Entscheidungsstichwort (Thema)

(Keine) Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr auf die PKH-Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Wird einem minderjährigen Kind für einen Unterhaltsprozess ratenfreie PKH gewährt und ist die Stellung eines Antrags auf Beratungshilfe aus gutem Grund unterblieben, kommt die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Rahmen der PKH nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

AG Hagen (Beschluss vom 06.10.2008; Aktenzeichen 134 F 21/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - FamG - Hagen vom 6.10.2008 abgeändert.

Der Festsetzungsbeschluss des AG - FamG - Hagen vom 19.8.2008 wird dahingehend abgeändert, dass die an den Beteiligen zu 1) aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 810,99 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1) begehrt die Festsetzung der Vergütung gem. § 55 RVG als im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt. Der von ihm vertretenen Klägerin war aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Die Klägerin ist am 14.1.2007 geboren; ihre gesetzliche Vertreterin bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der Beteiligte zu 1) war für die Klägerin bereits vorprozessual tätig geworden, um Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen. Ein Antrag auf Beratungshilfe ist beim AG nicht gestellt worden, da der Beteiligte zu 1) einen solchen Antrag auf Grund der Praxis des zuständigen AG, in Fällen wie dem Vorliegenden Beratungshilfe im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG wegen der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Jugendamtes zu versagen, als aussichtslos ansah.

Das AG hat, der Ansicht des Beteiligten zu 2) folgend, die geltend gemachte Verfahrensgebühr im Hinblick auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV von 1,3 auf 0,65 gekürzt, da die vorgerichtliche Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei.

Der Beteiligte zu 1) macht mit ihrer Beschwerde u.a. geltend, durch den angefochtenen Beschluss würden seine Gebührenansprüche in nicht gerechtfertigter Weise gekürzt. Angesichts der Armut seiner Mandantin bestehe für ihn faktisch keine Möglichkeit, den gekürzten Gebührenanteil von dieser zu erhalten. Aus diesem Grund sei auch eine Vorschusszahlung nicht in Betracht gekommen. Beratungshilfe habe nicht erfolgversprechend beantragt werden können.

Der Senat hat die Verwaltungsabteilung des OLG angehört. Diese unterstützt die angefochtene Entscheidung.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist aufgrund der Zulassung durch das AG zulässig. Sie ist auch begründet.

1. Der Senat folgt grundsätzlich der mittlerweile in der Rechtsprechung der OLG vorherrschenden Ansicht, dass auch bei der Vergütungsfestsetzung für einen im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG-VV Anwendung findet (in diesem Sinne auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.9.2008, AGS 2008, 606; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.8.2008, JurBüro 2008, 640; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.2008, Az. I-10 W 109/08; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.11.2008, Az. 9 WF 728/08; OLG Celle, Beschl. v. 13.11. 2008, Az. 10 WF 312/08; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.5.2008, Az. 2 WF 81/08 sowie Beschl. v. 8.5.2008, Az. 8 W 57/08; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 2.11.2007, Az. 13 Ta 181/07, Niedersächs. OVG, Beschl. v. 29.4.2008, Az. 13 OA 39/08; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.2.2008, Az. 6 W 8/08 und OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1013).

Wie der BGH in Kostenfestsetzungsverfahren bereits mehrfach entschieden hat, entsteht die Verfahrensgebühr aufgrund der Anrechnungsvorschrift von vorneherein nur in gekürzter Höhe, so dass im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Kostenerstattung in Betracht komme. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, sei bereits nach dem klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ohne Bedeutung. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung sei nach dieser Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (BGH NJW 2008, 1323 [1324]).

Aus diesen Ausführungen, die auch vom Senat geteilt werden, folgt zwingend, dass auch bei der Vergütungsfestsetzung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts die Verfahrensgebühr entsprechend zu kürzen ist, wenn die Voraussetzungen der Anrechnungsvorschrift vorliegen. Denn die Verfahrensgebühr entsteht dann von vorneherein nur in gekürzter Höhe, so dass sie nicht in voller Höhe festgesetzt werden kann. Dies gilt unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, denn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt er...

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