(Quasi-) Direkte Verpflichtung auf verschiedenen Wegen
Eine direkte Verpflichtung zum Nachhaltigkeitsbericht für KMU gibt es formal zwar noch nach der aktuell ins HGB umzusetzenden CSRD für kapitalmarktorientierte KMU ab dem Geschäftsjahr 2028, doch soll laut dem Vorschlag der EU-Kommission diese bald wieder gestrichen werden. Darüber hinaus besteht aber ggf. die Notwendigkeit, aufgrund von bestimmten Energiesteuern, der Teilnahme am Emissionshandel, dem Verpackungsrecht, dem Abfallwirtschaftsrecht, o. Ä. zumindest bereits relevante Nachhaltigkeitsinformationen staatlichen Stellen zu übermitteln oder zumindest für Prüfungen vorzuhalten.
Ein weiterer Weg, um auch als kleineres Unternehmen von der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen zu sein, könnte aus dem Verbraucherrecht folgen. In den letzten Jahren haben sich Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit zu zentralen Verkaufsargumenten entwickelt. Viele Unternehmen nutzen zunehmend sogenannte Green Claims, d. h. Aussagen wie klimaneutral, öko oder nachhaltig, die auf die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftspraktiken hinweisen, um diese als umweltfreundlich darzustellen. Derartige Werbeaussagen sind bisher kaum reguliert, selten nachvollziehbar oder gar vergleichbar, was zu einer weiten Verbreitung von Greenwashing – bzw. in Bezug auf Sozialaspekte Bluewashing – beigetragen hat. Mit ihren jüngsten Richtlinien, insbesondere der kurzfristig in Deutschland umzusetzenden Empowering Consumers-Richtlinie (EmpCo-Richtlinie) und dem, aktuell aber auf Eis gelegten Entwurf der Green-Claims-Richtlinie (GCD), verfolgt die EU das Ziel, dass Verbraucher besser informierte Kaufentscheidungen hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen von Produkten treffen können. Explizites Ziel ist daher jeweils die Verhinderung von Greenwashing, was letztlich mit Berichtspflichten bei Verwendung bestimmter Aussagen verbunden ist. Quasi im Vorgriff auf die Richtlinien gibt es bereits aktuell einige Rechtsprechung, die im Kern auch derartige Unterlegungen von Nachhaltigkeitsaussagen verlangt.
Indirekte Verpflichtung aus der Wertschöpfungskette und VSME
Ein Unternehmen kann sich Anfragen nach Nachhaltigkeitsinformationen ausgesetzt sehen, wenn es sich nach aktuellem Stand der CSRD in einer Wertschöpfungskette mit Unternehmen befindet, die nach § 289b HGB zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung oder nach der CSRD zu einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet sind. Analog kann auch ein zur Überwachung der Wertschöpfungs-/Lieferkette verpflichtetes Unternehmen Informationsansprüche im Rahmen seiner nachzuweisenden Sorgfaltspflichten stellen.
Hier sollen allerdings künftig alle nicht direkt von der CSRD betroffenen Unternehmen viel stärker als bislang vor diesem sog. Trickle-Down-Effekt, also die indirekte Auswirkung der Berichtspflicht auf nicht betroffene (kleinere) Unternehmen, geschützt werden. So soll es ausreichend sein, die komplett geforderten Informationen nur der CSRD-pflichtigen Unternehmen der Wertschöpfungskette in die Berichterstattung einzubeziehen – für alle anderen Unternehmen sollen maximal die deutlich reduzierten Informationen eines deutlich vereinfachten freiwilligen Berichterstattungsstandards abgerufen werden dürfen. Das hebelt den Kern der bisher verabschiedeten Regulierung stark aus und gefährdet letztlich damit auch das Erreichen der übergeordneten Klima- und Nachhaltigkeitsziele stark.
Für die künftig ggf. nicht mehr von der CSRD betroffenen Unternehmen plant die EU-Kommission, den im Dezember von der EFRAG vorgestellten ESRS für die freiwillige Berichterstattung von KMU (VSME ESRS) im EU-Recht als freiwillig anzuwendenden Standard zu verankern und allen nicht von der CSRD betroffenen Unternehmen lediglich zur Anwendung zu empfehlen (Art. 29ca CSRD-E). Am 30.7.2025 hat die EU-Kommission nicht berichtspflichtigen KMU und Kleinstunternehmen empfohlen, den von EFRAG entwickelten VSME ESRS anzuwenden, wenn sie freiwillig Nachhaltigkeitsinformationen vorlegen möchten. Zusätzlich können jedoch als Ausnahme nach Art. 19a (3)(i) CSRD-E auch weitere Nachhaltigkeitsinformationen, die typisch sind für Unternehmen einer Branche/eines Sektors, d. h. Informationen, die in eine Branche typischerweise (mit-)geteilt werden, gefordert werden.
