterlässt, gegen den Mieter einzuschreiten, nachdem er von den baulichen Veränderungen Kenntnis erlangt hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wusste der Teileigentümer von den Baumaßnahmen, hat hiergegen jedoch nichts unternommen, so dass die Voraussetzungen der dritten Variante erfüllt sind.

Beschlussersetzungsklage war verspätet

An der Pflicht zur Beseitigung der nicht gestatteten Baumaßnahmen ändert auch die während des Berufungsverfahrens erhobene Beschlussersetzungsklage nichts. Der Teileigentümer hätte während des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage erheben können und müssen. Dann hätte sich das Amtsgericht im Verfahren über den Rückbau auch mit einem eventuellen Gestattungsanspruch befassen müssen.

Erhebt der erstinstanzlich zur Beseitigung verurteilte Eigentümer die Klage auf Beschlussersetzung wie hier erst, wenn sich das Verfahren über den Beseitigungsanspruch bereits in der Berufungsinstanz befindet, kann dieses nicht ausgesetzt werden, bis über die Beschlussersetzung entschieden ist. Die Entscheidung über den Beseitigungsanspruch hängt – wie oben dargelegt – nicht vom Bestehen eines Gestattungsanspruchs ab.

Rechtslage vor der WEG-Reform

Soweit die GdWE die Wiederherstellung der im Juni 2020 entfernten tragenden Wand verlangt, hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Da diese Maßnahme vor der WEG-Reform durchgeführt worden ist, ist diese nach altem Recht zu beurteilen. Danach konnte – anders als nach dem reformierten Recht – einem Beseitigungsanspruch entgegengehalten werden, dass ein Anspruch auf Gestattung der Maßnahme bestehe. Ein solcher könnte hier gegeben sein, wenn die anderen Eigentümer nicht beeinträchtigt werden. Sollte die Standsicherheit trotz Entfernung der Wand gewährleistet sein, bestünde kein Nachteil und der Eigentümer könnte dem Anspruch auf Wiederherstellung einen Gestattungsanspruch entgegenhalten. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss nun das Berufungsgericht klären.

(BGH, Urteil v. 21.3.2025, V ZR 1/24)


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