Leitsatz (amtlich)

a) Ergibt sich eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr aus der rechtlichen Begründung des Berufungsgerichts, weil diese sich verallgemeinern und auf eine nicht unerhebliche Zahl künftiger Sachverhalte übertragen lässt, sind entsprechende Darlegungen in der Beschwerdebegründung entbehrlich (Abgrenzung zu BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [187] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107).

b) Beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts darauf, dass sie objektiv willkürlich ist oder Verfahrensgrundrechte einer Partei verletzt, ist ein Eingreifen des BGH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dieser Zulassungsgrund hängt nicht von dem zusätzlichen Erfordernis ab, dass der Verstoß gegen das Willkürverbot oder das Verfahrensgrundrecht offenkundig ist (Aufgabe von BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [189 ff., 192 ff.] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107).

 

Normenkette

ZPO (2002) § 543 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 2 Alt. 2, § 544 Abs. 2 S. 3, § 574 Abs. 2 Nrn. 1, 2 Alt. 2, § 575 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 23.10.2003; Aktenzeichen 20 W 75/2003)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2) gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des OLG Frankfurt/M. v. 23.10.2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt 120.000 EUR.

 

Gründe

I.

Der Beklagte zu 2) ist vom LG zur Zahlung verurteilt worden. Sein Prozessbevollmächtigter hat gegen das am 1.7.2003 zugestellte Urteil am 29.7.2003 Berufung eingelegt und am 1.9.2003 beantragt, die Begründungsfrist bis zum 1.10.2003 zu verlängern. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die fehlende Begründung des Antrages hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) am 23.9.2003 mitgeteilt, er habe die Begründungsfrist auf Grund urlaubsbedingter Abwesenheit und einer Vielzahl fristgebundener Sachen nicht einhalten können. Ferner hat er die Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 2.10.2003 mit der Begründung beantragt, dass er am 23.9.2003 eine unaufschiebbare Geschäftsreise antrete, von der er erst "Anfang kommender Woche" zurückkehre. Am 25.9.2003 hat der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats des OLG die Begründungsfrist bis zum 1.10.2003 verlängert und den Antrag auf weiter gehende Verlängerung abgelehnt, weil die gem. § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners fehlte.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) hat die Berufung am 2.10.2003 begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei erst am 1.10.2003 um 22.00 Uhr von der Geschäftsreise zurückgekehrt und habe das gerichtliche Schreiben v. 25.9.2003 erst am 2.10.2003 vorgefunden. Er habe nicht damit rechnen können, dass seinem Antrag auf Fristverlängerung nur modifiziert entsprochen werde.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu 2) zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Begründungsfrist bis zum 2.10.2003 verlängert werde, weil für eine Verlängerung über den 1.10.2003 hinaus die gem. § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO erforderliche Einwilligung des Klägers gefehlt habe. Er habe deshalb nicht die Mitteilung der Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag abwarten dürfen, sondern sich rechtzeitig beim Gericht nach dieser Entscheidung erkundigen müssen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) habe auch nicht dargelegt, dass er nach der gebotenen Erkundigung nicht rechtzeitig von seiner Geschäftsreise hätte zurückkehren und die Berufung bis zum 1.10.2003 begründen können. Da er noch am 23.9.2003 mitgeteilt habe, er werde "Anfang kommender Woche" zurückkehren, sei bei Reiseantritt eine Rückkehr erst am 1.10.2003 offenbar noch gar nicht geplant gewesen. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) sein Vorbringen nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2).

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 522 Abs. 1 S. 4, § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGH v. 29.5.2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42 [43] = BGHReport 2002, 745 = MDR 2002, 1266; v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221 [223] = BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207; v. 7.5.2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21 [22] = BGHReport 2003, 823 = MDR 2003, 1054; Beschl. v. 24.6.2003 - VI ZB 10/03, MDR 2003, 1128 = BGHReport 2003, 1104 = NJW 2003, 2991), sind nicht erfüllt.

1. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des BGH erforderlich machen (BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [191 f.] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107; v. 7.1.2003 - X ZR 82/02, BGHZ 153, 254 [256] = MDR 2003, 649 = BGHReport 2003, 298; v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [291 f.] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822; jeweils zu dem gleich lautenden § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Um dies ordnungsgemäß darzutun, ist es grundsätzlich erforderlich, die durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen sowie ihre Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen bzw. die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit und das sich daraus ergebende Bedürfnis für ein korrigierendes Eingreifen des BGH darzustellen (BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [191 f.] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107, zu § 544 Abs. 2 S. 3 ZPO). In Bezug auf die aufgeworfene Rechtsfrage sind insb. auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese umstritten ist (BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [191] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107; Beschl. v. 10.12.2002 - XI ZR 162/02, FamRZ 2003, 440 [441]; v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [291] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822; Beschl. v. 10.12.2003 - -IV ZR 319/02, MDR 2004, 464 = BGHReport 2004, 476 = VersR 2004, 225 [226]; jeweils zu § 544 Abs. 2 S. 3 ZPO). An die Darlegung sind aber dann keine besonderen Anforderungen zu stellen, wenn die zu beantwortende Rechtsfrage sowie ihre Entscheidungserheblichkeit sich unmittelbar aus dem Prozessrechtsverhältnis ergeben; zur Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache ist ein Hinweis auf Streit in Rechtsprechung und Literatur entbehrlich, wenn der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bereits wegen ihres Gewichts für die beteiligten Verkehrskreise grundsätzliche Bedeutung zukommt (BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - V ZB 9/03, BGHReport 2004, 55 = MDR 2004, 119 = WM 2004, 491 f.).

b) Gemessen hieran ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Die Rechtsbeschwerde formuliert zwar die "Zulassungsfrage (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)", ob der "Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts den Rechtsmittelführer darauf hinweisen muss, ein von ihm gestellter Rechtsmittelbegründungsfristverlängerungsantrag reiche über die nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO mögliche Frist hinaus, wenn sich ein solcher Hinweis noch rechtzeitig vor Ablauf der bis zu der sich aus § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO ergebenden Höchstgrenze verlängerten Rechtsmittelbegründungsfrist telefonisch unschwer erteilen lässt". Sie begründet aber nicht ansatzweise, warum diese Frage klärungsbedürftig sein soll. Hierzu wären nähere Darlegungen erforderlich gewesen, weil der angefochtene Beschluss dem Grundsatz entspricht, dass ein berechtigtes Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Fristverlängerung zumindest voraussetzt, dass die Verlängerung gesetzlich zulässig ist. Dies war hinsichtlich einer Verlängerung bis zum 2.10.2003, wie die Rechtsbeschwerde selbst einräumt, nicht der Fall.

2. Eine Entscheidung des BGH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

a) Dieser Zulassungsgrund ist zum einen gegeben, wenn einem Gericht bei der Anwendung von Rechtsnormen Fehler unterlaufen sind, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist (BGH v. 29.5.2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42 [46] = BGHReport 2002, 745 = MDR 2002, 1266; Beschl. v. 24.9.2002 - VI ZB 26/02, DAR 2003, 64; v. 23.9.2003 - VI ZA 16/03, BGHReport 2004, 53 = MDR 2004, 107 = NJW 2003, 3781 [3782]; jeweils zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [187] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107; Beschl. v. 8.4.2003 - XI ZR 193/02, MDR 2003, 1009 = BGHReport 2003, 902 = WM 2003, 1346 [1347]; v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [294] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822; Beschl. v. 31.10.2002 - V ZR 100/02, MDR 2003, 347 = BGHReport 2003, 254 = WM 2003, 259 [260]; v. 25.3.2003 - VI ZR 355/02, MDR 2003, 1009 = BGHReport 2003, 905 = NJW-RR 2003, 1074; jeweils zu dem gleich lautenden § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

Eine derartige Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr ist von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt worden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Sie ergibt sich auch nicht unabhängig von den Darlegungen in der Rechtsbeschwerde aus der rechtlichen Begründung des angefochtenen Beschlusses. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung sich verallgemeinern lässt und eine nicht unerhebliche Zahl künftiger Sachverhalte zu erwarten ist, auf welche die Argumentation übertragen werden kann (BGH, Beschl. v. 31.10.2002 - V ZR 100/02, MDR 2003, 347 = BGHReport 2003, 254 = WM 2003, 259 [260]; v. 18.3.2004 - V ZR 222/03, Umdruck S. 5 f., jeweils zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Begründung des angefochtenen Beschlusses von den besonderen Umständen des Einzelfalls geprägt ist und nicht verallgemeinert werden kann.

