Positive Lehren aus Corona und Brexit-Folgen

Der Immobilienbereich reagiert bekanntlich mit Zeitverzögerungen. Die Investmentexperten beobachten daher die Märkte sehr genau. Folgen des Brexit sind schon spürbar. Aus der Coronakrise wird man Lehren ziehen müssen: Etwa in Sachen Digitalisierung.

Was macht die Helaba coronabedingt jetzt noch an Finanzierungen, und was macht sie nicht mehr, Frau Peter?

Peter: Wir haben direkt im März unseren kompletten Kreditbestand auf eventuelle Risiken geprüft. Gefahren sehen wir in unserem Portfolio aktuell keine und fühlen uns da gut aufgestellt. Aber der Immobilienbereich reagiert ja bekanntlich mit Zeitverzögerungen. Wir beobachten daher die Märkte sehr genau. Zu Beginn der Krise hatten wir uns darauf verständigt, alle unsere Bestandskunden unverändert gut zu betreuen. Bei Neukunden waren wir anfangs restriktiver, das hat sich inzwischen wieder entspannt. Aber insbesondere bei Projektentwicklungen schauen wir sehr genau hin und legen strengere Maßstäbe an als zuvor.

Hotelfinanzierungen machen Sie ja nicht. Was ist mit Retail?

Peter: Hier waren wir sowieso etwas vorsichtiger in den letzten Jahren im Hinblick auf das veränderte Käuferverhalten. Dennoch ist das Thema nicht vom Tisch: Der Strukturwandel in Richtung Online-Handel wurde im konsumorientierten Einzelhandel durch Corona weiter beschleunigt. Dagegen gelten aber zum Beispiel die Nahversorger als Krisengewinner. Auch Logistikimmobilien finanzieren wir, betrachten diese aber ebenfalls differenziert. Logistik ist ein stabiler Anker, wenn man von Logistik für beispielsweise den Online-Handel spricht. Das werden wir in Zukunft vielleicht sogar verstärken. Und selbstverständlich finanzieren wir weiterhin Wohnimmobilien.

Wird die Assetklasse Büros weiter wichtig bleiben?

Peter: Ich glaube fest daran. Allerdings werden sich die Flächenbedarfe anders darstellen, in welchem Ausmaß jedoch ist per heute reine Spekulation. Ich vermute, es wird wieder weniger Open Spaces geben. Ich glaube, wir werden weiterhin Büroflächen brauchen, denn die Menschen wollen sich begegnen. Das funktioniert im Homeoffice ja nur sehr eingeschränkt. Wir finanzieren unverändert Büros in guten Lagen, mit solidem Mieterbesatz und langfristigen Mietverträgen oder einem guten Mietermix.

In Frankfurt gibt es das Integrierte Stadt­entwicklungskonzept 2030+. Frankfurt soll sich auszeichnen durch lebendige Stadtteile, eine höhere Dichte und eine Mischung der Nutzung. Ist die Stadt hier auf dem richtigen Weg?

Westphal: Das glaube ich schon. Wir alle wissen, dass Stadtteile wie das Nordend, aber auch das Westend baulich ansprechend sind und hohe Lebensqualität haben, obwohl sie mehr Stockwerke haben als der klassische Siedlungsbau.

Das heißt, die dichten Flächen sind gar nicht so unbeliebt?

Westphal: So ist es. Ich halte auch die Konzepte für das Stadtgrün und die entsprechenden Ausgleichsflächen für gelungen. Das Einzige, was wir uns hier wünschen würden, wäre, dass es bei der Entwicklung von Bebauungsplänen zügiger vonstattengeht. Das ist der eigentliche Engpass.

Der Brexit steht ja vor der Tür. Ist inzwischen etwas von einem Run auf Frankfurt zu beobachten?

Schwebel: Das kann man so sagen. Wir haben mit Abstand die meisten Firmenansiedlungen im Bereich Brexit.

Sind das nur Banken?

Schwebel: Auch. Wir haben mehr als 30 Banken, die vorher in Frankfurt nicht waren, hinzubekommen. Außerdem ist die Finanzwirtschaft entgegen allen Prognosen gewachsen. Wir haben rund 4.000 Beschäftigte mehr als zum Zeitpunkt der Brexit-Entscheidung. Und wir haben eine ganze Menge an Nettoeffekten, die nicht direkt ablesbar sind, die aus allem entstanden sind. Plus Firmen, wie zum Beispiel Michelin, die von Frankfurt das UK-Geschäft betreiben. Außerdem hat LG Electronics die Europazentrale hierher verlegt. Und es gibt noch viele Beispiele mehr.

Wenn Sie positive Lehren aus Corona ziehen wollten, was würden Sie sagen?

Westphal: Eine Konzentration auf das Wesentliche, auf die Wertschöpfung. Wir haben bei unserem Kerngeschäft erlebt, dass auch die Vermietung von Wohnungen sehr viel digitaler vor sich gehen kann, als wir das bislang durchgeführt hatten, auch mal mit einer digitalen Unterschrift. Jeder Mieter, der bei uns einen Neubau bezieht, nimmt über eine Mieterapp an unserem neuen digitalen Netzwerk teil. Das erleichtert in Zukunft zunehmend die Kommunikation.

Peter: Neben unserem Digitalisierungssprung versuchen wir bei der Helaba, Dinge unkomplizierter zu handhaben, zum Beispiel was das Unterzeichnungs­­system angeht. Entscheidungen, die bisher ausschließlich während Präsenzmeetings getroffen wurden, kann es jetzt auch mal online geben …

Schwebel: ... ja, es gibt positive Aspekte. Wir können auf einmal sehen, dass Deutschlands Wirtschaft Digitalisierung kann. Das haben wir unter Beweis gestellt, und wir haben auch unter Beweis gestellt, dass wir eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme haben. Wichtig für ausländische Investoren, die nach Deutschland kommen. Wichtig auch: Die Krise war ein Gradmesser für Konzepte: Gute Konzepte existieren nach der Krise weiter.

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