Leitsatz (amtlich)

Auch der Betreiber von sog. Billigmärkten muss seine Kunden vor ohne weiteres vermeidbaren Gefahren schützen. Er muss die Waren also so bereitstellen und die Gänge zwischen den Warenkörben und anderen Vorratsbehältern so frei halten, dass ein gefahrloses Gehen und Entnehmen der Waren für einen aufmerksamen Kunden möglich ist.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 2, § 823 Abs. 1; SGB 10 § 116

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 08.06.2012; Aktenzeichen 2 O 427/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.6.2012 verkündete Urteil des LG Limburg a.d.L. - 2 O 427/11 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 10.312,54 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf den Ersatz der Kosten für die Behandlung der Zeugin B nach einem Sturz in einem Geschäft der Beklagten in Anspruch, wobei die Klägerin i.H.v. 1/3 der Kosten ein Mitverschulden der Zeugin B berücksichtigt.

Die bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte Zeugin B besuchte am 25.9.2010 gegen 12:30 Uhr den Discountmarkt der Beklagten in Ort1. Es handelt sich um einen Billigmarkt, auch "Krabbelmarkt" genannt, in welchem auf Rollwagenständern, in Körben und auf dem Boden Waren drapiert sind, die die dazwischen befindlichen Gänge erheblich, zum Teil bis auf 20 cm Durchgangsbreite verengen. Die Zeugin B stürzte in einem der Gänge im Bereich eines Rollwagenständers auf der linken Seite des Ganges und zog sich Verletzungen an Schulter, Arm, Ellenbogen, Knie, Bein und Sprunggelenk zu. Die Klägerin wandt wegen des Sturzes Behandlungs- und Transportkosten i.H.v. insgesamt 11.156,61 EUR auf, von denen sie 2/3, nämlich 7.437,74 EUR der Beklagten in Rechnung stellte. Darüber hinaus verlangt sie 2/3 der aufgewendeten Taxikosten von insgesamt 262,20 EUR, nämlich 174,80 EUR. Die Zeugin B wird in ca. 5 Jahren als Folge der Sturzverletzungen ein neues Kniegelenk beanspruchen.

Die Klägerin hat behauptet, Ursache des Sturzes der Zeugin B sei es gewesen, dass diese aufgrund der Enge in dem Gang an einer festgestellten Rolle des Rollwagenständers hängen geblieben sei, wobei der Rollfuß des Ständers in den Gang hineingeragt habe und durch die aufgehängten Waren verdeckt gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.437,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.12.2010 sowie weitere 174,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 2/3 sämtlicher materieller Schäden, die ihr aus dem Vorfall vom 25.9.2012 gegen 12:30 Uhr im Discountermarkt der Beklagten in Ort1 zukünftig entstehen, zu ersetzen.

Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung der Klage stattgegeben und einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz der verauslagten Beträge aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB, 116 Abs. 1 SGB X bejaht. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte gegenüber der Zeugin B ihre vorvertragliche Pflicht verletzt habe, die Gesundheit ihrer Kunden vor Gefahren zu schützen, die von der Einrichtung ihres Geschäftes ausgehen. Die Beklagte hätte aufgrund dieser Pflicht den Rollwagenständer nicht wie geschehen in dem Gang aufstellen dürfen, da es sich um ein Hindernis sowohl für den Zugriff auf die dahinter aufgestellten Waren als auch für den Weg durch den Gang gehandelt habe, zumal an dieser Stelle die maximale Durchgangsbreite nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Klägerin 40 cm betragen habe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der landgerichtlichen Begründung wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 96-98 d.A.) und auf dessen Entscheidungsgründe (Bl. 98-102 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 13.6.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einer am 25.6.2012 bei Gericht eingegangen Schrift Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.9.2012 mit einer an diesem Tag eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Beklagte rügt Rechtsfehler und ist der Ansicht, dass das LG zu Unrecht von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte ausgegangen sei. Das sei nicht gerechtfertigt, da Kunden vor Betreten von solchen Discountmärkten von Anfang an wüssten, wie die Örtlichkeit ausgestattet sei, nämlich typischerweise mit engen Gängen und einem unübersichtlich präsentierten Warenangebot von Billigwaren. Zumindest sei jedoch ein höheres Mitverschulden der Zeugin B zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Limburg a. d. L. vom 8.6.2012 - 2 O 427/11 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die ...

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