Ansammlungs- und Verteilungsrückstellungen

Handelsrechtlich sind unter den Rückstellungen alle Schulden zu erfassen, deren wirtschaftliche oder rechtliche Verursachung bis zum Bilanzstichtag erfolgt ist. Wie sind dann aber z. B. Rückbauverpflichtungen für Mietereinbauten oder Rekultivierungsverpflichtungen bei einer Kiesgrube zu behandeln?

In beiden Fällen liegt eine Schuld gem. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB vor, die der Höhe nach ungewiss ist. Deshalb sind für diese Schulden gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB Rückstellungen zu bilden. Problematisch erscheint die Höhe dieser Rückstellungen. Würde ein Unternehmen sofort die vollen Aufwendungen (inkl. Preis- und Kostensteigerungen) für diese Verpflichtungen als Rückstellungen im Jahr des Vertragsabschlusses erfassen, so würde dies zu einem negativen Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dieses Unternehmens führen.

Handelsrecht: Rückbauverpflichtungen werden als Verteilungsrückstellungen bezeichnet

Bei den Rückbauverpflichtungen handelt es sich um Verpflichtungen, die rechtlich mit dem Vertragsabschluss entstehen, wirtschaftlich aber erst durch die Nutzung dieses Gebäudes verursacht werden. Die Rückstellungen für diese Art der Verpflichtung werden handelsrechtlich als Verteilungsrückstellungen bezeichnet.

Handelsrecht: Rekultivierungsverpflichtungen werden als Ansammlungsrückstellungen bezeichnet

Die Rekultivierungsverpflichtungen führen zu einer Verpflichtung, die erst durch die Nutzung der Kiesgrube entsteht. Solche Rückstellungen werden handelsrechtlich als Ansammlungsrückstellungen bezeichnet.

Die allgemein vertretene Literaturmeinung, dass künftige Aufwendungen nur insofern erfasst werden (dürfen), als die ihnen entsprechenden konkret zurechenbaren Erlöse auch tatsächlich realisiert werden, wird durch die Bilanzierung von Verteilungs- bzw. Ansammlungsrückstellungen in der Praxis umgesetzt. Diese Aufwendungen werden somit zu einem mit dem Realisationsprinzip konformen Zeitpunkt erfasst.

Steuerrecht: Echte und unechte Ansammlungsrückstellungen

Steuerrechtlich ist von echten und unechten Ansammlungsrückstellungen die Rede. Dabei ist zu beachten, dass die handelsrechtlichen Verteilungsrückstellungen der echten Ansammlungsrückstellung entsprechen, während die steuerlich unechten Ansammlungsrückstellungen der handelsrechtlichen Ansammlungsrückstellung gleichzusetzen sind.

Bildung echter und unechter Ansammlungsrückstellungen

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG ist eine echte Ansammlungsrückstellung zu bilden, bei der am Bilanzstichtag

  • die Verpflichtung bereits feststeht sowie
  • die Verpflichtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Wirtschaftsjahre verteilt werden muss, die für das Entstehen der Verpflichtung ursächlich sind.

Als Beispiel hierfür können Mieter-Abbruchverpflichtungen oder Verpflichtungen zum Rückbau am Ende eines Mietvertrags sowie Abbruch von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden genannt werden.

Eine unechte Ansammlungsrückstellung ist für Verpflichtungen zu bilden, bei denen der Rückstellungsbetrag nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern tatsächlich in jedem Wirtschaftsjahr steigt.

Erfüllungsbetrag ermitteln: Barwertverfahren und Gleichwertverfahren

In diesen Fällen nimmt die Höhe der Rückstellung tatsächlich von Jahr zu Jahr zu. Zur Ermittlung des Erfüllungsbetrags einer Verteilungsrückstellung gibt es handelsrechtlich die Möglichkeit, zwischen 2 verschiedenen Verfahren zu wählen. Beide zielen auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Aufwands der gesamten Verteilungsperiode ab, da eine derartige Verteilung i. d. R. auch für die wirtschaftlichen Vorteile zu erwarten ist.

  • Bei der Anwendung des Barwertverfahrens bedarf es zunächst der Ermittlung des anteiligen Nominalbetrags, indem der gesamte Nominalbetrag gleichmäßig auf den Verteilungszeitraum verteilt wird. Im zweiten Schritt wird der ermittelte anteilige Nominalbetrag nach der Restlaufzeit abgezinst. Daraus ergibt sich ein im Zeitablauf zunehmender operativer Aufwand. Dieses Verfahren wird in der Praxis bevorzugt.
  • Beim Gleichverteilungsverfahren wird versucht, den operativen Aufwand mithilfe einer annuitätischen Verteilung über die gesamte Verteilungsperiode konstant zu halten. Die Ermittlung des Aufwands erfolgt durch die Anpassung des aktuellen Zinssatzes zu jedem Abschlussstichtag entsprechend der verbleibenden Laufzeit. Mit diesem Verfahren wird das Jahresergebnis lediglich durch die Aufzinsung und Änderungen des Zinssatzes beeinflusst.

Grundlage der Ermittlung des Rückstellungsbetrags anhand der aufgeführten Verfahren ist die Bestimmung der Verteilungsperiode. Im Normalfall entspricht diese der Restlaufzeit oder bei vertragsbasierten Rückstellungsverpflichtungen der Vertragslaufzeit.

Praxis-Tipp: Verlängerungsoption

In der Praxis besteht häufig die Möglichkeit eine Verlängerungsoption, wie bspw. bei Mietverträgen, zu vereinbaren und auszuüben. Nach IDW RS HFA 34 ist eine solche Option bei der Bestimmung des Verteilungszeitraums zu beachten, wenn diese bereits ausgeübt wurde oder die Verlängerungsoption aus sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten ableitbar ist.

Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil v. 2.7.2014, I R 46/12) hat sich zu den (echten) Ansammlungsrückstellungen bei Verlängerung des Miet- bzw. Pachtvertrages geäußert und die steuerliche Behandlung geregelt. Danach gilt: Wenn eine Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden bei Miet- und Pachtvertrag über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus fortgesetzt wird, so ist dieser verlängerte Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungausweis zugrunde zu legen. Der BFH hat sich für eine strikte Anwendung des Stichtagsprinzips ausgesprochen. Somit sind Ansammlungsrückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG in der Steuerbilanz jedes Jahr neu zu bewerten. Ändert sich der Zeitpunkt der Inanspruchnahme, muss eine neue Gleichverteilung des zu erwartenden Aufwands zum Bilanzstichtag unter Zugrundelegung der aktuellen Preisverhältnisse und einer geänderten Abzinsung erfolgen.

Schlagworte zum Thema:  Rückstellung, Handelsbilanz, Steuerrecht