Bankenregulierung
Unter dem Stichwort Sustainable Finance besteht ein Trend zur (weiteren) Regulierung der Finanzwirtschaft für Kredit- oder Versicherungsvergabe. Somit können Unternehmen sich Ansprüchen im Rahmen der Kreditvergabe oder der Sicherung eines Versicherungsschutzes ausgesetzt sehen. Auch hier plant die EU-Kommission nachzusteuern und zumindest keine direkten weitergehenden Forderungen mehr über die Regulierung eines freiwilligen Berichterstattungsstandards auf Basis der VSME ESRS zu stellen. Allerdings bleibt es etwa bei der nötigen Einschätzung der Kreditrisiken, wozu auch die Stellung im Bereich der Nachhaltigkeit des Kreditnehmers stehen dürfte. Daher könnte es weiter sein, dass auch KMU Nachhaltigkeitsberichte oder zumindest -informationen zur Verfügung stellen müssen, um Kredite zu bekommen.
Weitere Anforderungen
Darüber hinaus entspringen – häufig für den Fortbestand des Unternehmens nicht minder gefährliche – Ansprüche auch von anderen Stakeholdern. Zentral ist zunächst die lange Zeit als selbstverständlich angesehene licence to operate, die für einige Geschäftsmodelle aber zunehmend in Gefahr gerät. Hier wirkt die Öffentlichkeit – häufig zusammen mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – entweder direkt auf die Unternehmen oder indirekt über die Politik.
In Zeiten von Fachkräftemangel hat auch das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei (potenziellen) Arbeitnehmern eine steigende Bedeutung. Somit haben mögliche Bewerber auch ggf. regional und fachspezifisch höchst unterschiedliche Ansprüche an die Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte. Dies gilt auch für Lieferanten und Kunden, die teilweise auch ohne Verpflichtung eine eigene Nachhaltigkeitsagenda verfolgen. Zunehmend sind ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.
Für die Eigenkapitalgeber, die direkt oder über einen Aufsichtsrat das Unternehmen mit überwachen und die Dienste des Wirtschaftsprüfers zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Unternehmensberichterstattung nutzen, gilt es eigene Ansprüche an die Nachhaltigkeit durchzusetzen und natürlich auch darauf zu achten, dass die Ansprüche der übrigen Stakeholder beachtet werden. Schließlich führt das auch dazu, dass das Unternehmen selbst eigene Ansprüche an die Nachhaltigkeit entwickeln muss – einerseits auf Basis ökonomischer Notwendigkeiten, andererseits aber auch auf Basis eigener Überzeugungen, die sich ggf. erst sehr viel später positiv (auch im Sinne von Absicherung) in den finanziellen Größen niederschlagen. Die aus den gestiegenen Ansprüchen der Stakeholder resultierenden Gründe für einen Nachhaltigkeitsbericht bedingen eine sehr zeitkritische Auseinandersetzung mit dieser Thematik, auch von KMU und auch trotz der aktuellen regulatorischen Entwicklungen.
Welche Anwendungsalternativen haben KMU?
Verpflichtete Unternehmen haben keine Wahl und müssen sich der den Ausgestaltungsanforderungen der jeweiligen Regulierung unterwerfen, welche zunächst die Anwendung der vollen ESRS vorsehen. Für eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt es jedoch insgesamt nach Vorschlag der EU-Kommission vom 26.2.2025 noch drei denkbare Ausgestaltungsmöglichkeiten:
- Anwendung der vollen ESRS, d. h. Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB-E. Für KMU bedeutet dies aber einen erheblichen Aufwand, der gut überlegt sein will, zudem die ESRS auch gerade noch überarbeitete werden. Auch wenn die vollen ESRS sicher die Premiumlösung für eine freiwillige Berichterstattung darstellen würden, erscheinen diese doch als sehr komplex – selbst unter Beachtung der aktuell vorgeschlagenen Vereinfachungen durch die EFRAG.
- Anwendung der ESRS für zur freiwilligen Berichterstattung für KMU (ESRS VSME).
- Anwendung anderer Rahmenwerke. In der Praxis sind bereits Rahmenwerke wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder der Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) weit verbreitet, die viel Flexibilität gewähren. Allerdings sind die GRI Basis für die Entwicklung der ESRS gewesen und der DNK hat angekündigt, die Ausgestaltung der ESRS zu integrieren. Daher scheint eine Orientierung an den offiziellen Standards der EU sinnvoller und zukunftssicherer zu sein – wenn das KMU hier bereits Erfahrung hat, könnte ein Wechsel gleich zu dem ESRS VSME mit allen Modulen sinnvoll sein.
Vor dem Hintergrund der Vorschläge der EU-Kommission scheint sich der ESRS VSME als Standard für eine freiwillige Berichterstattung zu entwickeln, dessen Anwendung implizit in der EU gefordert werden wird. Zudem ist er am besten geeignet, um sich einerseits in die Logik der ESRS einzudenken und andererseits sich aber auch nicht zu überfordern mit den wachsenden Anforderungen.