IDW befasst sich mit dem „wahren“ Wert von Aktien

Ausgangpunkt war, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine angemessene Abfindung von Aktionären nach § 305 AktG sowie auch ein angemessener Ausgleich nach § 304 AktG unter bestimmten Umständen allein anhand des Börsenkurses der Aktie bestimmt werden kann, sofern der Börsenkurs im konkreten Einzelfall den sog. „wahren“ Wert der Anteile an dem Unternehmen widerspiegelt. In den Urteilen des BGH (v. 31.01.2024 – II ZB 5/22 und v. 21.02.2023 – II ZB 12/21) werden verschiedene Kriterien diskutiert, die hierfür relevant sein können. Dabei lagen in den entschiedenen Fällen jeweils auch gutachtlich ermittelte Ertragswerte für die Unternehmen bzw. die Anteile daran vor.
Wirtschaftswissenschaftliche Theorie und betriebswirtschaftliche Praxis
Aus der Sicht der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie und der betriebswirtschaftlichen Praxis sind umfassende ökonomische Analysen und weitergehende Handlungen für die Beurteilung der Angemessenheit börsenkursbasierter Kompensationen mit Blick auf die Kompensation des vollen wirtschaftlichen, sog. „wahren“ Werts erforderlich. Dabei gilt es insb. zu beurteilen, ob im konkreten Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Marktmechanismus für die betreffenden Anteile (tatsächlich) eine effektive Informationsverarbeitung und Informationsbewertung abbildet.
Verschiedene Anwendungsfälle
In dem veröffentlichten Entwurf werden für verschiedene Anwendungsfälle, in denen die Angemessenheit börsenkursbasierter Kompensationen zu beurteilen ist, Anforderungen an die Beurteilungskriterien und -handlungen sowie die darauf basierende eigenverantwortliche Gesamtbeurteilung – primär aus der Sicht des Wirtschaftsprüfers, aber damit natürlich auch für die weiteren Anwender in Unternehmen und in der Beratung – formuliert.
Börsenkurs im Sinne des Entwurfs
Ein Börsenkurs i.S. des Entwurfs ist ein gemäß § 24 BörsG festgestellter Börsenpreis. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG können auch Freiverkehrskurse, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse festgestellt werden, Börsenpreise sein. Dies schließt auch an ausländischen Börsen festgestellte Kurse ein, wenn sie nach vergleichbaren Regularien festgestellt werden wie nach dem BörsG. Dagegen sind geschätzte (Tax-)Kurse, Geld- und Briefkurse sowie Over The Counter (OTC)-Kurse keine Börsenkurse (IDW ES 17, Tz. 18).
BGH: Börsenkursstichtag
Der BGH (Urteil vom 12.03.2001 – II ZB 15/00; BGH, Urteil vom 19.07.2010 – II ZB 18/09) hat in Fortführung seiner Rechtsprechung zum Börsenkurs als Wertuntergrenze festgestellt, dass der für die jeweilige Maßnahme zugrunde zu legende Börsenkurs als umsatzgewichteter Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor dem Stichtag der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme (sog. Börsenkursstichtag) zu ermitteln ist. Nach § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG ist in den dort geregelten Fällen auf den Sechsmonatsdurchschnittskurs vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen (IDW ES 17, Tz. 20).
BGH: Kriterium „Angemessenheit“
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung soll das Kriterium „angemessen“ im Fall aktien- oder umwandlungsrechtlicher Anlässe sicherstellen, dass ausscheidende Minderheits- oder außenstehende Aktionäre den vollen wirtschaftlichen Wert ihrer Beteiligung an dem Unternehmen ersetzt bekommen. Da solche Abfindungs- oder Ausgleichsfälle in die grundgesetzlich geschützten Eigentumsrechte von Aktionären eingreifen, betont die Rechtsprechung einen vollen Ersatz des „wahren“ Werts. Ein(e) angemessene(r) Abfindung oder Ausgleich setzt voraus, dass der betroffene Aktionär mit einer Situation gleichgestellt wird, als hätte die gesellschaftsrechtliche Maßnahme, durch die es zur Enteignung bzw. Kompensationsnotwendigkeit kommt, nicht stattgefunden. Hierzu müssen die mit dem Eigentum an den Unternehmensanteilen verbundenen Chancen und Risiken vollständig und adäquat in der angemessenen Kompensation abgebildet sein. Dementsprechend ist zu beurteilen, ob davon ausgegangen werden kann, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens (tatsächlich) zutreffend bewertet haben und sich die Marktbewertung im Börsenkurs (tatsächlich) niedergeschlagen hat (IDW ES 17, Tz. 22).
FAUB: Konzepte und Empfehlung
Im Hinblick auf mögliche Abweichungen des Börsenkurses vom „wahren“ Wert ist zum Bewertungsstichtag zu beurteilen, in welchem Ausmaß Informationsasymmetrien bestehen, die vorhandenen Informationen auch tatsächlich verarbeitet sind und inwieweit Börsenkurse des Gesamtmarkts oder der einzelnen Aktie von Marktstimmungen beeinflusst sind, wozu der FAUB Konzepte entwickelt.
Der Standardentwurf stellt eine noch nicht abschließend abgestimmte Berufsauffassung dar. Entsprechend dem IDW Prüfungsstandard: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung (IDW PS 201 n.F. (09.2022)) (Stand: 28.09.2022) kann der Entwurf im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit und des beruflichen Ermessens des Berufsangehörigen berücksichtigt werden, soweit er geltenden IDW Standards und IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung nicht entgegensteht. Der FAUB hat die Möglichkeit, eine Empfehlung zur Anwendung des IDW ES 17 auszusprechen, genutzt, da es bisher keine Verlautbarungen des FAUB zur Beurteilung der Angemessenheit börsenkursbasierter Kompensationen gibt.
Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge bis 31.8.2025
Der IDW ES 17 ist hier abrufbar. Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu dem Entwurf sind bis zum 31.8.2025 dem IDW zu übersenden.
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Nutzungsdauer von Computerhardware und Software auf ein Jahr reduziert
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Voraussetzungen: Wer kann für welche Wirtschaftsgüter einen IAB geltend machen?
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07.07.2025
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07.07.2025
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07.07.2025
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07.07.2025
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25.06.2025