Auch die handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen gilt im Grundsatz für die Steuerbilanz, jedoch nur so weit, wie das Steuerrecht keine selbstständigen Bewertungsvorschriften enthält. In Bezug auf die Bewertung von Rückstellungen finden sich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gesonderte Regelungen.

4.1 Unterschiedliche Regelungen zur Abzinsung von Rückstellungen

Ein Unterschied zwischen dem handelsrechtlichen Wertansatz und dem steuerlichen Wert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG einer Rückstellung für Kostenüberdeckungen kann sich im Einzelfall aus den unterschiedlichen Regelungen zur Verzinsung von Rückstellungen ergeben.

Rückstellungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG abzuzinsen; ausgenommen von der Abzinsung sind Rückstellungen,

  • deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt und
  • die verzinslich sind oder
  • die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart wurde oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden, die einer Verzinsung gleichkommen.[1]

In Bezug auf Rückstellung für Kostenüberdeckungen ist nach Auffassung der Rechtsprechung von einer Verzinslichkeit auszugehen, wenn in die Bemessung des Verpflichtungsbetrags, der in Folgeperioden preismindernd zu berücksichtigen ist, neben der reinen Kostenüberdeckung (aufgrund der jeweiligen Regelungen) auch eine Verzinsung einbezogen werden musste.[2] Ob dies im Einzelfall der Fall ist, ergibt sich aus den der Verpflichtung zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Regelungen.

Im Praxis-Beispiel wurde angenommen, dass der Verpflichtung Zinsen innewohnten, sodass zur Ermittlung des steuerlichen Werts der Rückstellung keine Abzinsung erfolgte.

[1] Vgl. BMF, Schreiben v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175 – 7/05, Rz. 13/14 i. V. m. Rz. 32.
[2] Vgl. Sächsisches FG, Urteil v. 28.5.2014, 1 K 754/13, Entscheidungsgründe c).

4.2 Handelsrechtliche Rückstellungsobergrenze in der Steuerbilanz

Die Bewertungsvorschriften in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG regeln die Bewertung von Rückstellungen nicht abschließend, sondern sind nach R 6.11 Abs. 3 EStR als Höchstgrenze zu betrachten. Dies hat der BFH mit Urteil vom 20.11.2019 auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des BilMoG bestätigt.[1] Daher dürfen nach Verwaltungsauffassung Rückstellungen – mit Ausnahme von Pensionsrückstellungen – in der Steuerbilanz nicht höher ausgewiesen werden als der zulässige Rückstellungsausweis in der Handelsbilanz.

Zur praktischen Umsetzung dieser "Höchstgrenze" ist

  • im ersten Schritt zunächst der Rückstellungswert nach den Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG (steuerlicher Wert) zu ermitteln;
  • im zweiten Schritt anschließend dieser Wert mit dem handelsbilanziellen Wertansatz zu vergleichen.

Der niedrigere der beiden Werte ist in der Steuerbilanz anzusetzen.

Das Praxis-Beispiel zeigt, dass in den Fällen, in denen der Verpflichtungsbetrag, der in Folgeperioden preismindernd zu berücksichtigen ist, einen Zinsanteil enthält, im Zuge der Ermittlung des steuerlichen Werts gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG keine Abzinsung vorzunehmen ist. In diesen Fällen wird der steuerliche Wert den handelsrechtlichen Wert der Rückstellung regelmäßig übersteigen, sodass in der Steuerbilanz ebenfalls der handelsrechtliche Wertansatz zum Zuge kommt.

Sofern die Höchstgrenze im Einzelfall nicht greift, kommt es aufgrund der oben genannten Aspekte zu Abweichungen zwischen dem Wertansatz in der Handels- und Steuerbilanz. In diesem Fall führt der regelmäßig höhere steuerliche Zinssatz zu einem niedrigeren steuerlichen Wert im Vergleich zum handelsrechtlichen Wertansatz. In diesem Fall darf in der Steuerbilanz höchstens der (niedrigere) steuerliche Wert angesetzt werden. Dadurch fallen handels- und steuerbilanzieller Wertansatz auseinander. Dies führt ggf. zum Ausweis latenter Steuern in der Handelsbilanz.[2]

4.3 Finanzverwaltung hat Rückstellungen für Kostenüberdeckung bestätigt

Mit Schreiben vom 22.11.2013 hat das BMF die Bildung von Rückstellungen für Kostenüberdeckungen anerkannt.[1] Anlass hierzu war das o. g. BFH-Urteil. Dem ist auch die OFD Nordrhein-Westfalen mit Verfügung vom 16.12.2014 gefolgt.[2] Damit hat die Finanzverwaltung die Bildung von Rückstellungen aus der Mehrerlösabschöpfung nach § 23a Energiewirtschaftsgesetz und anderen vergleichbaren Vorschriften für Strom bzw. Gas steuerlich anerkannt.

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