b) aa) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert ein Eingreifen des BGH ferner dann, wenn die angefochtene Entscheidung sich als objektiv willkürlich darstellt oder Verfahrensgrundrechte einer Partei verletzt und die Entscheidung darauf beruht (BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [296] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822, zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; vgl. auch v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221 [226 f.] = BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207; Beschl. v. 19.9.2002 - V ZB 31/02, MDR 2003, 46 = BGHReport 2002, 1112 = WM 2003, 1397 [1399], v. 4.12.2002 - XII ZB 66/02, FamRZ 2003, 856 [857]; v. 13.5.2003 - VI ZB 76/02, MDR 2003, 1131 = FamRZ 2003, 1271; v. 25.9.2003 - III ZB 84/02, BGHReport 2003, 1360 = NJW 2003, 3782 [3783] zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; Beschl. v. 4.7.2002 - V ZR 75/02, BGHReport 2002, 947 = MDR 2002, 1206 = WM 2002, 1811 [1812], v. 25.7.2002 - V ZR 118/02, BGHReport 2002, 941 = MDR 2002, 1389 = WM 2002, 1899 [1900], v. 19.12.2002 - VII ZR 101/02, MDR 2003, 468 = BGHReport 2003, 347 = WM 2003, 992 [993]; v. 25.3.2003 - VI ZR 355/02, MDR 2003, 1009 = BGHReport 2003, 905 = NJW-RR 2003, 1074; Urt. v. 18.7.2003 - V ZR 187/02, BGHReport 2003, 1231 = MDR 2004, 48 = WM 2004, 46 [47] zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Soweit der erk. Senat in diesen Fällen bislang das Erfordernis einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung verneint und stattdessen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache angenommen hat (BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [188 ff., 192 f.] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107; Beschl. v. 10.12.2002 - XI ZR 162/02, FamRZ 2003, 440 [441], jeweils zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), wird an dieser Auffassung, die lediglich in der Begründung von der Rechtsprechung anderer Senate abwich und nicht zu anderen Ergebnissen führte (BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [299] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822; v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [190] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107), nicht festgehalten.

bb) Dieser Zulassungsgrund hängt nicht von dem zusätzlichen Erfordernis ab, dass der Verstoß gegen das Willkürverbot oder das Verfahrensgrundrecht offenkundig ist (BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [297] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822, zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; vgl. auch BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 ff. = MDR 2003, 886; Beschl. v. 7.10.2003 - 1 BvR 10/99, NJW 2003, 3687 [3688]; v. 8.1.2004 - 1 BvR 864/03, NJW 2004, 1371 [1372]). Soweit der Senat vor diesen Entscheidungen eine andere Auffassung vertreten hat (BGH v. 1.10.2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182 [193 f.] = MDR 2003, 104 = BGHReport 2002, 1107), wird diese aufgegeben.

cc) Auch unter diesem Gesichtspunkt ist kein Zulassungsgrund gegeben. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist weder der Anspruch des Beklagten zu 2) auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG noch sein aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip folgender Anspruch auf ein faires Verfahren (vgl. hierzu BVerfG v. 20.6.1995 - 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99 [113]) verletzt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) nicht schon vor der Bescheidung seines Antrages auf Fristverlängerung darauf hingewiesen hat, dass eine Verlängerung über den 1.10.2003 hinaus ohne die fehlende Einwilligung des Klägers gem. § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO nicht zulässig sei.

Eine Verletzung der aus dem Gebot des fairen Verfahrens folgenden Fürsorgepflicht des Gerichts ggü. den Parteien kann zwar dazu führen, dass einer Partei eine schuldhafte Fristversäumnis im Ergebnis nicht angelastet werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rz. 22-22 b). Davon ist z. B. auszugehen, wenn einem Prozessbevollmächtigten bei der Angabe des Datums der begehrten Fristverlängerung ein offensichtlicher Fehler unterläuft und das Gericht hierauf nicht hinweist, obwohl ihm dies ohne jede Mühe möglich wäre. Dies gilt insb. für den Ersten, zu Beginn des gesetzlichen Laufs der Berufungsbegründungsfrist gestellten Antrag, weil dem Prozessbevollmächtigten hier grundsätzlich keine eigene Erkundigungspflicht obliegt und dem Gericht noch die volle Frist zu einem Tätigwerden zur Verfügung steht (BGH, Beschl. v. 11.2.1998 - VIII ZB 50/97, MDR 1998, 982 = NJW 1998, 2291 [2292]).

So liegt es hier aber nicht. Der dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) unterlaufene Fehler war nicht offensichtlich. Erst bei einer genaueren Prüfung seines Antrages anhand eines Kalenders war erkennbar, dass eine Fristverlängerung bis zum 2.10.2003 nur mit der Einwilligung des Klägers möglich war. Da diese Einwilligung nicht vorlag, durfte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) nicht darauf vertrauen, dass die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert würde. Er hätte sich vielmehr rechtzeitig vor Fristablauf beim Gericht vergewissern müssen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rz. 23 - Fristverlängerung). Unter diesen Umständen würde die Annahme einer gerichtlichen Hinweispflicht nicht hinreichend berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BVerfG v. 20.6.1995 - 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99 [114]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1167225

BGHZ 2005, 135

NJW 2004, 2222

BGHR 2004, 1185

FamRZ 2004, 1189

JR 2004, 509

WM 2004, 1407

WuB 2004, 795

ZIP 2005, 502

MDR 2004, 1135

ProzRB 2004, 272

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